Nach Angriff auf Jüdische Gemeinde in Graz: Verdächtigter zeigt keine Reue

- Die Grazer Synagoge war Ziel eines Unbekannten: Unter anderem wurde Elie Rosen Samstagabend attackiert.
- Foto: Jüdische Gemeinde Graz
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Nach dem Angriff auf auf den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Graz (IKG), Elie Rosen, am Samstagabend, hat die Polizei nun einen Verdächtigen in Gewahrsam genommen. Die Festnahme wurde via Twitter auch von Innenminister Karl Nehammer bestätigt. Mehreren Medienberichten zufolge sei der mutmaßliche Täter, ein syrischer Staatsbürger, von einer Radstreife gestellt worden. Ob tatsächlich dieser Mann für den Angriff und weitere zum Teil antisemitische Taten in der Vorwoche verantwortlich ist, steht bis dato noch nicht fest.
Verdächtigter zeigt keine Reue
Neben der Attacke auf Rosen vor dem Gemeindehaus, bei dem offenbar mit einem Holzprügel auf ihn eingeschlagen wurde, gab es bereits in der Nacht auf Mittwoch einen Vandalenakt bei der im Jahr 2000 wiedereröffneten Synagoge. Ebenso wurde ein Schaufenster beim Vereinslokal der RosalilaPantherInnen eingeschlagen. Dazu kommt der Einschlag einer Scheibe bei einem Nachtlokal am Griesplatz sowie weitere Beschmierungen und das Anbringen von Schriftzeichen an Wänden beim Hauptbahnhof und in der Annenstraße. Der Täter habe demnach sowohl antisemitische als auch homophobe Motive gehabt, wie aus Ermittlerkreisen zu erfahren war. Die Landespolizeidirektion Steiermark hat zur schnelleren Klärung der Causa auch eine eigene Ermittlungsgruppe mit dem Namen "Achava" (hebräisch für: Brüderlichkeit) unter der Führung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) eingerichtet.
Der Verdächtige zeigte sich zu den vorgehaltenen Sachverhalten umfassend geständig und gab noch weitere Sachbeschädigungen im Stadtgebiet von Graz zu. Er zeigte jedoch keine Ansätze von Reue und begründete seine Taten mit einem Hass auf Israel, die Juden, Schwule und Lesben sowie Prostituierte. Bei der Festnahme des Verdächtigen und bei einer Nachschau in dessen Wohnung wurden Beweismittel gesichert, die auf ein islamistisches Motiv schließen lassen.
Nach Abschluss der Einvernahmen wird der 31-Jährige in die Justizanstalt Graz-Jakomini eingeliefert.
Landespolizeidirektor Gerald Ortner bedankte sich bei allen Kollegen und ist stolz auf einen derart raschen Erfolg, der durch gezielte kriminaltaktische Maßnahmen erzielt werden konnte.
Solidarität mit der jüdischen Gemeinde
Die gesamte österreichische Politspitze, angeführt von Bundespräsident Alexander van der Bellen und Bundeskanzler Sebastian Kurz, zeigte sich aufgrund der Angriffe und Vandalenakte bestürzt. „Wir stehen geschlossen hinter der jüdischen Gemeinde und wollen ein gemeinsames Zeichen der Solidarität setzen. Die Angriffe auf Elie Rosen und das jüdische Gebetshaus sind menschenverachtend und zutiefst verwerflich. Gegen diese aufkeimenden Hasstiraden müssen wir entschlossen vorgehen und die Sicherheitsmaßnahmen für die Einrichtungen der jüdischen Gemeinde verstärken. Antisemitismus darf in unserem Land keinen Platz haben!", waren sich etwa Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, Stellvertreter Anton Lang, Graz-Bürgermeister Siegfried Nagl sowie dessen "Vize" Mario Eustacchio einig. An einer spontanen Kundgebung noch am späten Samstagabend nahmen unter anderem auch Soziallandesrätin Doris Kampus, Kulturstadtrat Günter Riegler, die KPÖ-Stadträte Elke Kahr und Robert Krotzer, Grünen-Stadträtin Judith Schwentner sowie SPÖ-Chef Michael Ehmann und NEOS-Klubobmann Niko Swatek teil.
Keine Entwarnung
Der aktuelle Fall ist nun also aufgeklärt: Grund zur Entwarnung gebe es laut Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer keinen Grund zur Entwarnung. „Wir müssen wachsam bleiben, denn in unsere vielfältigen, eigentlich multikulturellen Gesellschaft hat sich - insbesondere seit 2015 - viel Missgunst eingenistet. Der Antisemitismus hat kein linkes oder rechtes oder religiöses Mascherl. Wir begegnen ihm überall. Er ist in den Köpfen gewachsen, weil Jahre hinter uns liegen, in denen die Abneigung, um nicht zu sagen der Hass, geschürt und damit der Keil der Spaltung in die Gesellschaft getragen wurde.″ Wir alle, so Schützenhöfer, seien daher aufgerufen, das Miteinander und nicht das Nebeneinander oder gar das Gegeneinander zu leben.
30 neue Maßnahmen
Der Kampf gegen Antisemitismus werde auch weiterhin äußerst wichtig sein, bekräftigte Karoline Edtstadler, die Bundesministerin für EU und Verfassung im Rahmen einer Pressekonferenz.
"Die nationale Strategie gegen Antisemitismus muss koordiniert und entwickelt werden. Diese soll im Herbst präsentiert werden. Da geht es um 30 Maßnahmen, um den Schutz jüdischen Lebens zu sichern. Weiters geht es um eine bessere statistische Erfassung von antisemitischen Vorgängen, in enger Abstimmung mit der Europäischen Kommission. Wir könnten mit unseren Vorhaben nicht aktueller sein, wie die Vorfälle in Graz zeigen." Jeder müsse aufstehen, um die Stimme gegen Antisemitismus zu erheben, schließlich sei es kein jüdisches Problem.
Präventive Ansätze
Kultusministerin Susanne Raab ergänzt: "Das religiöse Leben in Österreich muss gesichert und ausgelebt werden können. Wir haben an diesem Fall in Graz gesehen, dass Antisemitismus in jedweder Form ein Angriff auf unsere Wertegemeinschaft ist. Wir in Österreich haben eine historische Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus. Es braucht zur Bekämpfung einen gesamtgesellschaftlichen Ansatz, der die unterschiedlichen Ausprägungen von Antisemitismus analysiert, um entsprechende Maßnahmen setzen zu können. Der Anschlag in Graz bestätigt uns zudem erneut, dass der politische Islam und das Phänomen des Antisemitismus Schnittmengen aufweisen. Wir sehen diesen Angriff als oberste Spitze des Eisberges. Wichtig ist, auch präventiv tätig zu werden."
Sie verweist dazu auch auf diverse Studien von Kenan Güngör, in denen die Hälfte der muslimischen Jugendlichen die jüdischen Mitbürger als negativ ansieht. Bestätigt wird das von einer Studie von Peter Filzmaier. "Im Integrationsbereich muss also präventiv angesetzt werden. Wir müssen so viele Jugendlichen wie möglich in jüdische Einrichtungen bringen, damit es zu interreligiösen Begegnungen kommt." Die Schnittstelle zum Islamismus und politischen Islam müsse man gesondert beobachten. Der muslimische Antisemitismus sei schließlich in allen Ausprägungen ernst zu nehmen, wie Oskar Deutsch, der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, abschließend erwähnt.
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