Christian Frosch begeistert mit seinem Kriegsverbrecher-Drama

- Regisseur Christian Frosch.
- Foto: Jost Hering Filme
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Heidenreichsteiner Regisseur eröffnete Grazer Diagonale mit Murer - Anatomie eines Prozesses.
HEIDENREICHSTEIN. Der in Heidenreichstein aufgewachsene Christian Frosch begeisterte bei der Diagonale 18 in Graz mit seinem Film über den Kriegsverbrecher Franz Murer.
Ein brisanter Gerichtsfilm, ein Thriller eröffnete die Diagonale’18.Graz 1963. Der angesehene Lokalpolitiker und Großbauer Franz Murer steht wegen schwerer Kriegsverbrechen vor Gericht. Die Beweislage ist erdrückend. Doch in den Zentren der Macht will man die dunklen Kapitel der eigenen Geschichte endgültig abschließen.
Anhand der originalen Gerichtsprotokolle eines der wohl größten Justizskandale der Zweiten Republik zeichnet Regisseur Christian Frosch den Fall des angesehenen steirischen Politikers und Großbauern Franz Murer nach, der von 1941 bis 1943 als „Schlächter von Vilnius“ einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung der Juden in der heutigen litauischen Hauptstadt war. Franz Murer wurde erst 1963 auf die juristische Intervention von Simon Wiesenthal hin in Österreich vor Gericht gestellt. Überlebende der Shoah reisten an, um auszusagen und Gerechtigkeit zu erwirken – vergebens. Trotz der erdrückenden Beweislage endete der Prozess mit einem Freispruch.
73 Sprechrollen
Der Eröffnungsfilm erzählt diese Verhandlung mit 73 Sprechrollen in dichten Passagenund der stets intensive Nähe erzeugenden Kamera von Frank Amann nach. In
Hintergrundsequenzen und Parallelsträngen im Umfeld des Prozesses kombiniert er die Agitatoren – Täter/innen, Opfer, Zusehende – zu einem erschütternden postnazistischen Zeitbild, in dem, frei nach Hannah Arendt, Tatsachen so behandelt werden, als handle es sich um vernachlässigbare Meinungen. Erschreckend, wie gegenwärtig all dies erscheint. „Österreich hat keine Seele und keinen Charakter. Österreich besteht aus Tätern, Zuschauern und Opfern“, zieht Regisseur Christian Frosch ein düsteres Resümee aus der Arbeit an seinem Spielfilm MURER – ANATOMIE EINES PROZESSES.
Es wurde bewußt gelogen
„Mich interessierte beim Murer-Kriegsverbrecherprozess weniger, zum wiederholten Male die Verbrechen des NS-Regimes nachzuerzählen, sondern genau hinzusehen und zu verstehen, wie sich die vom Wesen her grundsätzlich verschiedenen Gruppen (Täter, Opfer und Zusehende) in der Republik Österreich darstell(t)en. Das Spannende ist, dass man hier sehen kann, wie das österreichische Nationalnarrativ funktioniert(e). Es basiert keineswegs auf Verdrängung. Es wurde bewusst gelogen, verschleiert, verbogen und gesteuert. Nur so konnte man Täter zu Opfern machen und die Opfer zu den eigentlich Schuldigen erklären. Diesem Prozess lag kein seelischer Defekt zugrunde, sondern Kalkül. Wir müssen uns endgültig von der Vorstellung verabschieden, dass der Patient Österreich nur die Fakten in sein Bewusstsein integrieren muss, um den Heilungsprozess einzuleiten. Die Tatsachen waren und sind bekannt“, so Frosch weiter. Er versteht MURER – ANATOMIE EINES PROZESSES dabei nicht als historisierenden, sondern als politischen Film, bei dem es darum ging, das brisante Material so authentisch wie möglich „zum Sprechen“ zu bringen.
CHRISTIAN FROSCH (Regie)
• Geboren 1966 in Waidhofen an der Thaya.
• Ausbildung zum Fotographen in Wien an der Höheren Graphischen Bundes-Lehr und Versuchsanstalt in Wien.
• Er absolvierte 1997 die Deutsche Film und Fernsehakademie Berlin (DFFB).
• Seither 10 Kurzfilme, 6 realisierte lange Kinofilm-Drehbücher.
• Carl Mayer Förderungspreis 2005 u. 1998, Script 99-Award, Special Prize Sotschi, vier lange Kinospielfilme als Autor und Regisseur.
• Mitbegründer der weltfilm gmbh.
• Zahlreiche Betreuungen von Spiel und Dokumentar Projekten als Dramaturg.
• Lehrtätigkeit unter anderem: Jena, DFFB, UCLA
• Stipendien: Schloss Solitude (D), Villa Aurora (USA), Artist in Residence in Tel Aviv
(Israel)
• Lebt in Berlin und Baden bei Wien.
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