Eklat im Landesgericht Eisenstadt
Staatsanwältin platzte nach mildem Schlepperurteil der Kragen
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- Die engagierte Staatsanwältin (im Foto links) gab zum milden Urteil keine Erklärung ab, somit drei Tage Bedenkzeit und vorerst keine Rechtskraft.
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„Wirklich nur 20 Monate Haft?“, fragte ein lächelnder Schleuser unglaubwürdig, nachdem er sich bekreuzigt hatte. „Nicht einmal der Angeklagte versteht dieses milde Urteil“, zeigte sich die Staatsanwältin entrüstet. Eklat im Landesgericht Eisenstadt. In einem turbulenten Schlepperprozess. Geprägt von Angstbekenntnissen mancher Beschuldigter, vielen Ausreden, widerrufenen Geständnissen und Strafen, die Emotionen auslösten.
EISENSTADT. Sechs Angeklagte. Aus Moldawien und der Ukraine. Im Alter zwischen 20 und 45 Jahren. "Verdiente" Fahrer, die in der Schlepper-Hierarchie bereits „aufgestiegen“ sind. Verantwortlich zeichnen für Fuhrpark, Bezahlung, Rekrutierung neuer Lenker durch Facebook-Inserate sowie Bekanntgabe der Standort-Koordinaten zwecks Abholung illegaler Migranten.
Hunderte Migranten ins Burgenland gebracht
„Diese Beschuldigten hier stammen alle aus einer kriminellen Organisation, die zerschlagen werden konnte. Rund 80 Personen sind bereits zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden, einige warten noch auf ihre Prozesse. Hunderte Fremde wurden von dieser Menschenschmuggler-Bande illegal ins Burgenland gebracht“, referierte die engagierte Staatsanwältin, die wohl wie kein anderer diese Schlepper-Mafia-Gruppierung kennt.
Gerüchte um Bedrohungen durch Mittäter
Da sich drei der Angeklagten für nicht schuldig erklärten, wurden diese zurück in ihre Zellen geführt. Ihr Prozess findet im Jänner statt. Die beiden anderen Täter wurden auf den Gang „verbannt“, damit der Erstangeklagte alleine im Saal 1 des Landesgerichtes Eisenstadt befragt werden konnte. Nicht ohne Grund. Denn bereits im Vorfeld der Verhandlung gab es Gerüchte um Bedrohungen durch Komplizen.
Schlepper hat Angst vor Mitangeklagten
„Ich gebe zu, was ich gemacht habe“, stellte der Moldawier klar, „aber ich werde nichts über andere Personen berichten!“ „Warum? Haben sie Angst?“, fragte die Richterin. „Vor der Polizei haben sie ihre Mitangeklagten belastet. Jetzt wollen sie nichts mehr sagen?“ „Nein. Vor der Polizei habe ich gelogen!“ „Haben sie Angst und wollen deshalb andere nicht belasten?“ „Ja ich habe Angst. Einfach so.“
Stimmt nicht, was er über Komplizen gesagt hat
Dann erklärte der Schlepper, dass in den Niederschriften nur stimmt, was über ihn angeführt ist. Nicht aber, was er über seine Komplizen ausgesagt hat. „Wurden sie in der Haft bedroht?“, fragte die Staatsanwältin nach. „In einem anderen Prozess ist das nämlich der Fall!“ Nach verlegenem Schweigen verneinte der Angeklagte. „Wurden sie eingeschüchtert?“ „...Nein...“
Video zeigt, wie ein Schleuser verprügelt wird
Bei der Befragung des nächsten Täters kam zum Vorschein, dass dieser bereits zusammengeschlagen worden ist. Von zwei Rumänen, im Auftrag seines „Chefs“, der ihm damit mitteilen wollte, „dass ich nicht so viel fragen soll!“, schilderte der 20-jährige Schleuser. Diese brutale Warnung wurde von Maria-Mitgliedern sogar per Video aufgezeichnet und liegt den Behörden vor. „Wurden sie auch bedroht?“, fragte die Richterin. „Ja!“ „Haben sie Angst?“ „Ja!“
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- Die sechs Angeklagten aus höherer Schlepper-Hierarchie wurden von einem Großgebot bewaffneter Justizbeamter bewacht.
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"Ich weiß nichts über andere!"
Dann widersprach der junge Moldawier seinen eigenen Aussagen. Wusste plötzlich vieles nicht mehr, obwohl er es vor der Polizei gestanden hatte. Bis er schließlich der Richterin erklärte: „Ich werde NUR mehr über MICH reden und nichts über andere sagen! Ich weiß auch nichts über andere!“ „Das glaube ich ihnen nicht“, warf die Richterin ein. „Ich weiß nur, was ich gemacht habe!“
Kriminalist deckte Hierarchie-Position auf
Auch der dritte Täter, ein Ukrainer, hatte auf der Anklagebank Erinnerungslücken. Schwächte seine Position ab. Und wie bei den vorherigen Beschuldigten folgte auch hier die typische Floskel-Parade. Ausreden. Ausflüchte. Widersprüche. Nütze aber nichts. Denn der zuständige Abteilungsinspektor der Kriminalpolizei NÖ, der Federführend in dieser Causa ermittelte, konnte viele Gedächtnisschwächen des Angeklagten füllen. Ihm eine wichtige Rolle in der Schlepper-Hierarchie aus Chat-Protokollen nachweisen.
"Macht sich der über das geringe Urteil lustig?"
Das Gericht sprach nach mehrstündigem Prozess die Urteile: 20, 18 und 30 Monate Haft. Woraufhin der Erst-Beschuldigte, nach einer Bekreuzigung, über die Dolmetscherin ungläubig nachfragte, ob es wirklich nur 20 Monate Haft sind. Lautstarkes Gemurmel im Saal war die Folge. „Der lächelt ja vor sich hin. Macht sich der jetzt über das geringe Urteil lustig?“, fragte eine Prozessbeobachterin. Ob dieser Milde platzte der Staatsanwältin der Kragen, zumal „normale Schlepper-Fahrer“ schon höhere Strafen bekommen haben.
Engagierter Staatsanwältin platzte der Kragen
Barsch sagte sie in Richtung Schöffensenat. „Deshalb gehe ich als Staatsanwältin nicht mit dem Landesgericht konform. Nicht einmal der Angeklagte kann das milde Urteil verstehen!“ Packte ihre Sachen, sagte: „Keine Erklärung“ und verließ den Saal. Somit kann die Staatsanwältin innerhalb von drei Tagen den Richterspruch anfechten. Die Strafen sind daher nicht rechtskräftig.
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