"Migrantenlager" in Ungarn
Ungarn dementiert und spricht von "Sommercamps"
An sich ist das Thema Polit-Aufreger genug, doch – mit Verlaub – man merkt, dass die nächsten Wahlen unmittelbar bevorstehen: Entsteht in Ungarn nahe der österreichischen/burgenländischen Grenze nun ein "Flüchtlingslager"? MeinBezirk fasst den Verlauf der Causa zusammen.
BURGENLAND. Die Aufregung war/ist groß: Nachdem ungarische Medienhäuser darüber berichtet hatten, dass in Vitnyed – nahe der Grenze zu Österreich, Bezirk Oberpullendorf, Höhe Deutschkreutz – "etwas" vor sich geht, das darauf hinweisen könnte, dass die rechtskonservative ungarische Regierung ein Aufnahmelager für illegale Migrantinnen und Migranten errichte, reagierte Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil umgehend: "Das Burgenland wird sich gegen derartige Pläne mit allen rechtlichen und politischen Möglichkeiten zur Wehr setzen. Sollte Ungarn dieses Ziel weiterverfolgen, muss Österreich mit einer rigorosen Überwachung der grünen Grenze antworten."
Innenminister Gerhard Karner antwortete wiederum einen Tag später, am Mittwoch, und ließ verlautbaren: "Bei Bedarf werden die Grenzkontrollen zu Ungarn deutlich verschärft. Das habe ich auch den ungarischen Behörden unmissverständlich mitgeteilt."
Woher die Nachricht kam
Woher kommt die Information beziehungsweise das Gerücht überhaupt? Aufgegriffen hat die Causa nach eigenen Angaben zuerst das Online-Nachrichtenportal hvg.hu. Redakteurinnen und Redakteure sind auf einen Facebook-Post von ehemaligen "Schülerinnen und Schülern" eines "Molkereibetriebs" auf einem einstigen Landgut aufmerksam geworden – diese haben darüber gesprochen, dass an dem Standort Räumungen passieren, Absperrungen gezogen werden. Das betreffende Areal war bis zur Räumung eine Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge.
Die Unsicherheit sei groß gewesen, weshalb sich das Nachrichtenportal an den hiesigen Bürgermeister wandte. Wörtlich laut Übersetzung heißt es, dass die Bewohnerinnen und Bewohner fürchten, "dass die Regierung hier heimlich ein Flüchtlingslager errichtet". Die Folge waren Demonstrationen. Bis dahin gab es vonseiten der ungarischen Regierung noch keine Stellungnahme oder Dementi.
FPÖ-Vorwurf: Fake News (?)
Von Fake News und "politischem Schmutzkübel" der SPÖ sprachen zu diesem Zeitpunkt aber die Freiheitlichen Burgenland. Laut Presseaussendung heißt es: "Es ist wirklich unglaublich, wie tief das System Doskozil und seine den Medien gesunken sind, um patriotische Kräfte zu bekämpfen: Jetzt verbreiten sie sogar schon plumpe Fake-News über ein angebliches Flüchtlingslager in Ungarn!", so FPÖ-Landesparteisekretär Daniel Jägerbauer. Weiters heißt es: "Fakt ist: Das angebliche Lager in Ungarn wurde von ukrainischen Flüchtlingen illegal besetzt und zerstört. Die ungarische Regierung hat anderslautende Gerüchte längst dementiert. Aber was macht Doskozil? Er springt sofort auf den Fake-News-Zug auf, um seine eigene politische Agenda voranzutreiben und die Bürger zu verunsichern."
Auf Nachfrage von MeinBezirk bei der FPÖ-Pressestelle, wie man diese "Fakten" verifizieren kann und wo ein Dementi zum "Lager" vonseiten der ungarischen Regierung nachzulesen ist, folgt der Verweis auf einen Online-Artikel von demokrata.hu – der Online-Plattform der ungarischen Wochenzeitung "Magyar Demokrata", die als "rechts stehende national-konservativ" Zeitung verstanden wird. Konkret auf ein Zitat in diesem Online-Artikel von Árpád Gyopáros (laut Übersetzung): "Premierminister Viktor Orbán hat persönlich bestätigt, dass es in Vitnyéd-Csermajor kein Flüchtlingslager geben wird." Gyopáros ist der für "die Entwicklung moderner Siedlungen zuständige Regierungskommissar" unter Victor Orbán. Weiters heißt es in dem Online-Artikel: "Alpár Gyopáros gab bekannt, dass ukrainische Flüchtlinge sich bisher illegal in dem betroffenen Gebäude aufgehalten, es vollständig besetzt und zerstört hätten. Der Betreiber sei jetzt dabei, das Problem zu beheben, fügte er hinzu."
SPÖ reagiert auf die FPÖ
"Anstatt sich auf die Seite des Burgenlandes zu stellen und an der Aufklärung mitzuwirken, unterstellen sie die Verbreitung von Fake-News, obwohl es bereits in Ungarn massive Proteste gegen dieses Vorhaben und eindeutige Hinweise für die Errichtung eines Flüchtlingslagers gibt", antwortete wiederum SPÖ-Landesgeschäftsführer Roland Fürst den Freiheitlichen. Laut der SPÖ sind in den Jahren 2022 und 2023 nur im Burgenland 109.000 Asylanträge gestellt worden, weshalb das Bundesland Unterstützung benötige. "Die Aussagen der Bundes-FPÖ und der FPÖ Burgenland im Zusammenhang mit dem von der ungarischen Regierung geplanten Flüchtlingslager an der burgenländischen Grenze entlarven die Freiheitlichen: FPÖ-Obmann Petschnig und Norbert Hofer stellen sich in dieser Frage nicht auf die Seite der einheimischen Bevölkerung", so Fürst.
Die Sozialdemokratinnen und -demokraten seien, fügt er hinzu, weder für ein "Flüchtlingslager auf ungarischem Boden, wie die FPÖ Burgenland, wo die Gefahr der staatlich organisierten Schlepperei gegeben ist, noch ein Asylzentrum im Burgenland, wie es bei der ÖVP im Wahlprogramm steht, welches die ÖVP Burgenland mitbeschlossen hat".
Der aktuelle Stand
Laut "Der Standard" hat Ungarn beziehungsweise der ungarische Kanzleiminister Gergely Gulyás laut der amtlichen Nachrichtenagentur MTI ein Flüchtlingslager dementiert. Laut Übersetzung heißt es in dem entsprechenden Online-Artikel:
"Gergely Gulyás erklärte, dass entgegen den Behauptungen in der österreichischen Innenpolitik die Position der ungarischen Regierung klar sei: Ungarn habe Europa vor Migration geschützt und werde Europa, einschließlich Österreich, auch weiterhin vor Einwanderern schützen."
MTI, 26. September
Weiters heißt es, dass hier, wo die Einheimischen in Vitnyéd die Errichtung von Zäunen und Co. gesehen haben, ein "Sommercamp" für Schülerinnen und Schüler möglich ist. Weiters heißt es – wohl mit einem Seitenhieb der ungarischen Beziehung zu Brüssel: "Ungarn will seine Außengrenzen schützen, und für den Fall, dass Brüssel uns zur Aufnahme von Migranten zwingt, muss ein Flüchtlingslager nicht an der österreichischen Grenze, sondern auf dem Gran-Place, dem Hauptplatz von Brüssel, errichtet werden. Wenn Brüssel Migranten brauche, werde Ungarn ihnen die Möglichkeit geben, aus freien Stücken freiwillig nach Brüssel zu reisen, sagte Gergely Gulyás."
Zur Vorgeschichte:
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