Frauen im Fokus
Gender Health Gap: Medizinische Benachteiligung

Frauen erfahren nach wie vor eine hohe Benachteiligung, wenn es um die medizinische Versorgung geht. Hier erfahrt ihr, was sich inzwischen getan hat und was es noch alles zu tun gibt. | Foto: unsplash/Alexander Grey (Symbolbild)
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  • Frauen erfahren nach wie vor eine hohe Benachteiligung, wenn es um die medizinische Versorgung geht. Hier erfahrt ihr, was sich inzwischen getan hat und was es noch alles zu tun gibt.
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Nicht nur im Alltag und im Arbeitsleben müssen Frauen mit Benachteiligungen leben. Wenn es um ihre Gesundheit geht, haben Frauen einen großen Nachteil: die Medizin ist männlich. Genauer gesagt: Therapien wurden zum großen Teil für Männer konzipiert.

Medikamente wurden für Männer und Frauen fast immer gleich verschrieben. Doch seit einiger Zeit weiß man: je nach Geschlecht braucht es eine andere Dosis. Leider kommt dieses Umdenken für viele Frauen zu spät, denn die unpassenden Dosen hatten fatale Folgen.

Paradebeispiel: Herzinfarkt

Wenn man auf der Straße Leute nach den typischen Zeichen für einen Herzinfarkt fragen würde, würde man die Antwort: Stechen in der Brust, das in den linken Arm strahlt, erhalten. Das stimmt auch, doch diese Symptome gelten oft nur für Männer. Frauen spüren eher Übelkeit, Erbrechen, Rücken- oder Nackenschmerzen, dazu Schlaflosigkeit, Atemlosigkeit und ein Engegefühl in der Brust. Vielseitige Symptome, die dazu oft fehlinterpretiert werden. 
In vielen medizinischen Bereichen gibt es weniger Daten zu Frauen als zu Männern. Diese Datenlücke wird als „Gender-Data-Gap“ bezeichnet.

Hättet ihr die Symptome für einen Herzinfarkt bei einer Frau gewusst? | Foto: unsplash/Ali Hajiluyi (Symbolbild)

Neben dem Herzinfarkt gab es in den 70ern auch Probleme für Frauen, wenn sie einen Kniegelenkersatz gebraucht haben. Frauen erhielten das Einheitsgelenk, das auf Männerknie zugeschnitten war. Logischerweise gab es anschließend massive Probleme, für die betroffenen Patientinnen. Erst 20 Jahre später wurden etwas kleinere Endoprothesen konstruiert, die nun auch Frauen eine bessere Versorgung ermöglichen.

In der Präventionsmedizin können wir aber auch ein negatives Beispiel finden: die Mammografie, schmerzhaft und extrem unangenehm. Diese Untersuchungsmethode wäre laut Ansicht einiger ExpertInnen schon längst weiterentwickelt worden, hin zu einer weniger schmerzhaften Methode, wenn Männer ähnliches über sich ergehen lassen müssten.

Warum wirken Medikamente unterschiedlich?

Medikamente können bei Männern und Frauen unterschiedlich wirken. Das hat mit den Geschlechtschromosomen zu tun. Sie haben maßgeblichen Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System, den Stoffwechsel und die Verdauung, sowie auf die Körperzusammensetzung und das Immunsystem.

Tabletten wirken bei Frauen anders, wie bei Männern. Das hängt vor allem mit dem unterschiedlichen Stoffwechsel zusammen. | Foto: Pixabay/qimono (Symbolbild)
  • Tabletten wirken bei Frauen anders, wie bei Männern. Das hängt vor allem mit dem unterschiedlichen Stoffwechsel zusammen.
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Nehmen wir zum Beispiel den Stoffwechsel. Er beeinflusst, wie lange der Körper für die Verarbeitung einer gewissen Menge an Wirkstoff braucht. Das Antidepressivum Fluvoxamin beispielsweise führt bei derselben Dosis bei Frauen zu einem 70 bis 100 Prozent höheren Blutspiegel. Die Gefahr einer Überdosierung ist hoch.

Medikamente müssen auch an Frauen getestet werden

Bis in die 90er Jahre war es Standard, dass was man in Studien herausfand, später im praktischen medizinischen Alltag Anwendung fand. Das Problem dabei: Die Studien wurden mehrheitlich an Männern vorgenommen. Das Resultat: Frauen bekamen dieselbe Dosis wie Männer bei Therapien. Dies führte in den schlimmsten Fällen zum Tod.

Das Geschlechterverhältnis bei klinischen Studien stimmt bis heute nicht.  | Foto: unsplash/Avinash Kumar (Symbolbild)

Erst 1994 wendete sich das Blatt. Eine US-Richtlinie verlangt, dass Medikamente in klinischen Studien auch an Probandinnen getestet werden müssen. Allerdings stimmt das Geschlechterverhältnis bis heute leider nicht. In früheren klinischen Studien wurde der Anteil der Probandinnen auf 10 bis 40 Prozent beziffert, später stieg dies auf 30 bis 80 Prozent. Bei Studien zu Herz-Kreislauf-Medikamenten machen Frauen aber teilweise nur ein Drittel der Teilnehmenden aus.

Mittlerweile haben die behördlichen Vorgaben (die sich auch in Europa durchgesetzt haben) ihr Wirkung entfaltet. Doch am Ende scheitert es oft noch in der Praxis. So ist es einfach komplizierter, Frauen in Studien einzubinden. Das liegt zum Beispiel am Unterschied vor und nach den Wechseljahren, dem Unterschied durch Zyklus und Verhütungsmittel und an möglichen Schwangerschaften.

"Gender-Data-Gap" ≠ Frauenquote

Den "Gender-Data-Gap", also den fehlenden Frauenanteil in klinischen Studien, darf man allerdings nicht mit der Frauenquote vergleichen. Vielmehr sollte man sich an dem Verhältnis orientieren, wie die Geschlechterverteiliung der Krankheit aussieht. Am Ende ist entscheidend, wie häufig die Geschlechter unter der spezifischen Krankheit leiden – egal ob Frauen oder Männer 10, 20 oder 70 Prozent ausmachen.
Frauen leiden zum Beispiel überproportional häufig an Kniegelenksarthrose, an Autoimmunerkrankungen oder Schilddrüsenproblemen. Aber auch sie werden von Herz-Kreislauf-Problemen nicht verschont und gerade nach den Wechseljahren steigt das Risiko stark an. Eine ausgewogene Verteilung macht für viele Krankheiten auch gar keinen Sinn, etwa Brust- oder Prostatakrebs.

Langsam reagiert die Politik auch: eine neue EU-Richtlinie schreibt vor, die Geschlechterverteilung in klinischen Studien danach zu beurteilen, inwiefern sie die tatsächlich zu behandelnden Subgruppen in der Bevölkerung abbildet. 

Nach all den frustrierenden Beispielen, gibt es allerdings auch gute Nachrichten für Frauen. Ihre Lebenserwartung ist trotz der medizinischen Nachteile noch höher als jene von Männern (2023: Frauen 83,73 Jahre, Männer 78,99 Jahre). Dies ist zwar auch genetisch bedingt, doch der Gender Health Gap nimmt Frauen zweifelsohne die Möglichkeit ein längeres Leben zu führen.

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