Mittelalter im Gschnitztal
„Alte Fäden" im neuen Kleid
Eva Maria Mair hat in den letzten 15 Jahren eine mittelalterliche Stickkunst erlernt und wurde zur Meisterin.
TRINS. Die Manufaktur von Eva-Maria Mair liegt in Trins im Gschnitztal und eröffnet einen Blick auf eine längst vergangene Welt. Die 38-Jährige hat einer alten Kunst neues Leben eingehaucht, und zwar mit einer Fertigkeit, die als längst ausgestorben galt. Fasziniert von der Geschichte des Mittelalters entdeckte Eva-Maria Mair ihre Leidenschaft und ist heute eine Meisterin der mittelalterlichen Stickereikunst.
Die Geschichte lebt
Im Jahr 2014 hat sich die geschichtsbegeisterte Tirolerin dazu entschlossen, zusammen mit zwei weiteren Frauen eine ‚Living-History-Gruppe' zu gründen. Das Gemeinschaftsprojekt nennt sich „Vrouwen Mære" und hat zum Ziel, die Geschichte des Landes im 14. Jahrhundert anschaubar und erlebbar zu machen und den Alltag von verschiedenen Berufen darzustellen. Dabei halten sich die Frauen an neueste wissenschaftliche Erkenntnisse.
In Originalkleidung stellen die drei Frauen die typischen mittelalterlichen Berufe dar: Hebamme, Köchin und Stickerei. Bei der Rollenverteilung war für Eva-Maria schnell klar, dass sie die Rolle der Stickerin übernehmen wird. Sie begann sich intensiv mit der alten Kunst zu beschäftigen, auch die lange Lehrzeit hat sie von ihrem Vorhaben nicht abgebracht.
„Schon im 13. Jahrhundert gab es Zünfte der Sticker in Paris, in die auch Frauen aufgenommen wurden. Acht Jahre dauerte die Ausbildung in Frankreich, während damals normale Gewerbe zwischen zwei und drei Jahren Lehrzeit vorsahen."
Die lange Lehrzeit hat sich damals ausgezahlt, denn Stickerinnen hatten das gleiche Ansehen wie zum Beispiel Goldschmiede und die Frauen konnten sogar die Meisterwürde erreichen, die in den meisten mittelalterlichen Berufen den Männern vorbehalten war.
Selbst ist die Frau
Für das Erlernen der mittelalterlichen Fertigkeit investierte Eva-Maria Mair 15 Jahre und hat sich das nahezu ausgestorbene Handwerk selbst beigebracht. Dabei bediente sie sich an Publikationen über historische Stickereien, die mit grafischen Abbildungen die Vorgehensweise erklären. Auch Youtube Videos waren ihr behilflich, um die Stichtechniken aus der Vergangenheit zu erlernen.
Um schnell zu sein, arbeiteten die mittelalterlichen Stickereikünstlerinnen mit beiden Händen. Das Werkstück wurde auf einem Stickrahmen aufgespannt, mit einer Hand wurde die Nadel eingestochen, mit der anderen durch den Stoff gezogen und von unten wieder auf die Vorderseite zurückgeführt. –Dadurch konnten die Stickerinnen im Mittelalter ihre Werkstücke mit einer beachtlichen Schnelligkeit bearbeiten. In Anbetracht der damaligen Aufträge war das auch notwendig.
Warum nicht alles glänzt, was Gold ist
Bei den luxuriösen mittelalterlichen Stickereien wurde teilweise auch mit Goldfäden gearbeitet. Dafür wurden die Fäden mit Blattgold umwickelt, dafür verwendeten die Stickerinnen eine Spindel. Wie ihre Vorgängerinnen stickt auch Eva-Maria Mair mit Goldfäden, nutzt für ihre Arbeit aber lieber die Annehmlichkeiten unserer Zeit und benutzt maschinell gefertigte Goldfäden.
Alte Fäden in modernem Kleid
Abseits von Repliken historischer Stickereien verwendet Eva-Maria Mair die überlieferten Sticktechniken auch für moderne Anwendungsbereiche. Sie hat eine eigene Schmuckkollektion entworfen und fertigt in ihrer Manufaktur „Alte Fäden“ handgestickten Dirndl- und Trachtenschmuck, teilweise auch mit mittelalterlichen Mustern. Und wer einen liebevoll verzierten Trachtenbeutel zum Kassettl oder dem Brautdirndl sucht, wird bei der Trinserin sicher fündig.
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