EU-Parlament
VP-Delegationsleiter fordert mehr Wirtschaftskompetenz ein
Im Sommer zog der Hartberger Reinhold Lopatka als Spitzenkandidat der ÖVP ins Europäische Parlament ein. Nach fast einem halben Jahr im Amt haben wir das politische Urgestein zum Interview gebeten.
Reinhold Lopatka hat über viele Jahre die Geschicke der ÖVP in der Steiermark und in Österreich mitgestaltet. Heuer lieferte der 65-Jährige – allen Unkenrufen zum Trotz – einen starken EU-Wahlkampf ab und sitzt jetzt im Europäischen Parlament. Der Neo-Brüsseler im Gespräch über seine neue Aufgabe.
MeinBezirk: Sie sind mittlerweile rund fünf Monate als EU-Parlamentarier im Einsatz. Wie fällt eine erste Bilanz aus?
Reinhold Lopatka: Die parlamentarische Arbeit ist hier intensiv und anders als im Nationalrat oder Landtag– weil es keine Regierungs- und Oppositionsparteien gibt. Die Mehrheitsfindung erfolgt mit unterschiedlichen Parteien. Als größte Fraktion suchen wir Mehrheiten für unsere Anliegen.
Wie hat sich Ihr politisches und wie Ihr Privatleben durch die neue Funktion verändert?
Ich verbringe jeden Monat zwei Wochen in Brüssel und eine in Straßburg und bin daher wenig in der Steiermark, was auf das politische und das Privatleben natürlich einen großen Einfluss hat.
Ist die Arbeit so, wie Sie es sich vorgestellt haben? Was hat Sie dennoch überrascht?
Überrascht hat mich die Fülle an Aufgaben. Ich wurde zum Delegationsleiter des Europaparlaments für die Golfstaaten, zu denen Saudi-Arabien, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate oder Kuwait zählen, gewählt und arbeite auch in drei Ausschüssen. Dazu bin ich Berichterstatter für die Europäische Volkspartei (EVP) für Montenegro, das bald ein EU-Mitglied sein könnte. Die meisten Aufgaben bringt aber die Delegationsleitung der ÖVP in der größten Fraktion im Parlament, der EVP, mit 189 der 720 Mitglieder. Ich habe unsere Arbeit hier im Parlament mit unserer Fraktion und mit der Bundesregierung zu koordinieren.
Große Player wie Deutschland und Frankreich sind im Hinblick auf ihre Regierungen gerade sehr instabil. Wie wirkt sich das auf die EU aus?
Das hat sehr negative Auswirkungen – wie auch die Alleingänge des ungarischen Regierungschefs Viktor Orbán. Die politische Instabilität in wichtigen Mitgliedstaaten führt kurzfristig zu Unsicherheiten. Für die EU ist es höchste Zeit, zum Handeln zu kommen. Wieder Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen oder die Bekämpfung der illegalen Migration müssen hier an der Spitze stehen.
Die wirtschaftliche Lage in Europa generell, aber auch in Österreich (KTM, Kika/Leiner) verschlechtert sich gerade dramatisch. Wie schätzt man die Entwicklung in Brüssel ein?
Einerseits haben diese Pleiten branchenspezifische Ursachen. Aber über allem schwebt die schwache Konjunktur und die schlechte Stimmung bei Konsumentinnen und Konsumenten.
In Brüssel ist man sich bewusst, dass es dringend Maßnahmen benötigt. Wir brauchen mehr Europa beim Binnenmarkt, ob es um die Kapitalmarktunion oder den Energiebereich geht. Deswegen widmen sich auch 11 der 27 neuen EU-Kommissare, die am 1. Dezember 2024 ihre Arbeit aufgenommen haben, vorrangig wirtschaftlichen Themen.
Welche Möglichkeiten hat die EU, hier gegenzusteuern?
Die neue EU-Kommission steht hier vor der zentralen Aufgabe, Europas Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Bürokratie spürbar zu reduzieren. Wir müssen den Binnenmarkt der 450 Millionen EU-Bürgerinnen und Bürger gerade in den Bereichen ausbauen, wo wir Defizite haben wie bei der Energie oder im Kapitalmarktbereich. Das stärkt uns und nicht zusätzliche Regulierungen.
Das Thema illegale Migration wird zum (negativen) Dauerbrenner – sehen Sie hier Lösungsansätze?
Ja, durchaus. Der neue österreichische EU-Kommissar Magnus Brunner muss den robusten Außengrenzschutz schaffen, wie auch neue Rückführungsabkommen.
Was plant die EU in diesem Bereich, was wäre aus Ihrer Sicht wichtig?
Mit dem Abschluss des Asyl- und Migrationspakts ist dieses Jahr nach intensiven Verhandlungen ein Schritt in die richtige Richtung gelungen. Im Fokus stehen dabei: Robuster Außengrenzschutz, schnelle Verfahren und Rückführungen, verbesserte Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Wichtig ist es, jetzt den Asyl- und Migrationspakt mit seinen strengen Regulierungen rasch umzusetzen.
Zurück in die Steiermark – was tun Sie, um unser Bundesland bestmöglich in Europa zu vertreten?
Ich bin mit der Landesregierung und steirischen Abgeordneten im engen Austausch. So habe ich mich letzte Woche auch mit steirischen FPÖ-Abgeordneten getroffen, die jetzt als Vertreter einer Landesregierungspartei eine besondere Verantwortung haben.
Mein Ziel ist es, als Bindeglied zwischen unserer Region und Brüssel zu agieren. Es ist mir daher besonders wichtig, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger, aber auch der Unternehmer und Landwirte aus der Steiermark zu hören und diese in den Entscheidungsprozess auf EU-Ebene einzubringen. Daher werde ich regelmäßig Europastammtische in der Steiermark abhalten.
Welche Chancen sehen Sie für die Steiermark in dieser Periode?
Die EU bietet viele Chancen. Das fängt bei Jugendprojekten an, wo schon 300.000 junge Österreicherinnen und Österreicher an Erasmus-Programmen teilgenommen haben und geht über Universitäts- und Forschungsprogramme bis zu vielen Regionalprojekten und der 600-Millionen-Förderung der EU für die Koralmbahn.
Welche Schritte müsste die Steiermark setzen, um in der EU erfolgreich zu sein?
Die Landesregierung muss hier im engen Kontakt mit der EU-Kommission sein, um steirische Interessen durchzusetzen. EU-Abgeordnete können hier unterstützen.
Besonders wichtig sind auch starke regionale Netzwerke: Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden, Unternehmen, Universitäten und der Landespolitik ist notwendig, um Projekte erfolgreich auf die europäische Bühne zu bringen. Ebenso ist es entscheidend, die Chancen, die die EU bietet, auch bekannt zu machen.
Was sind diesbezüglich Ihre Erwartungen an die neue blau-schwarze Regierung in der Steiermark?
Ich hoffe, dass auch der FPÖ-Landeshauptmann die Zukunft Österreichs und somit der Steiermark in der EU sieht und sich hier engagiert. Es geht hier sowohl um eine gute Nachbarschaftspolitik als auch um Exportchancen für die steirische Wirtschaft und somit um die Sicherung unserer Arbeitsplätze.
Zur Person: Reinhold Lopatka ist aktuell unter anderem in Brüssel als
- Vorsitzender der österreichischen ÖVP-Delegation
- Vorsitzender der Delegation für die Beziehungen zur Arabischen Halbinsel (DARP)
- 1. Stv. Vorsitzender des Politischen Ausschusses von EUROLAT
- Mitglied der Konferenz der Delegationsvorsitzenden (CPDE)
- Mitglied des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (AFET)
- Mitglied des Ausschusses für Entwicklung (DEVE)
Das könnte dich auch interessieren:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.