Faszination True Crime
Warum uns grausame Verbrechen so fesseln
Durchschnittlich konsumieren Frauen in Österreich sieben Stunden True Crime in der Woche, Männer im Schnitt vier Stunden, doch was steckt hinter dieser Faszination für das Unfassbare? Diese Frage stellt sich auch die Psychologin Corinna Perchtold-Stefan in ihrem Forschungsprojekt am Institut für Psychologie der Universität Graz.
STEIERMARK. Netflix-Dokus und Serien wie „Monster“, welche sich mit dem Serienmörder Jeffrey Dahmer beschäftigt, oder „American Murder“ sind bereits seit Längerem in aller Munde und erleben eine große Faszination. True-Crime-Podcasts werden im Alltag, beim Erledigen des Haushalts oder sogar zum Schlafengehen gehört, doch was macht die Beliebtheit dieses Genres aus? Dies erforscht Psychologin Corinna Perchtold-Stefan am Institut für Psychologie der Universität Graz und gibt einen Einblick in die Köpfe von True-Crime-Fans.
Das Projekt „Horror als kreative Emotionsregulation“ ist dabei die erste großangelegte empirische Studie zu True-Crime-Konsum. Sie wurde aus dem Programm „Unkonventionelle Forschung“ des Landes Steiermark gefördert.
True Crime: Unsicherheit aufzulösen
Eines klärt Psychologin Corinna Perchtold-Stefan gleich vorweg: Es gibt durchaus einen Unterschied im Konsumverhalten zwischen den Geschlechtern, wenn es um True Crime geht. So konsumieren Frauen im Schnitt drei Stunden mehr an True Crime Inhalten als Männer. Deren Motive sind dabei verschieden.
„75 Prozent der Befragten führten an, die Psychologie hinter den schrecklichen Taten verstehen zu wollen. 30 Prozent nannten allgemeine Neugier als einen Beweggrund, knapp 28 Prozent ein grundlegendes Interesse am Justizsystem, an Polizeiarbeit und kriminalistischen Ermittlungen.“
Corinna Perchtold-Stefan, Psychologin
Rund 600 Personen nahmen an der Online-Umfrage der Psychologin rund um die Beschäftigung mit echten Kriminalfällen teil. Der Konsum solcher Inhalte steht im Kontext des Bedürfnisses, Unsicherheit aufzulösen. Fans des Genrens setzen sich mit wahren Verbrechen auseinander, als Versuch, das Unfassbare greifbar zu machen und die Hintergründe der Gewalttaten zu verstehen.
Im MR-Scanner blickten die Psychologinnen und Psychologen unter der Projektleiterin Perchtold-Stefan zusätzlich in das Gehirn von 130 True-Crime-Fans. „Wir sahen, dass sie besonders viele Verbindungen in jenen Regionen aufweisen, die mit dem Bedürfnis, Neues zu erfahren, zu lernen, zu verstehen assoziiert sind. Das Gleiche gilt für Gehirnregionen, die mit Gerechtigkeitssinn und moralischen Überlegungen, Empathie sowie kreativer Emotionsregulation in Zusammenhang stehen.“
"Spielerische Auseinandersetzung" mit Verbrechen
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen, welche sich mit diesen Inhalten beschäftigen, eine höhere Fähigkeit aufweisen, mit Angst und Stress im Alltag umzugehen. Das deute, laut Expertinnen und Experten, auf eine Art "spielerische Auseinandersetzung" mit Verbrechen hin. Dies müsse jedoch noch in weiteren Untersuchungen genauer analysiert werden. Ziel ist es, den True-Crime-Konsum über Jahre hinweg zu beobachten und in diesem Zusammenhang das Erleben und Verhalten, das Sicherheitsempfinden, Aggressivität und den Umgang mit Emotionen der Konsumentinnen und Konsumenten besser zu verstehen.
Macht die intensive Beschäftigung mit True Crime paranoider, gestresster, aggressiver? Oder kann sie manchen Menschen helfen, Angst und Stress besser zu bewältigen? Diese Fragen sollen in einer langjährigen Forschung untersucht und geklärt werden.
Das könnte dich auch interessieren:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.