Ein Tabu wird gebrochen

Liebe, Sex und Zärtlichkeit im Alter

Liebe, Sex und Zärtlichkeit sind keine Frage des Alters – und doch werden sie oft so behandelt. Während Jugend und Attraktivität in der Gesellschaft gefeiert werden, bleibt die Sexualität älterer Menschen ein Tabuthema.

ST. PÖLTEN/ ST. PÖLTEN-LAND. Doch genau das will das Theaterstück "Dirty Old Women" ändern. Mit Humor, Offenheit und viel Mut bringt es die oft verdrängte Realität auf die Bühne und sorgt für Furore.

"Es ist uns besonders wichtig, weil alte Menschen und insbesondere alte Frauen im Theater so unterrepräsentiert sind. Wir sind ziemlich überwältigt von der Resonanz der Frauen – darunter auch junger Frauen – in unserem Publikum. Viele, die danach zu uns kamen, sagten, dass das Stück ihnen mehr Mut und Selbstvertrauen gegeben habe. Eine 65-jährige Frau sagte: „Es ist so schön, jemanden wie mich auf der Bühne zu sehen!“", berichten Jenny Simanowitz und Kathy Tanner im Interview mit MeinBezirk.

Die Entstehung des Stücks

Die Idee zu "Dirty Old Women" entstand aus persönlichen Erfahrungen. Jenny Simanowitz erzählt: "Mein Partner ist 2021 gestorben. Etwa ein halbes Jahr später schlug mir eine Freundin vor, mich auf einer Dating-Seite anzumelden. Zunächst habe ich abgelehnt, weil ich dachte: 'Welcher Mann würde eine Frau in meinem Alter (72) haben wollen?'

Schließlich betrachtete ich es als Forschungsprojekt und überzeugte meine Schauspielkollegin Kathy, mitzumachen. Wir hatten viele vergnügliche Begegnungen und tauschten unsere Erfahrungen aus. Weil wir beide älter waren und nichts zu verlieren hatten, gingen wir sehr offen an das Thema heran. Letztendlich habe ich dann das Stück geschrieben."

Sexualität im Alter: Ein Tabuthema?

Die Thematik von "Dirty Old Women" trifft einen wunden Punkt. "Theoretisch ist Sexualität im Alter erlaubt und wird sogar gefördert, da sie der Gesundheit zugutekommt. Praktisch leiden aber viele alte Menschen, insbesondere Frauen, unter dem Gefühl, dass es vorbei ist. Sie fühlen sich nicht mehr attraktiv", erklärt Simanowitz.

Viele Frauen, die das Stück gesehen haben, erzählten dem Ensemble von jahrzehntelanger sexueller Unzufriedenheit. "Oft hatten sie seit 10 oder 20 Jahren keinen Sex mehr – selbst wenn sie mit einem Mann zusammenlebten", berichtet sie. Das Stück gibt vielen das Gefühl: "Endlich spricht es mal jemand aus!"

Generationsübergreifendes Interesse

Obwohl das Thema vor allem ältere Frauen betrifft, zeigt sich eine unerwartete Resonanz bei jüngeren Menschen. "Vielleicht suchen sie Vorbilder oder schätzen unsere Erfahrungen", spekuliert Simanowitz. Ihr Sohn etwa war zunächst skeptisch, besuchte dann aber mit Freunden die Aufführung und war so begeistert, dass er weitere Bekannte mitbrachte.

Humor als zentrales Element

Der Humor spielt eine entscheidende Rolle in "Dirty Old Women". "Allerdings nicht in einer Weise, die alte Menschen herabwürdigt, sondern als Mittel, um heikle Themen auf lockere Weise zu präsentieren", betont Simanowitz. Besonders beliebt sei die Tantra-Szene, in der die Protagonistin ein Seminar besucht, während ihre Freundin skeptisch und missmutig reagiert.

Ein starkes Statement

Die Botschaft von "Dirty Old Women" ist klar: "Sex kann in jedem Alter lustvoll und vergnüglich sein. Es ist nie zu spät, um neue Erfahrungen zu machen und seine Bedürfnisse zu erkunden. Auch ohne Partner kann man Spaß am Flirten, Dating und vielleicht auch am Sex haben. Wir können sexuelle Wesen bis zum Grab bleiben – und es genießen!"

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