Körperliche Gewalt / Psychotherapie
Hilfe für Opfer und Täter*innen
Gewalt in Partnerschaften ist weit verbreitet
Häusliche und körperliche Gewalt sind kein Kavaliersdelikt, sondern werden bei Anzeige hart bestraft. Die Opfer erhalten vom Bundessozialamt die Finanzierung einer kostenlosen Psychotherapie.
Die Täter*innen haben meist wenig bis gar keine Einsicht in ihre Störung bzw. Pathologie. Sie machen in der Regel das Opfer verantwortlich: "Bitte helfen Sie meiner Frau. Sie manipuliert mich, provoziert und ärgert mich so lange, bis ich sie schlagen muss". Diese Täter-Opfer-Umkehr ist mehr die Regel als die Ausnahme.
Doku: "Familiärer Missbrauch & Häusliche Gewalt – Tabuthema Gewalt gegen Männer"
Die Opfer von körperlicher und sexualisierter Gewalt sind mehrheitlich Frauen. Allerdings werden auch Männer von Frauen (oder Männern) innerhalb der Partnerschaft geschlagen, verprügelt oder misshandelt. Das ist ein Tabu.
Was ist häusliche Gewalt?
Der häuslichen Gewalt geht es darum, Macht und Kontrolle über den/die andere*n auszuüben. Typisch ist dabei, dass die Gewalt nicht einmalig auftritt, sondern immer wieder stattfindet und chronisch verläuft. Der/die Täter*in zeigt danach Reue oder Schuldgefühle oder täuscht diese vor, um nicht vom Opfer verlassen zu werden. Er/sie verspricht immer wieder, sich zu ändern, doch nichts geschieht.
Häusliche Gewalt findet in allen gesellschaftlichen Schichten und sozialen Milieus statt und ist unabhängig von Reichtum, Armut, Bildung oder Einkommen. Auch Menschen, die bereits getrennt oder geschieden sind, sind von häuslicher Gewalt betroffen oder üben diese aus.
Folgende Formen fallen unter häusliche Gewalt:
- Emotionale und psychische Gewalt: Hierzu gehören Beleidigungen, Abwertungen, Drohungen, Rückzug in tagelanges Schweigen, emotionale Erpressung, Manipulationen, Isolation...
- Finanzielle und ökonomische Gewalt: Wenn mein*e Partner*in mich finanziell erpresst, mein Konto sperrt, von meinem Konto stiehlt, ganz allein über das Haushaltseinkommen verfügt
- Sexualisierte und sexuelle Gewalt: Sexuelle Anspielungen, mit denen mich mein*e Partner*in bedrängt, unerwünschte und aufgedrängte Berührungen, sexuelle Nötigung bis hin zu schweren Vergewaltigungen
- Körperliche Gewalt: Hier finden sich Einsperren, Niederdrücken, Schlagen, Treten, Festhalten, nichts zu essen oder zu trinken Geben, Fixieren, Würgen…
Körperliche Gewalt - Gewaltberatung und Gewaltschutz
Manche Täter*innen manipulieren ihre Partner*innen nach der häuslichen Gewalt auch mit Blumensträußen oder Bonbons. Sie kriechen zu Kreuze. Im besseren Fall haben sie gesunde und angemessene Schuldgefühle. Hier lässt sich dann psychotherapeutisch gut arbeiten. Im pathologischen Fall spielen und täuschen sie Schuldgefühle oder Reue nur vor oder machen Aussagen wie "Ich weiß eh, dass es nicht okay ist, meinen Partner zu schlagen. So was tut man nicht".
Immer wieder erlebe ich es, dass auch Frauen ihre männlichen (oder weiblichen) Partner schlagen, zu Boden drücken, festhalten, in der Wohnung einsperren etc. Dies ist ein gesellschaftliches Tabu. Die männlichen Opfer suchen sich hierbei kaum Hilfe und erstatten nur selten Anzeige, sodass der Eindruck entsteht, dass Männer keine Opfer von körperlicher (oder sexueller) Gewalt seien.
Täter*innen übernehmen oft keine Verantwortung
Täter*innen würden dringend der psychologischen Hilfe und Psychotherapie bedürfen. Sie schlagen in der Regel aus Hilflosigkeit zu, weil sie nicht besser auf selber Augenhöhe kommunizieren können. Dies rechtfertigt Gewalt in keiner Weise, ist aber eine wichtige Erkenntnis der Gewaltprävention. Die Ohnmacht und Hilflosigkeit werden durch das Zuschlagen abgewehrt. Ich muss sie dann nicht mehr fühlen.
Film: "Gewalt gegen Frauen: Verliebt, verlobt, verprügelt"
Der erste Schritt aus der Gewalt ist es, zu erkennen, dass ich selbst ein Problem habe und Verantwortung dafür übernehme, wenn ich zuschlage oder körperlich gewalttätig werde. Gesunde Menschen spüren das, pathologische (dissoziale, narzisstische) Persönlichkeiten haben diesbezüglich oft kein Unrechtsbewusstsein und rechtfertigen die Gewalt durch das Verhalten des Partners/der Partnerin.
Viele Täter*innen haben nie gelernt, Konflikte erwachsen zu lösen und eigene Bedürfnisse und Wünsche zu formulieren. Sie haben wenig inneren Halt und innere Sicherheit. Immer fehlt es ihnen an gesundem Selbstvertrauen.
Die Opfer bringen zwar viel in partnerschaftliche Konflikte ein und haben einen großen Anteil daran, allerdings nur am Konflikt und nicht an der körperlichen Gewalthandlung - es sei denn, sie schlagen auch aus Hilflosigkeit und Ohnmacht zuerst zu, dann sind sie aber ebenfalls Täter*innen.
Film: "Häusliche Gewalt gegen Männer: Ein Betroffener erzählt seine Geschichte"
Auch psychische Gewalt ist strafbar
Das österreichische Recht sieht eine Vielzahl an Bestimmungen vor, die psychische Gewalt unter Strafe stellen.
Strafbar sind auf alle Fälle
- Gefährliche Drohung
- Hassrede im Netz
- Cyber-Mobbing
- Mobbing
- Stalking
- Nötigung und schwere Nötigung
Ist seelische Gewalt genauso schlimm?
Ja. Psychische und emotionale Gewalt können Opfer psychisch genauso schwer traumatisieren und vergiften wie Schläge, Tritte, Stiche, Verletzungen oder schwere sexuelle Gewalt. Zur seelischen Gewalt gehören Gaslighting, Drohungen, Liebesentzug, Einschüchterung, Isolierung, Abwertungen, tagelanges Schweigen, Erpressungen und Zwang.
Gewalt geht stets mit einem zerstörerischen Umgang mit Macht einher, d.h. es lässt sich eine maligne Paardynamik beobachten.
Was ist der Unterschied zwischen Konflikt und Gewalt?
Konflikt und Gewalt sind nicht dasselbe. In Konflikten eskalieren beide Partner*innen, schreien sich an, beschimpfen sich mit üblen Bezeichnungen, werten sich ab. Dies wirkt zwar dramatisch, ist aber relativ alltäglich, normal und gesund, wenn sich beide danach entschuldigen, Verantwortung für ihren Anteil am Konflikt übernehmen und nach konstruktiven oder präventiven Lösungen suchen. Durch Konflikte können wir uns als Individuen und als Paar sogar weiterentwickeln.
Körperliche Gewalt hingegen wird nur von einem ausgeübt, meist dem Mann, nicht so selten aber auch von der Frau.
Selbstverständlich ist es in der Beratung und Psychotherapie wichtig, dass Opfer lernen, sich zu schützen und einzufordern, dass Gewalt niemals eine Lösung sein kann und die Verantwortung für das Zuschlagen allein beim/bei der Täter*in liegt. Diese Erfahrung ist wichtig, weil die Opfer fast immer mit den Täter*innen identifiziert sind und das Zuschlagen durch eigenes Fehlverhalten rechtfertigen. Sie machen die körperliche Gewalt vom eigenen Verhalten abhängig und sind davon überzeugt, dass es in ihrer Hand läge, dass der/die andere zuschlägt oder der/die Täter*in seine Gewalt verändert.
Hierbei handelt es sich um einen Abwehr- und Copingmechanismus, der uns kurzfristig entlastet, langfristig allerdings schädlich ist. Denn lediglich der/die Täter*in kann ihr/sein Verhalten verändern, indem er/sie dafür Verantwortung übernimmt. Es ist nicht die Aufgabe des Opfers, zu fragen, welchen Beitrag es leisten kann, damit die/der Täter*in endlich von der körperlichen Gewalt ablässt.
Werde ich gegenüber meinem/meiner Partner*n psychisch gewaltvoll oder übergriffig, so rechtfertigt dies noch lange nicht, dass er/sie mich schlägt.
Für Konflikte und Krisen innerhalb der Ehe und Partnerschaft sollten immer beide Verantwortung übernehmen und ihren Anteil an Konflikten innerhalb der 50:50 GmbH Partnerschaft suchen. Bei Gewaltbeziehungen, der Androhung von Gewalt, bei Sucht (nach Alkohol und Drogen) eines Partners/einer Partnerin und bei Außenbeziehungen und Fremdgehen trifft diese Grundhaltung jedoch nicht zu. Erzeuge ich durch meine Handlungen Angst, Bedrohung und Einschüchterung, so wird das Opfer in seinem Handlungsspielraum massiv eingeschränkt.
Täterberatung: Wie kann mir als Täter*in eine Psychotherapie helfen?
Jenen Täter*innen, die nach körperlicher Gewalt gesunde Schuldgefühle oder Reue gegenüber ihren Opfern fühlen, kann mittels psychologischer Hilfe und Psychotherapie gut geholfen werden.
Folgende Haltungen können Täter*innen in einer Psychotherapie lernen:
- Selbstreflexion, Selbsterkenntnis und ein guter Zugang zur eigenen Verantwortung für das Zuschlagen
- das Übernehmen von alleiniger Verantwortung für die körperliche und/oder sexuelle Gewalt
- die Fähigkeit, der/dem Partner*in Sicherheit zu vermitteln und ihm/ihr seine/ihre Ängste zu nehmen
- ein guter, offener und gesund-aggressiver Umgang mit Konflikten
- eine neue Einstellung zum Leben, zu eigenen Bedürfnissen, zum Umgang mit Wut und schwierigen Emotionen
- Gefühle gut zu zeigen (ich darf als Mann auch meine Trauer und meinen Schmerz versprachlichen und authentisch zum Ausdruck bringen)
- Verantwortung für das eigene Leben und die Gestaltung des Lebens
Täter*innen sind oft emotional extrem abhängig von ihren Partner*innen, fühlen sich ausgeliefert, hilflos und ohnmächtig. Männliche Täter haben in der Regel eine hegemoniale Männlichkeit und patriarchalische Rollenbilder von Männlichkeit internalisiert.
Sie können in einer Psychotherapie einen guten Umgang mit dieser Abhängigkeit lernen. Opfer hingegen können sich die Haltung aneignen, dass sie unabhängige Individuen sind, dass sie die verinnerlichte Ohnmacht und Gewalt nicht hinnehmen müssen und diese auch nicht zu erwarten haben.
Paartherapie ist bei Gewalt nicht zu empfehlen
Das Paarsetting oder eine Paartherapie sind bei körperlicher Gewalt innerhalb der Partnerschaft eher selten geeignet.
Viele Täter*innen haben nämlich große innere Widerstände und Abwehr, sich psychologische Hilfe zu suchen und diese anzunehmen. Sie fühlen sich massiv gekränkt und beschämt, wenn ihnen dies nahegelegt wird. Sie erleben sich als moralische Verlierer*innen und ihre Opfer als Gewinner*innen. Vor allem bei männlichen Tätern findet sich diese Abwehr besonders intensiv. Hier spielen verinnerlichte Gender- und Rollenklischees stark hinein.
Denn viele Männer haben nie gelernt, über sich, ihre Emotionen und Bedürfnisse offen und ehrlich zu sprechen oder sich etwas sagen zu lassen. Ist dann im Paarsetting auch noch die eigene Frau (oder der eigene Mann) anwesend, so fühlen sie sich stark beschämt und gekränkt und versuchen, ihr Gesicht nicht zu verlieren. Sie gehen dann in die Abwehr oder Offensive und werten nicht selten auch Berater*innen und Psychotherapeut*innen als unprofessionell oder unfähig ab. Konfrontationen eskalieren dann im Paarsetting. Eine Annäherung oder ein Prozess der Bewusstwerdung können auf diese Weise nicht stattfinden. Im schlimmsten Fall muss das Opfer danach die erlittene Schmach ausbaden, wird eingeschüchtert, bedroht und zuhause verprügelt.
Männer schlagen weniger zu, weil sie Macht ausüben wollen, sondern weil sie sich wie kleine hilflose Jungen fühlen, die einer schwierigen Paarsituation ohnmächtig ausgeliefert seien. Das Zuschlagen wird zum malignen Kompensationsmechanismus, um lähmende Gefühle von Hilflosigkeit oder Verlustängste gegenüber dem Opfer abzuwehren.
Die Opfer hingegen erleben die körperliche Gewalt als schweren Machtmissbrauch. Sie fühlen Ohnmacht, existentielle Bedrohung und Todesangst.
Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Salzburg / Hamburg
(Existenzanalyse)
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