Hautgesundheit
Fünf Mythen zu Neurodermitis im Faktencheck

- Juckreiz und gerötete Haut sind Symptome von Neurodermitis.
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Neurodermitis (Fachbegriff: atopische Dermatitis) ist bei weitem keine harmlose und vor allem keine seltene Erkrankung. Die Symptome sind belastend, schmerzhaft und können zu psychischen Folgeerscheinungen wie sozialem Rückzug führen. Problematisch: Nicht immer erhalten Betroffene die passende Therapie.
SALZBURG. Die Haut ist ungewöhnlich trocken, gerötet, juckt quälend und bildet in schweren Fällen sogar nässende, blutige Stellen. Als Systemerkrankung betrifft Neurodermitis den gesamten Körper und nicht allein die Haut. Bis zu fünf Prozent der erwachsenen Österreicher*innen sind davon betroffen. Auch wenn Neurodermitis bei weitem keine seltene Erkrankung ist, wissen Betroffene leider häufig zu wenig darüber. Dermatologin Dr. Katharina Medek klärt daher anlässlich des am 14. September 2022 stattfindenden Welt-Neurodermitis-Tages über fünf Mythen auf, die sich hartnäckig halten.

- Dermatologin Katharina Medek.
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Mythos 1: Neurodermitis ist ein harmloser Ausschlag
Falsch. Denn Neurodermitis ist, wie weiter oben erwähnt, eine Systemerkrankung und betrifft, daher nicht nur die Haut. Dermatologin Dr. Katharina Medek der Praxis „Fiebiger & Eiler Hautärzte“ in Salzburg erklärt: „Bei Neurodermitis, auch als atopisches Ekzem oder atopische Dermatitis bezeichnet, handelt es sich um eine dauerhaft anhaltende, sog. chronische, nicht ansteckende Hauterkrankung. Wichtig zu wissen ist, dass es eine Systemerkrankung ist, sprich: die Symptome sind nicht nur auf die Haut begrenzt, der Großteil spielt sich unter der Oberfläche ab. Ein Zusammenspiel von Überaktivierung von Immunzellen, Hautbarrierefunktionsstörung und Fehlbesiedelung der Hautbakterien führt zur Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen. Die Folge sind unter anderem typische Hautveränderungen wie trockene Hautstellen, gerötete, entzündete, trockene oder nässende Ekzemstellen an Körper und Kopfhaut, welche mit massivem Juckreiz einhergehen. Neben körperlichen Beschwerden sind die damit psychischen Belastungen wie zum Beispiel Schlafmangel oder Konzentrationsprobleme nicht außer Acht zu lassen.“

- Neurodermitis tritt in Schüben auf.
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Die Anzeichen einer Neurodermitis treten oft in Schüben auf. Dauer und Stärke der Schübe können unterschiedlich sein. Bei einer leichten Neurodermitis kommt es vorrangig zu gereizter, trockener Haut, die mit einer schwachen Rötung und Juckreiz einhergehen kann. Von einer mittelschweren Neurodermitis spricht man, wenn vermehrte Ekzeme auftreten, die zeitweilig oder sogar anhaltend stärker ausgeprägt sind. Bei einer schweren Neurodermitis sind Patient*innen zumeist von starken Hautentzündungen an mehreren Körperstellen betroffen, die nässend, schmerzhaft und massiv juckend sind.
Mythos 2: Neurodermitis ist eine Kinderkrankheit
Auch dieser Mythos hält sich leider hartnäckig und verhindert, dass sich Betroffene zeitgerecht Hilfe holen. Zwar leiden Kinder in Österreich mit bis zu 20 Prozent häufiger als Erwachsene an Neurodermitis. Bis zur Pubertät werden viele betroffene Kinder die Erkrankung wieder los, die Neigung dazu bleibt jedoch bestehen. Darüber hinaus gibt es Neurodermitis-Patient*innen, die in der Kindheit keine Symptome hatten und erst im Erwachsenenalter erkranken, sog. late-onset Neurodermitis. Schätzungen zufolge sind zwischen zwei und fünf Prozent aller erwachsenen Österreicher an Neurodermitis erkrankt. Das bedeutet, dass alleine hierzulande mindestens 180.000 Erwachsene mit der Diagnose Neurodermitis leben. In den letzten Jahren ist generell die Prävalenz stark gestiegen.
Mythos 3: Die Ursache liegt in einem schwachen Immunsystem
„Es ist umgekehrt“, so Neurodermitis-Spezialistin Dr. Katharina Medek. „Das Immunsystem reagiert bei einer Neurodermitis aufgrund eines bestimmten Reizes überschüssig, setzt damit die Entzündung im Körper in Gang und löst so den Juck-Kratz-Kreislauf und die Entstehung der Ekzeme aus.“ Wichtig ist die Unterscheidung von Ursachen und sogenannten „Triggern“ – also den Auslösern der Neurodermitis: zu den Ursachen zählen neben dem überschießenden Immunsystem ebenso genetische Faktoren sowie eine durchlässigere Hautbarriere. Die Auslöser von Neurodermitis-Schüben sind vielfältig. Dazu gehören Umwelteinflüsse wie zum Beispiel Kontakt der Haut mit Allergenen, Wolle, Tierhaaren oder chemischen Mitteln. Auch Stress kann die Beschwerden einer Neurodermitis verschlimmern. Eine Vermeidung dieser Einflüsse hilft gegen Schübe, bekämpft die Erkrankung jedoch nicht ursächlich.

- Kortison ist nicht das einzige Medikament gegen Neurodermitis. Der Hautarzt berät zu den Behandlungsmöglichkeiten.
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Mythos 4: Kortison ist die einzige Lösung
Auch wenn Kortison häufig bei der Neurodermitis-Behandlung zum Einsatz kommt, ist es keineswegs die einzige Behandlungsform. Die gute Nachricht: die Forschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Für mittelschwere bis schwere Neurodermitis gibt es moderne Therapien, die den Juckreiz rasch und deutlich lindern und für ein neues Hautgefühl sorgen können. Damit gibt es heute für alle Grade von Neurodermitis eine geeignete Behandlung – von der Basispflege über anti-entzündliche Salben, Lichttherapien bis hin zu modernen systemischen Therapien mit Biologika als Injektion oder Januskinase-Hemmer (sogenannte „kleine Moleküle“) in Tablettenform. „Die modernen Systemtherapien beeinflussen gezielt das Immunsystem und unterbrechen so den Entzündungsprozess. Damit können Patient*innen beschwerdefrei werden. Sie wirken meist rasch auf den quälenden Juckreiz, reduzieren Anzahl und Schwere der Schübe und lassen Haut-Ekzeme abheilen,“ so Dr. Medek.
Mythos 5: Mit Neurodermitis muss man sich abfinden
Nein! Denn die quälenden Symptome sind nicht nur körperlich, sondern auch psychisch sehr belastend. Das Jucken und dessen Folgen wie Schlafstörungen können sehr fordernd sein und beeinträchtigten Alltag und Berufsleben. „Neurodermitis ist mit großen Schamgefühlen verbunden und kann zu sozialem Rückzug führen“, weiß auch Dr. Medek. „Die körperlichen Beschwerden beeinflussen das psychische Wohlbefinden. Auch Folgeerkrankungen wie Angstzustände und Depressionen sind möglich. Dies wiederum beeinflusst die Hautsymptome negativ und schon läuft der Teufelskreis.“ Umso wichtiger ist es, sich laufend über den Therapiefortschritt zu informieren und mit dem Hautarzt über die passende Lösung zu sprechen.
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