75 Jahre Befreiung
KZ-Gedenken im Stillen
Es ist ein ungewöhnliches und in dieser Form ungeplantes Gedenken in Stille zum 75. Jahrestag des Kriegsendes und der Befreiung der Konzentrationslager Mauthausen und Gusen. Und vielleicht gerade deshalb ein besonders eindrucksvoller Moment unserer Geschichte.
Mauthausen-Langenstein-St.Georgen/Gusen. An den ansonsten schon Tage zuvor von Menschen überquellenden Gedenkstätten in St. Georgen, Gusen und Mauthausen herrscht Stille. Das Gedenken findet online statt. Der Bundespräsident steht alleine mit seiner Frau am Appellplatz. Kein Einzug tausender Menschen, keine Fahnen und Transparente, kein einziger der unzähligen Busse aus aller Herren Länder am Parkplatz. Stattdessen ist am Appellplatz ein Kuckuck zu hören, blühen unzählige Margeriten auf den Wiesen zwischen den Denkmälern und Baracken. Ohne den Hintergrund einer bis heute unfassbaren Geschichte menschlicher Abgründe, ohne diese Burg des Todes hoch über Mauthausen, wäre dieser Platz in der wunderschönen Mühlviertler Landschaft mit Blick auf die Donau und die Berge wohl in unseren Tagen ein beliebtes Ausflugsziel geworden.
Freiheit und Menschlichkeit - damals und heute Thema
Die regionalen Initiativen perspektive mauthausen und Bewusstseinsregion Mauthausen-Gusen-St.Georgen haben sich in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Partnern der unmittelbaren Herstellung des Lokalbezugs zu Menschen, Plätzen und Geschichten verschrieben. Auch viele ihrer mit viel Herzblut geplanten Projekte im Jubiläumsjahr der Befreiung mussten ins Internet wandern, wurden dort aber sehr intensiv nachgefragt. Eine Kranzniederlegung am 8. Mai durch die Vereinsspitzen und Bürgermeister beim Sarkophag am Appellplatz bildete einen der wenigen kleinen Festakte direkt im KZ-Gelände Mauthausen. Auch viele der lokalen Akteure hatten einander in den vergangenen Monaten nur per Videochat gesehen. Beim Wiedersehen war die Freude spürbar, auch wenn das vertraute Händeschütteln und Umarmen unterbleiben musste.
"Es ist vielleicht ein intensiveres Erleben, was Freiheit bedeutet, indem wir alle nun selbst, wenn auch in einer weit weniger dramatischen Art und Weise als die hier Inhaftierten, ihren Verlust erlebt haben. Menschlichkeit ohne Grenzen - das diesjährige Motto - gewinnt umso mehr an Aussagekraft, als wir viele Grenzen nun plötzlich spüren. Im Jubiläumsjahr müssen wir einen Neustart unseres Lebens in vielen Bereichen vornehmen und dabei sicherstellen, dass dabei die in den letzten Wochen so positive erlebte Menschlichkeit und Gemeinschaft nicht auf der Strecke bleiben. Missgunst, Neid, gegenseitiges Vernadern und Rassismus, gegeneinander statt miteinander - diese Brüche beginnen sich schon wieder zu zeigen. Vieles davon hat damals zur Katastrophe geführt, derer wir uns an diesem Ort und Datum weltweit erinnern. Corona kann in diesem Sinn Prüfung und Mahnung an stete Wachsamkeit gleichermaßen sein", waren sich die Anwesenden einig.
Video würdigt besondere Menschen online
Ein Video der perspektive mauthausen das an sechs Stationen dem Motto "Menschlichkeit ohne Grenzen" im Damals und Heute aus verschiedenen Blickwinkeln und an unterschiedlichen Orten nachspürt, wurde am Sonntag im Live-Stream des Mauthausenkomitees Österreich und auf der Homepage veröffentlicht. Couragierte Einheimische in der NS-Zeit, Häftling Marcel Callo, das Mauthausener Lichtermeer für Flüchtlinge 2019 bis zum Mauthausenschwur am 16. Mai 1945 - dieser Themenbogen wurde sehr ansprechend aufbereitet. Auf der Homepage der Bewusstseinsregion sind wiederum die spannenden, österreichisch-bayrischen "Binationalen Hörpfade" verlinkt, welche von Menschen der Region Dachau und des Bezirks Perg zur gemeinsamen Geschichte gestaltet wurden und in den vergangenen Tagen auch auf Ö1 zu hören waren.
Grundstückskauf in Gusen: Freude und Befremden
Zufriedenheit, aber teils auch Verärgerung löste der ebenfalls am Freitag bekannt gewordene, nun offenbar fix geplante Ankauf von Arealen in Gusen - etwa Appellplatz oder Steinbrecher - durch die Republik Österreich aus. Das Thema war durch den Vorstoß der Republik Polen im vergangenen Dezember, selbst die betreffenden Bereiche erwerben zu wollen, sehr kontrovers diskutiert worden. Erst vergangene Woche war in einer Aussendung der polnischen Botschaft in Wien erneut nachdrücklich an die heimische Regierung appelliert worden, bald konkrete Fakten zu schaffen. "Einerseits freut uns, endlich eine klare Erklärung am Tisch zu haben, andererseits ärgern wir uns aber auch, so eine wichtige Information aus den Medien erfahren zu müssen. Auch wenn es natürlich gut zum Gedenkwochenende passt - eine Vorabinfo hätten wir uns als Verantwortungsträger in der Region schon gewünscht", ist sich Bgm. Christian Aufreiter aus Langenstein mit seinen Kollegen aus St. Georgen und Mauthausen einig. Haben doch Gemeinde und Bewusstseinsregion in dieser sensiblen Angelegenheit sehr intensiv den Bürgerkontakt gesucht. Mitte Jänner gab es dazu eine gut besuchte Infoveranstaltung ( die BezirksRundschau berichtete). Die Direktorin der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Barbara Glück, lobte am Sonntag die Entscheidung der Bundesregierung "als „Meilenstein für die Gedenkkultur in Österreich und die Aufarbeitung der Geschichte zwischen 1938 und 1945“.
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