Chronische Unterfinanzierung hemmt Arbeit
Kein Bewusstsein für die Bewusstseinsregion?
Die großen Gedenkfeiern sind vorbei, der Tross der Bundes- und Landespolitik ist wieder nach Wien oder Linz zurückgekehrt. Viel wurde über Investitionen in moderne Gedenkkultur, notwendige Bewusstseinsbildung und Lernauftrag für künftige Generationen gesagt. Alles ehrlich und empathisch gemeint: doch wer - wieder oder immer noch - für mustergültige Basisarbeit durch die Finger schaut, ist die Bewusstseinsregion Mauthausen-Gusen-St. Georgen.
ST.GEORGEN, LANGENSTEIN, MAUTHAUSEN. Eigentlich ist es widersinnig: Zum einen wird seitens der Republik etwa ein "Beteiligungsprozess zur Weiterentwicklung der KZ-Gedenkstätten Gusen und St. Georgen" eingeleitet. Viel Geld soll für Planung, Infrastruktur, Experten, Medienarbeit und Projektentwicklung in die Hand genommen werden. Zum anderen lassen die damit befassten Stellen seit Jahren genau jene Profis, die sie dafür brauchen und die maßgeschneiderte Werkzeuge dafür erfolgreich entwickeln und schon einsetzen, an der ausgestreckten Hand finanziell verhungern.
Große Expertise und lokales Netzwerk vorhanden
So stehen die regionalen Gedenkinitiativen ,,Gedenkdienstkomitee Gusen", ,,Fachausschuss Johann Gruber" der Pfarre St. Georgen, ,,Plattform Johann Gruber" und ,,perspektive mauthausen" teils bereits seit Ende der 1980er-Jahre mit stetig wachsender Professionalität für eine lebendige und zeitgemäß aufbereitete Gedenkkultur. Mit Rudolf Haunschmied und Martha Gammer gibt es zwei weltweit bekannte und mehrfach ausgezeichnete lokale Geschichtsexperten. Die 2016 gegründete Bewusstseinsregion Mauthausen-Gusen-St. Georgen bündelt die Aktivitäten und bietet im St. Georgener "Haus der Erinnerung" vielfältige Veranstaltungen, Ausstellungen und Bildungsaktivitäten. Europaweit anerkannt ist das jährliche "Internationale Menschenrechtssymposium". Ein engmaschiges Netzwerk ist entstanden, das auf Augenhöhe kommuniziert und als Bindeglied zur Bevölkerung agiert.
"Minimum an finanzieller Planbarkeit unverzichtbar"
Der Löwenanteil erfolgt ehrenamtlich in tausenden Stunden. Das erspart Land und Republik Personal, Strukturen, Büros und Agenturkosten. Diese engagierte Basisarbeit braucht aber angesichts immer umfangreicherer Aufgaben ein Minimum an Unterstützung in Verwaltung und Administration. Gerade einmal eineinhalb fixe Planstellen sind nötig, um die Bewusstseinsregion organisatorisch am Laufen zu halten. Dazu ein Budget, um elementaren Bürobetrieb, Produktion von Infomaterial und Veranstaltungen seriös planen zu können.
"Wir erhalten ausschließlich finanzielle Projektunterstützung, für die wir jedes Mal individuell neu ansuchen müssen. Ob, wann, und in welchem Ausmaß diese genehmigt wird, ist fallabhängig. So kann man nicht arbeiten! Wer ehrenamtlich vorbildliche Gedenk- und Bildungsarbeit leistet, zu der sich Land und Republik international verpflichtet haben, sollte als Dank nicht zusätzlich demütig betteln gehen müssen. Vor allem, wenn es hier vergleichsweise um überschaubare Beträge geht", appellieren die Vorstände von Bewusstseinsregion und mehrerer Gedenkinitiativen in einer kürzlich veröffentlichten Petition.
Je 40.000 Euro von Land und Bund nötig
Das für eine Initiative dieser Größe ohnehin bescheidene jährliche Budget beträgt 120.000 Euro, je zu einem Drittel von den Gemeinden, Land und Bund zu finanzieren. Dafür haben die Verantwortlichen bereits unzählige Gespräche, Termine und Ansuchen in Linz und Wien absolviert - eine fixe Zusage gibt es bis heute nicht, die Erfahrungen waren mehr als einmal frustrierend. Aktuell stehen gerade wieder Verhandlungen zur Grundfinanzierung an - Ausgang ungewiss.
Zum Vergleich: 2021 hat die Öffentliche Hand nach Angaben der zuständigen Medienbehörde RTR in Österreich 225(!) Millionen Euro alleine nur für Werbung ausgegeben. Ein halbes Promille dieser Summe würde die Bewusstseinsregion aller Finanzsorgen entheben.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.