Internationale Jugendbegegnungstage
400 junge Hoffnungsträger im Haus der Erinnerung
Direkte Zeitzeugen und Überlebende der NS-Zeit gibt es kaum mehr. Doch die Erinnerung soll von nachfolgenden Generationen bewahrt, Verantwortungsbewusstsein und Zivilcourage im heutigen Umfeld in moderner Form aktiv gefördert und interkulturelle Netzwerke geknüpft werden. 400 Jugendliche aus Europa trafen zu diesem Zweck am 5. Mai im Haus der Erinnerung in St. Georgen zusammen.
ST.GEORGEN/GUSEN. Ihre Urgroßeltern waren vor 85 Jahren junge Leute und erlebten die Gräuel der NS-Zeit und des großen Weltkriegs. Auf Opfer-, manchmal auch auf Täterseite, und vielfach als teils hilflose, teils ignorierende und teils herausragend mutige, ganz normale Bürger. Zehntausende Jugendliche aus aller Herren Länder haben die historischen Orte in Mauthausen, Gusen und St. Georgen seither bei den Befreiungsfeiern schon kennengelernt und lange Zeit oft vergeblich versucht zu verstehen, was damals geschah und vor allem warum. Engagierte moderne Wissensvermittlung mit einem stetig wachsenden Angebot macht ihnen das in der Bewusstseinsregion nun sukzessive leichter. Es hilft, sich eine eigene Meinung basierend auf eigenem Hintergrundwissen und eingebunden in europäische Kommunikationsnetzwerke zu bilden.
Historisches Wissen und modernes Netzwerken
"Die Art und Weise, wie man sich quer durch Europa mit der eigenen belasteten Geschichte auseinandersetzt, ist bis heute in fast jedem Land ein hochemotionales Thema. Das haben wir alle auch in Österreich erlebt. Viele von uns wussten bis Ende der 1980er-Jahre praktisch nichts über die Ereignisse vor der eigenen Haustür. Geschweige denn gab es Gelegenheit, sich vertiefend mit Hilfe von gut aufbereiteten Informationen damit auseinanderzusetzen. Das vereinte Europa und auch die Entwicklung der Kommunikationsmedien bieten dafür ungleich mehr Möglichkeiten. Einen Teil davon nutzen wir gezielt in der Bewusstseinsregion und im Haus der Erinnerung", strahlt Geschäftsführerin Andrea Wahl beim Anblick der unzähligen Burschen und Mädchen, die im und um das Haus herumwuseln. Ihr vielsprachiges Lachen und die Freude an der Gemeinschaft stecken an.
"Wenn 400 junge Leute aus einst verfeindeten Ländern heute bei uns auf moderne Weise historisches Wissen erwerben, auf Augenhöhe diskutieren, Freundschaften knüpfen und sich zu gemeinsamen Werten bekennen, dann ist wieder eine neue, starke Zelle gegen Nationalismus und Menschenverachtung geboren", waren sich auch St. Georgens Bürgermeister Andreas Derntl und sein Amtskollege LAbg. Anton Froschauer aus Perg bei der Eröffnung des Jugendbegegnungstages am Freitagabend einig.
Viele Teilnehmer aus der Partnerstadt
Drei Stunden lang, bei Spielen mit bunt gemixten Länderteams, im "Worldcafe" und beim gemeinsamen Abendessen hatten die Jugendlichen Zeit, ihre Sichtweisen und Ideen zu einer verbindenden statt trennenden Gedenkkultur einzubringen. Alleine fast 200 kamen aus St. Georgens italienischer Partnerstadt Empoli in der Toskana, dazu viele junge Polen, Franzosen, Spanier, Deutsche und natürlich Teens aus Österreich. Alle sind stolze Bürger ihrer Länder, fühlen sich aber als Europäer. Aufgewachsen abseits von anerzogenen Vorbehalten und den wechselseitigen Schuldzuweisungen der einstigen Kriegsgenerationen. Aber auch gefährdet durch die neuen Demagogen in populistischen Parteien, Medien und sozialen Netzen. So stand "Zivilcourage" als Waffe dagegen im Fokus des Abends. Deren Stärkung wird wohl eine der wichtigsten Aufgaben, soll diese künftige Generation von Entscheidungsträgern den neuen Hetzern, Hasspostern und Kriegstreibern mit Herz und Hirn Einhalt gebieten. 400 junge Menschen haben dafür in St. Georgen einen kräftigen Impuls bekommen, um als selbstbewusste humanitäre Leuchttürme Vorbilder zu werden.
Weitere Beiträge zu den Befreiungsfeiern 2023
4.5.2023: Österreichs Regierung gedachte in Gusen und Bergkristall
6.5.2023: Internationale Gedenkfeier KZ Gusen
7.5.2023: Internationale Befreiungsfeier KZ Mauthausen
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