Burgenländische Mehlspeistradition
Motivtorten aus dem Seewinkel

- Motivtorte vom Neusiedler See von Tortenkünstlerin Waltraud Bauer
- Foto: Waltraud Bauer
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Torten sind die Stars unter den Mehlspeisen. Die Somlauer Nockerln verdanken ihren Namen einem Küchenunfall. Die Esterházy-Torte wurde nach einem Fürsten benannt, der in die Mühlen der ungarischen Revolution von 1848 geriet.
Autorinnen Andrea Glatzer und Ingrid Schramm
PODERSDORF AM SEE. In früheren Zeiten lebten die Mehlspeisbäckerinnen von der Mundpropaganda. Man bestellte Hochzeitsgebäck und feine Torten bei ihnen. Dass es sich um ein eigenes Gewerbe handelt und man dafür einen Gewerbeschein braucht, hätten die Bäckerinnen aus früheren Zeiten vermutlich mit einem Achselzucken abgetan. Heutzutage kommt man mit dieser leckeren Schwarzarbeit nicht so leicht durch. Um sich keinen Ärger der Konkurrenz einzuhandeln, hat sich die Torten-Künstlerin Waltraud Bauer

- Waltraud Bauer aus Podersdorf am See
- Foto: Waltraud Bauer
- hochgeladen von Andrea Glatzer
einen Gewerbeschein für Konditorin und Zuckerbäckerin zugelegt. Hoch modern, wie es heutzutage notwendig ist, postet sie auf Facebook ihre Tortenkreationen und stieg zu einem Social Media Star auf.
Das Sonntags-Beugel
Die Mehlspeisköchin ist bereits in Pension. Das Backen hat sie von ihrer Oma gelernt, doch Torten zu kleinen Kunstwerken zu gestalten, wurde erst nach und nach zu ihrem Hobby. Ihre ersten Erfahrungen machte sie im Bauernhaus ihrer Eltern in Tadten.
„Wenn meine Eltern und meine Oma im Sommer mit der Feldernte beschäftigt waren, habe ich in den Ferien zu Hause gekocht", erzählt Waltraud Bauer. "Die Oma hat einen Zettel mit allen Zutaten geschrieben und ich habe das Essen für alle zubereitet.“
Wie in vielen burgenländischen Haushalten war es auch bei Familie Goldenits der Brauch, kleine Salzstangerln herzustellen. Das „Beigl“, ein Mohn- und ein Nussbeugel, wurden bereits am Samstag gebacken und waren für den Sonntagstisch bestimmt.
Motivtorten sind Highlights
„Motivtorten sind sehr gefragt. Die Kunden geben mir ihre Vorgaben", erzählt Waltraud Bauer.
Über gängige Dekorationen wie Blümchen und Sternchen ist sie längst hinaus. Am Anfang hat sie sich bei den Pferde-Figuren sehr geplagt. Inzwischen schafft sie Kleinkunstwerke wie Tschardaken, Weinfässer, Püppchen-Figuren oder bildet den Neusiedler See mit seinen Seehäfen auf einer Torte ab. Ihre Tortenböden aus Biskuit, Mürbteig und Schokolade-Nuss-Masse werden mit flaumigen Butter-, Pariser- und Vanille-Cremen gefüllt und danach in fröhlichen Farben eingefärbt und mit Motiven gestaltet. Die Dekorationen stellt sie in zeitaufwendiger Detailarbeit her. Alle ihre Torten sind Unikate.
Auf die Frage, ob sie auch Kekse bäckt, antwortete sie belehrend:
„Bei uns im Burgenland werden sie nicht Kekse genannt, sondern 'Krapferln'. "Und wir backen auch nicht, sondern wir 'bocha'.“
Sie schöpft aus alten Rezepten mit klingenden Namen wie Eisenbahner, Donauwellen oder Schnepfen, Schaumrollen oder Nussbusserln. Mit ihren Backkünsten ist sie tagelang beschäftigt. Aber dann nimmt sie sich eine Auszeit und widmet sich ihren Enkelkindern. Und das gibt ihr ein gutes Gefühl.
Über die Gundel-Palatschinke
Aus der österreichisch-ungarischen Tradition kommt die Gundel-Palatschinke. Sie wurde in der Zeit der Habsburger-Monarchie nach ihrem Erfinder Károly Gundel benannt.
Als junger Koch ging er auf Wanderschaft und lernte in berühmten Hotels wie Adlon und Riz in Berlin. 1910 kaufte er ein Restaurant in Budapest, dass er später unter dem Namen „Gundel-Etérém“ zu Weltruhm führte. Es entwickelte sich zu einem der exklusivsten Restaurants der Feinspitz-Szene, vergleichbar mit dem Sacher in Wien oder dem Kempinski in Berlin.
Károly Gundel, der im Stockwerk über seinem Restaurant wohnte, galt als einfacher, bescheidener Mann, der seine Frau Margit und seine dreizehn Kinder über alles liebte. Seine Gäste behandelte er wie Freunde, die zu ihm auf Besuch kamen.

- Károly Márton Gundel mit seiner Frau Margit
- Foto: www.szeretlekmagyarorszag.hu
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Viele seiner Speisen, die er selbst kreierte, benannte er nach seinen Stammgästen oder nach namhaften Kriegshelden und berühmten Künstlern. Die „Suppe nach Pethes“ ist nach dem ungarischen Schauspieler Imre Pethes benannt.

- Das berühmte Restaurant Gundel im Budapester Stadtwäldchen
- Foto: Adobe Stock 329582420
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Der „Stadtwäldchen-Salat“ würde heutzutage "Salat nach Art des Hauses" bezeichnet werden, denn der Name leitet sich vom Standort seines Restaurents im Budapester Stadtwäldchen ab. Man fragt sich, was sich Gundel dabei gedacht hatte, als er „Pochierte Eier nach Hadik“ nach dem Feldmarschall und Kriegsberichterstatter Graf András Hadik benannt hat. Die in einen kochenden Wassersprudel eingelegten rohen Eier lassen auf einen überschäumenden Charakter schließen.
Ein fürstliches Essen
Weltberühmt ist auch Gundels „Esterházy-Rostbraten“. Benannt nach dem Diplomaten und Politiker Fürst Paul III. Anton Esterházy, der der Revolutions-Regierung von 1848 unter Ministerpräsident Lajos Batthyány angehörte, aber aus Habsburg-Treue von seinem Ministerposten zurücktrat. Die Esterházy-Torte, die von ungarischen Konditoren kreiert wurde, verdankt ihren Namen ebenfalls dem Fürsten. Für die Hausspezialität, die berühmte Gundel-Palatschinke, hat sich offensichtlich der Name des Erfinders durchgesetzt.
Die Original-Gundel Palatschinke ist mit einer Nuss-Rum-Rosinen-Masse gefüllt und dem nicht genug, wird sie mit Rum-Schokolade übergossen. Eine Gundel-Palatschinke sollte nicht flambiert werden, denn das Hauptgewicht soll auf dem intensiven Rumgeschmack liegen, der beim Flambieren verbrennen würde.
Restlessen mit Somlauer Nockerln
Übrigens, auch die Somlauer Nockerln sind in Gundels Restaurant-Küche entstanden. Allerdings wurden sie nicht von ihm kreiert, sondern von seinem Chefkellner, Károly Gollerits gemeinsam mit seinem Konditor Jozsef Bela Szöcs. Das in den 1950iger Jahren erfundene Spitzen-Dessert wurde nach einem erloschenen ungarischen Vulkan benannt. Der Verdacht liegt nahe, dass der Name einem Küchenunfall zu verdanken ist. Vermutlich wollten die beiden eine Gundel-Palatschinke zubereitet. Durch eine Unachtsamkeit könnte ihnen die Masse auf den Boden geglitten sein. Weil sie es eilig hatten, haben sie die Masse wahrscheinlich aufgeklaubt, mit einer Rum-Schoko-Sauce übergossen und sicherheitshalber die Missetat unter einem Gupf Schlagobers begraben. Das Dessert wurde bei der Weltausstellung in Brüssel 1958 ausgezeichnet.
Mit der Zeit ist diese Kreation mit Restlzutaten erweitert worden, wie etwa Biskuit oder Pudding. Diese wurden dann mit Schlagobers und Schokolade verfeinert. Eh klar, dass es sich dabei um ein klassisches Restlessen handelt, wie etwa bei Erdäpfelgulasch, Reisfleisch, Grenadiermarsch und Krautfleckerln. Das Gegenteil soll erst einmal jemand beweisen.
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