Wir können doch nicht alle Flüchtlinge nehmen

- Kriegsberichterstatterin und Buchautorin Livia Klingl
- hochgeladen von Ilse Reitner
Kriegsberichterstatterin Livia Klingl im Gespräch mit Judith Weissenböck.
Großer Andrang herrschte im Barockschlössl Mistelbach zur Flüchtlings-Diskussion und der Buchpräsentation des Buches „Wir können doch nicht alle nehmen!“ mit Autorin Livia Klingl.
Die Wienerin, die für die Zeitung Kurier mehr als 20 Jahre Kriegs- und Krisenberichterstatterin – vom Balkan über Afghanistan bis Irak, Iran und Libanon und neun Jahre Leiterin des Außenpolitikressorts war – griff sehr pragmatisch ein heißes Eisen an: „Während immer mehr Menschen vor Gewalt und religiösem Fanatismus, vor Krieg und Hunger fliehen, zieht Europa die Festungsmauern hoch – und beraubt sich damit selbst vieler Zukunftschancen. Es ist nicht nur humanitäre Pflicht und geltendes Gesetz, Flüchtlinge aufzunehmen, es ist auch sinnvoll, ja notwendig, Zuwanderung zuzulassen.“
Klingl geht von der Grundannahme aus, dass Europa ohne Zuwanderung schon aus demografischer Sicht keine Zukunft hätte. Die Geburtenraten in Europa sinken, die Menschen werden immer älter, beides Faktoren, die den Wohlstand und das Sozialsystem ins Wanken bringen. Selbst wenn es kaum jemanden schert, dass das Mittelmeer zum Massengrab verkommen ist und gegen jene Fremden Stimmung gemacht wird, die es mittels professioneller Schmuggler bis zu uns geschafft haben: „Es wäre aus reinem Eigennutz hoch an der Zeit für eine neue Ausländerpolitik. Eine, die es Flüchtlingen ermöglicht, in einem solidarischen Europa ein neues Leben in Frieden zu finden, und die Wirtschaftsmigranten einen geordneten Zuzug erlaubt – der letztlich auch uns zugutekommt.“
Österreich sei aus bevölkerungspolitischer Sicht nicht nur auf den Zuzug von EU-Bürgern und Kriegsflüchtlingen angewiesen, sondern auch auf Wirtschaftsmigranten. „Ja es gibt kriminelle und blöde Syrer, aber es gibt auch kriminelle und blöde Österreicher.“
Schrteckliches Leid
Die Studentinnen Bettina Zillinger aus Raggendorf, Carina Drisa aus Gaweinstel und Mandy Klose aus Neuseeland erzählten von ihren wochenlangen, freiwilligen Hilfseinsätzen in Griechenland und der Türkei. „Es war noch viel schlimmer als wir erwartet haben. Halb verhungerte, erschöpfte und fast tote Kinder und Erwachsene mit Erfrierungen in endlos langen Warteschlangen haben wir mit Essen und trockener Kleidung versorgt. Wenn man so viel Elend und Leid auf sich nimmt, geht es wirklich nur ums Überleben.“ Am Mistelbacher Adventmarkt verkauften sie selbst gebackene Kekse, um dieses Geld für die Flüchtlinge zu verwenden.
Nur negative Nachrichten
In den Medien hört und sieht man ohnehin weltweit nur immer schlechte Nachrichten, egal ob über Mörder, Unglücke, Katastrophen, oder Flüchtlinge. Es gibt überall auch schlechte Menschen, aber die Tausenden, die vor Gewalt und Tod flüchten müssen, verdienen unsere Hilfe. Nur das Unbekannte und Fremde macht uns Angst, aber, wenn man Flüchtlinge persönlich kennengelernt hat, oder dieses Buch der Außenpolitikjournalistin gelesen hat, bekommt man ein ganz anderes Bild.
Die Journalistin Livia Klingl versucht mit diesem Buch ein anderes Bild der Flüchtlingsproblematik zu vermitteln, als in den Massenmedien oftmals üblich. Sie versucht den Leser über die Chancen und Wichtigkeit der Migration aufzuklären, weist auf die Problematik der Schlepperbanden hin, die ohne Blick auf die Menschen rücksichtslos ihr Ziel verfolgen und macht Schluss mit den Halbwahrheiten, die uns in den Medien laufend propagiert werden: 0,1 % der gesamten EU-Bevölkerung machen Asylwerber aus – und davor haben wir Angst?
Ein zweites großes Thema des Buches sind Hintergründe und Gefahren der Flucht, die verschärften Bedingungen an den EU-Außengrenzen und last but not least der Bürokratiedschungel, der jedweder Logik entbehrt. Man fragt sich manches Mal, wer sich solche Hürden überlegt?
Ein großer Teil ist persönlichen Berichten gewidmet, die die Menschen und Schicksale hinter den Zahlen sichtbar machen. Wer meint, diese Menschen wollen sich hier im „goldenen Westen“ ein nettes Leben auf unsere Kosten machen, ist auf dem Holzweg (dass es in jeder Kultur auch solche „schwarzen Schafe“ gibt, ist schon klar – doch das ist nicht die Regel, sondern die Ausnahme). Im Normalfall wollen diese Menschen Akzeptanz und eine Chance, ein Leben ohne Hunger und Angst führen zu dürfen.
Helfen macht uns zu Menschen!
Wer helfen möchte: Infos: Brigitte Schodl Stadtgemeinde Mistelbach
Allgemeine Dienste Gesundheit und Soziales /Förderungen, Tel: 02572/2515-5314
E-mail: amt@mistelbach.at
August Fraueneder , Ingeborg Pelzlmayer 0664/401 58 54
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