Politik
Forum Alpbach diskutiert über "geopolitisches Erwachen" der EU

- Hochrangige Politiker und Politikerinnen sowie Experten diskutierten im Herz Kremenak Saal des Congress Centrum Alpbach über Entwicklungen in der EU seit dem Beginn des Ukraine-Krieges.
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Wird die EU im Zuge des Ukraine-Krieges zum geopolitischen Akteur? Dafür gibt es keine einfachen Antworten – das zeigte die Diskussion mit Außenministern und Experten in Alpbach.
ALPBACH. Kann man nach dem Beginn des Ukraine-Krieges von einem geopolitischen Erwachen der Europäischen Union sprechen, und wenn ja, wie nachhaltig ist dieses? Diese und weitere Fragen diskutierten Politiker am Mittwoch, den 24. August im Rahmen des 77. Europäischen Forums Alpbach (EFA). Unter den Sprechern auf der Bühne fanden sich hochrangige Politiker und Experten – unter anderem Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg, Albaniens Ministerpräsident Edi Rama und Sloweniens Außenministerin Tanja Fajon.
Geopolitisches Erwachen
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hatte unvergleichliche Sanktionen seitens der Europäischen Union zur Folge. Auch die im März 2021 eingerichtete "Europäische Friedensfazilität" kam erstmals zum Einsatz, um der Ukraine Waffen zu liefern. Ist dies ein neuer Weg, eine Art Erwachen der Europäischen Union, die sich damit als geopolitischer Player über ihre Außengrenzen hinweg etablieren kann und tätig wird? Die anwesenden Experten und Expertinnen sehen durchaus ein Erwachen, ob dieses aber geopolitische Ausmaße annimmt, wird jedoch von einigen bezweifelt.
Außenminister Schallenberg sieht in den letzten sechs Monaten eindeutig ein geopolitisches Erwachen der EU und sprach hinsichtlich des Angriffskriegs auf die Ukraine von einem "geopolitischen Eiskübel" für Europa. "Ich bin sehr stolz darauf, wie die Europäische Union im Februar, März, April etc. reagiert hat. Meine Hoffnung ist, dass wir nicht wieder einschlafen", so Schallenberg.
Von einem Erwachen sprach auch der tschechische Außenminister Jan Lipavský. Auch wenn es unterschiedliche Meinungen und Bedürfnisse in Mitgliedsstaaten gebe, habe letztendlich die EU die Möglichkeit, eine starke Position gegenüber Russland zu vertreten, argumentiert Lipavský.

- "Ich bin sehr stolz darauf, wie die Europäische Union im Februar, März, April etc. reagiert hat. Meine Hoffnung ist, dass wir nicht wieder einschlafen", sagte Alexander Schallenberg.
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Ein Erwachen mit "Aber"
Es sei noch zu früh, um zu beurteilen, ob dieses Erwachen der EU auch nachhaltig sei, erklärte Sloweniens Außenministerin Tanja Fajon. Nach einem halben Jahr des Krieges beobachte man, dass die Menschen in Europa Entwicklungen, wie steigende Energie- und Lebensmittelkosten, hinterfragen. Auch die europäische Wirtschaft und die Bürger und Bürgerinnen seien vom Krieg betroffen.
"Aber wir müssen gemeinsam als ein europäischer Kontinent standhaft bleiben. Wir müssen auch das internationale Recht schützen",
so Fajon. Man müsse aber auch pragmatisch sein, wenn es um die Frage gehe, wie man ein Ende des Krieges herbeiführen könne.
Der Krieg sei ein Weckruf für die EU dahingehend gewesen, wie man Russland sehe. Das Erwachen sei aber ein kostspieliges, erklärte der slowakische Außenminister Ivan Korčok. Dieses Erwachen der EU hinsichtlich der Sichtweise auf Russland, sei aber nicht genug, um es ein "geopolitisches Erwachen" zu nennen. "Wir können von einem geopolitischen Erwachen nur sprechen, wenn wir andere Teile unserer Außenpolitik in strategische Instrumente umwandeln können", so Korčok.

- Der Krieg sei ein Weckruf für die EU dahingehend gewesen, wie man Russland sehe, das Erwachen sei aber ein kostspieliges, erklärte der slowakische Außenminister Ivan Korčok.
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Keine Veränderung
Die wahre Frage sei nicht, wie sehr der Krieg zu einem Erwachen führe, sondern wie widerstandsfähig der Westen sein könne, betonte indes Albaniens Ministerpräsident Edi Rama.
"Ich sehe nicht, dass sich Europa in irgendeiner Weise verändert",
so Rama weiter. Auch wenn es mehr Solidarität, ein höheres Bewusstsein für Einheit und mehr Treffen gebe, gehe es darum, wie sehr sich Europa selbst verändere. "Es sieht für mich nicht nach einem Wandel aus", so Rama. Er beobachte mehr eine gewisse Trägheit und einzelne Länder, die eine gemeinsame Position vertreten.
"Ukraine hat bereits gewonnen"
"Ich würde argumentieren, dass die Ukraine den Krieg bereits gewonnen hat", erklärte Alexander Soros, Stellvertretender Vorsitzender der Open Society Foundations. Die Ukraine habe eine starke Armee davon abgehalten, Kiew einzunehmen und Vladimir Putin habe sich damit auf der Weltbühne blamiert. Ein absoluter Sieg auf einer Seite, wie im Ersten oder Zweiten Weltkrieg, sei nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, so Soros.

- Ein Gedankenaustausch auf höchstem Niveau im Dorf der Denker: Moderator Matthew Helmut Karnitschnig (Politico), Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg, Sloweniens Außenministerin Tanja Fajon, Albaniens Ministerpräsident Edi Rama, der tschechische Außenminister Jan Lipavský, der slowakische Außenminister Ivan Korčok, Alexander Soros (Stellvertretender Vorsitzender der Open Society Foundations) und Velina Tchakarova (Direktorin des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES)) (v.l.).
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Ein "Krieg gegen uns alle"
Auch Velina Tchakarova, Direktorin des Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik (AIES), zeigte sich davon überzeugt, dass die EU sich in einem geopolitischen Erwachen befinde. Der Krieg sei ein Schlag ins Gesicht für Europa gewesen, noch schmerzlicher sei die Tatsache, dass Russland mit dem Angriff auf die Ukraine auch einen Angriff auf ganz Europa gestartet habe, so Tchakarova.
"Solange die Europäer nicht verstehen, dass es ein Krieg gegen uns alle ist, dahingehend, dass die gesamte europäische Sicherheitsordnung in Gefahr ist (...), glaube ich nicht, dass wir Resonanz und einen strategischen Konsens finden werden",
sagt Tchakarova. Deswegen müsse Europa sicherstellen, dass die Ukraine diesen Krieg gewinne. Um dies zu erreichen, "müssen wir alle jetzt etwas opfern und uns verpflichten. Nicht morgen, nicht in drei oder sechs Monaten, sondern jetzt", so Tchakarova.
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