Tiroler Opposition fordert mehr Druck
Alpenregionen-Konferenz zu Transitverkehr – bislang ohne Bayern
TIROL/BEZIRK (red). Die iMONITRAF!-Partnerregionen haben am Mittwoch, dem 17. Oktober, in Altdorf in der Schweiz im Rahmen des Logistik-Dialogs zur Zukunft des Gütertransportes in den Alpen zusammengefunden, um mit Verkehrsexperten aus dem Alpenraumprojekt den aktuellen Stand zu besprechen und die weitere Vorgehensweise des "iMONITRAF!"-Netzwerks zu diskutieren. LHStv & Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe, aktuell Vorsitzende dieses Gremiums, erinnerte in ihrer Keynote an die gemeinsamen Vorhaben und Ziele des internationalen Netzwerkes: „Eine gemeinsame Verkehrsverlagerungspolitik dient als Grundlage für das gemeinsame Ziel des Netzwerks, nämlich den negativen Auswirkungen des Verkehrs auf Umwelt und Mensch entgegenzuwirken und Umwegverkehre zu vermeiden.
LHStvin Felipe:
„Nur gemeinsam können wir den europäischen Transit verlagern! Ohne die Unterstützung unserer unmittelbaren Nachbarn im Alpenraum, werden wir die europäische Verkehrspolitik nicht ändern können.“
Bayern in gemeinsame Alpen-Verkehrsstrategie einbinden
2008 unterzeichneten die Alpenregionen Rhône-Alpes (F), die Provinz Bozen-Südtirol, Aostatal, Piemont (alle I), Tessin, Zentralschweiz (CH) und Tirol sowie in weiterer Folge auch Trient (I) die Entwicklung und Umsetzung einer gemeinsamen nachhaltigen Verkehrsstrategie. Ihre Ziele: enge Kooperation und Solidarität der beteiligten Alpenregionen, Entwicklung korridorspezifischer Ziele, das Verursacherprinzip als Finanzierungsstrategie und die Harmonisierung bestehender Maßnahmen der einzelnen Regionen. LHStvin Felipe: „Die wichtigsten gemeinsamen Ziele in der Alpenregion haben sich auch zehn Jahre danach nicht geändert. Verschärft haben sich die verkehrsbedingten Belastungen für Mensch, Umwelt und Infrastruktur. Mehr denn je brauchen wir internationale Expertinnen- und Expertenkreise, die der handelnden Politik vernünftige Lösungsvorschläge unterbreiten. Wir laden vor allem auch unsere Nachbarn in Bayern ein, sich aktiv in dieser Kooperationsplattform einzubringen, um den Herausforderungen der Verlagerungspolitik zu begegnen.“
Bayern und die Bundesrepublik Deutschland sind nach Ansicht zahlreicher Kritiker, besonders auf österreichischer Seite, beim geplanten Nord-Zulauf zum Brenner-Basis-Tunnel seit Jahren säumig und bislang nicht Mitglied der Alpenregionen-Plattform.
Tiroler wollen Taten sehen
Die Oppositionsfraktionen des Tiroler Landtags drängen die Landesregierung, gegenüber den Bayern zu handeln.
„Platter muss jetzt Nägel mit Köpfen machen, damit der Brennerbasistunnel nicht zur Kathedrale in der Wüste verkommt. Der Landeshauptmann steht in ständigem Kontakt mit dem Europarechtsexperten Obwexer, eine Klage gegen Deutschland wäre eine mögliche Vorgehensweise, wenn sich die Bayern weiterhin weigern Zulaufstrecken zu ermöglichen. Zwischen Deutschland und Österreich bestehen zig Verträge zum länderübergreifenden Schienenausbau, diese könnten beim Internationalen Gerichtshof eingeklagt werden. Außerdem kann die Europäische Kommission den Druck auf Deutschland erhöhen und eine Streichung der Förderungen für den Schienenausbau in Deutschland in den Raum stellen. Schließlich steckt in dem 10 Milliarden Euro teuren Projekt BBT reichlich Steuergeld, allein 45 Prozent davon kommen von der EU. LH Platter sollte zudem Verkehrsminister Hofer in die Pflicht nehmen, der Schienenausbau sollte Platter und Hofer mindestens genauso viel Wert sein und eine Klage würde den Druck auf Bayern und Deutschland noch einmal erhöhen“, meint "Liste Fritz"-Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider überzeugt.
„Eine deutlich spürbare Entlastung durch eine Verlagerung des LKW-Verkehrs auf die Schiene wäre ein dringend notwendiger Schritt. Traurige Realität ist allerdings, dass diese Entlastung ohne Zulaufstrecken in Bayern nicht stattfinden wird können“, so Haselwanter-Schneider weiter.
„Unverlässlich und ohne jede Weitsicht“, agiert für SP-Verkehrssprecher Philip Wohlgemuth Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in Sachen Verkehrspolitik. Die CSU stelle nun die Notwendigkeit der Zulaufstrecken für den Brennerbasistunnel (BBT) in Frage. „Der BBT ist eines der größten europäischen Infrastrukturprojekte. Das will der bayrische Landeschef nun mutwillig torpedieren. Offensichtlich hat man in Deutschland kein Interesse an einer ganzheitlichen und europäischen Verkehrslösung.“ Angesichts der Blockadehaltung im Norden unterstreicht Wohlgemuth die Richtigkeit der Tiroler Vorgehensweise: „Alle Parteien gehen in der Transitfrage Schulter an Schulter voran und sprechen mit einer Stimme.“ Nur so könne man sich in Brüssel, Wien, München und Berlin Gehör verschaffen. Klar sei: Alle BBT-Beteiligten müssten ihren Verpflichtungen zu Planung und Bau der Zulaufstrecken nachkommen. „Sonst wird das mit der Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene nichts“, so Wohlgemuth.
Verkehrsminister Norbert Hofer will rollende Landstraße ausbauen
Kritik übt VP-NR Franz Hörl währenddessen in der Sitzung des Verkehrsausschusses am Vorsitzenden, dem ehemaligen SPÖ-Verkehrsminister Alois Stöger. Er meint, "dass dieser die RoLa völlig vernachlässigt hat. Immerhin spielt die RoLa eine unveränderte Rolle beim dringenden Ziel, Tirol vom Transit zu entlasten und den Verkehr vermehrt und nachhaltig auf die Schiene zu verlagern. Dahingehend begrüße ich die Zusage von Verkehrsminister Norbert Hofer, diese wichtige verkehrstechnische Stütze in Zukunft ausbauen zu wollen“, so Hörl.
SPÖ-NR Christian Kovacevic kritisiert den "Rückzieher Bayerns aus dem Gemeinschaftsprojekt BBT": Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bremse nach der geschlagenen Wahl die Pläne hinsichtlich der Zulaufstrecken. „Eine Grundsatzdiskussion zum Brenner-Basis-Tunnel ist absolut überflüssig und bringt nur Verunsicherung.“ , kommentiert Christian Kovacevic, SP-Nationalrat aus Wörgl, die Aussagen des bayerischen Ministerpräsidenten, „es wurde bereits viel Zeit und Geld in dieses Projekt investiert und es standen ursprünglich alle Beteiligten hinter dem BBT.“
„Nun ist sowohl Günther Platters ÖVP gefordert, die Schwesterpartei aus Bayern zur Vernunft zu bringen, als auch der Verkehrsminister Hofer, der bei seinem Kollegen aus Deutschland intervenieren muss“ , so Kovacevic abschließend.
EU-Parlament und Nationalstaaten gefragt
Aktuelle Schwerpunkte von "iMONITRAF!" liegen auf innovativen Technologien und deren Auswirkungen auf bereits vorliegende Strategien, im Besonderen im Hinblick auf den Brenner-Basis-Tunnel (BBT). Vorgestellt und diskutiert werden die Fortschritte und Studienergebnisse im Rahmen von Veranstaltungen wie etwa dem Logistik-Dialog in der Schweiz, bei denen neben den politisch Verantwortlichen auch NGOs, Logistikunternehmen und Vertreter der Wissenschaft vor Ort sind.
Das Netzwerk engagiert sich aktiv am Überarbeitungsprozess der Wegekostenrichtlinie 1999/62/EG. Die im erarbeiteten „Toll Plus“- Vorschlag enthaltenen Elemente wurden dabei in dem Bericht des Europäischen Parlamentes eingearbeitet. Dadurch vertritt "iMONITRAF!" die Alpenregionen und deren Anliegen im Rahmen des Revisionsprozesses auf europäischer Ebene. "Nun liegt es am europäischen Parlament bei der Abstimmung kommende Woche und in der Folge Verkehrsminister Norbert Hofer als Vorsitzender des Rats der Verkehrsminister im Zuge des österreichischen Ratsvorsitzes den progressiven Vorschlag der Kommission zur europäischen Richtlinie für Kostenwahrheit auf der Straße zu erheben", so Felipe mit Blick auf nationale und europäische Unterstützung im Kampf gegen den steigenden Transit.
Die Regionen betonten, dass es darum gehe nach außen eine gemeinsame und abgesprochene Verkehrspolitik zu vertreten und auch konstruktive Lösungsvorschläge zu präsentieren. Solidarisches Ziel des Netzwerkes ist allerdings nicht den Verkehr von einem Alpenkorridor auf einen anderen zu verlagern, sondern nach dem Prinzip des kürzesten Weges ein faires Verteilungskonzept zu verwirklichen, das allen Regionen zu selben Teilen nützt und nicht nur einigen wenigen schadet. Hauptbetroffen vom Umwegeverkehr ist Tirol, so LHStvin Felipe:
„Fakt ist, dass je nach Umweg-Kriterium zwischen 27-55 Prozent des Lkw-Verkehrs über den Brenner eine längere bis gleich lange Strecke und nur 45 Prozent den Bestweg fahren, während das am Gotthardübergang 97 Prozent der Lkws und damit fast alle tun. Betrachtet man das Verhältnis Schiene zu Straße, ergibt sich ein ähnliches Bild: in der Schweiz werden 70 Prozent der Güter auf der Schiene über die Alpen transportiert, in Tirol auch 70 Prozent - allerdings auf der Straße."
Nächste Schritte bei „Toll Plus“
Neben der Verlängerung des Vorsitzes des Landes Tirol bis 2020 wurden beim Treffen auch die geplanten Aktivitäten der kommenden beiden Jahre beschlossen. Das Monitoring-System, das auch Grundlage für den jährlichen Verkehrsbericht des Landes Tirol ist, wird ebenso fortgesetzt wie die Weiterentwicklung des „Toll Plus“-Vorschlags und die notwendigen Verhandlungsschritte zur Einführung dieses Maut-Systems. Verkehrslandesrätin LHStvin Felipe dazu: „Diese Art der Bemautung bittet diejenigen zur Kasse, die hauptverantwortlich für die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Bevölkerung, für die Straßenabnutzung und die Unfallfolgekosten sind. Durch ein einheitliches Gebührensystem im Alpenraum wählen die Frächter dann die kürzesten Transportrouten, weil die Pässe in der Schweiz, Italien, Frankreich und in Österreich gleich teuer werden. Zurzeit ist der Weg durch Tirol für viele LKW zwar länger und durch das erhöhte Verkehrsaufkommen auch mühsamer, aber immer noch viel günstiger zu anderen vergleichbaren Strecken. In der kommenden Vorsitzzeit wollen wir uns besonders mit innovativen Technologien bei der Verlagerung, Stichwort Digitalisierung, und beim Lärmschutz beschäftigen", fasst Felipe die kommenden Aufgaben abschließend zusammen.
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