20 Jahre Kinderschutz in Wörgl
Innerfamiliärer Missbrauch weit verbreitet

Astrid Lanza (Leiterin des Kinderschutzes Tirol), Daniela Wabscheg, Anne Kuster, Claudia Mayer (Kinderschutzzentrum Wörgl) und Petra Sansone (Geschäftsführerin der Tiroler Kinder und Jugend GmbH) kämpfen seit Jahren gegen körperliche, sexuelle und psychische Gewalt (v.l.). | Foto: Christoph Klausner
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  • Astrid Lanza (Leiterin des Kinderschutzes Tirol), Daniela Wabscheg, Anne Kuster, Claudia Mayer (Kinderschutzzentrum Wörgl) und Petra Sansone (Geschäftsführerin der Tiroler Kinder und Jugend GmbH) kämpfen seit Jahren gegen körperliche, sexuelle und psychische Gewalt (v.l.).
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Der tirolweite Schwerpunkt der fünf Kinderschutzzentren liegt nach wie vor auf sexueller Gewalt. Aufgrund der Sozialen Medien kommen zudem neue Herausforderungen auf Einrichtungen und Eltern zu.

WÖRGL. Seit mittlerweile 20 Jahren betreut das Wörgler Kinderschutzzentrum (KSZ) Kinder und Jugendliche im Tiroler Unterland, die von sexueller, körperlicher oder psychischer Gewalt betroffen sind. Im Rahmen einer Jubiläumsfeier am Donnerstag, den 13. Oktober wurde auch Bilanz gezogen. Anne Kuster, Claudia Mayer und Daniela Wabscheg, die zu dritt das Wörgler KSZ-Team bilden, haben 2021 rund 1.000 Beratungen mit 500 Personen durchgeführt. Heuer sind es bis dato 600 Beratungen mit rund 350 KlientInnen. Der Bedarf würde weiterhin steigen, auch weil die Sensibilisierung zunehme, so die drei Expertinnen unisono.

Die Psychotherapeutinnen Daniela Wabscheg, Anne Kuster und Claudia Mayer betreuen von Wörgl aus Klienten aus den Bezirken Kufstein, Kitzbühel und Schwaz (v.l.). | Foto: Christoph Klausner
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Innerfamiliärer Missbrauch

Tirolweit liegt der Schwerpunkt nach wie vor auf sexueller Gewalt. Laut den KSZ-Expertinnen ist jedes vierte bis fünfte Kind von sexuellem Missbrauch in der Familie betroffen.

"Das reicht vom Anfassen bis zur Penetration",

erläutert Mayer. Was alle Arten von sexuellen Missbrauch gemein hätten, sei die Tatsache, dass sie beim Täter zu sexueller Erregung führen, ergänzt Kuster.
Um dieser traurigen Statistik entgegenzuwirken, versucht man gemeinsam mit den Kindern und deren Erziehungsberechtigten Grenzen zu erarbeiten. Dabei wird zum Beispiel festgelegt, wer dem Kind einen Kuss geben darf. Das kann dazu führen, dass sich Kinder automatisch zur Wehr setzen. 
Kuster betont, dass es durchaus Sinn macht, bereits im Kindergartenalter die Körperteile zu lernen. Wenn Kinder die Stellen, wo sie beispielsweise angefasst wurden, auch zum Ausdruck bringen können, dann sei die Chance größer, dass man Missbrauchsfälle erkennt. Auch das Konzept von "Gut-" und "Schlecht-Geheimnissen" sollte man den Kleinen früh näher bringen. Kinder lernen dabei auf ihr Bauchgefühl zu hören und zu unterscheiden, welches Geheimnis man für sich behalten könnte und welches nicht. Damit möchte man Tätern, die nach dem Missbrauch den Kindern einreden wollen, dass das Geschehene ein Geheimnis zwischen ihnen bleiben müsse, einen Strich durch die Rechnung machen.

Die Gefahr der Sozialen Medien

Ein Thema, was die KSZ-Psychotherapeutinnen ebenfalls immer mehr beschäftigt, ist der Umgang bzw. der Zugang zu den Sozialen Medien. Dort konsumieren teils Volksschulkinder bereits Inhalte, die absolut nicht für ihre Augen und Ohren gedacht sind. 

"Kinder haben nur eine Art Bilder zu verarbeiten, indem sie sie inszenieren",

erklärt Kuster. So kommt es vor, dass Kinder pornografisches Bilder und Videos sehen und diese Szenen dann nachspielen oder zeichnen. Was die Gefahr in den Sozialen Medien noch verstärkt, sei der Umstand, das ein Bild oft ausreiche, um z. B. via Whatsapp an viele verschiedene Empfänger gelangen. Und jedes Kind geht mit den Eindrücken wiederum unterschiedlich um, erklärt Wabscheg.
Doch wie bemerkt man, ob ein Kind nicht jugendfreie Inhalte gesehen hat? Da Kinder oft von sich aus nichts sagen – auch aufgrund von Schuldgefühlen – müsse man sehr stark auf deren Sprache und Verhalten (z. B. Angstattacken, Einnässen, etc.) achten, bestätigen die Expertinnen. In den Behandlungen wird darauf abgezielt, dass Kinder sowie auch deren Eltern das Erlebte gemeinsam verarbeiten können. Die Dauer, bis das Kind sozusagen drüber hinweg ist, kann variieren und hängt von vielen Faktoren ab, wie z. B. die Intensität des Inhalts, wie oft etwas gesehen wurde oder aber auch wie zeitnah Hilfe in Anspruch genommen wird.
Eltern wird jedenfalls geraten, Schutzapplikationen zu installieren, wodurch sie beispielsweise Social Media-Apps sperren oder einschränken können. Eine hundertprozentige Garantie ist allerdings auch das nicht, da es mittlerweile viele Wege gibt, um Online-Inhalte zu sehen. 

Soziale Netzwerke & Kinder: Ich habe...

Wohlbefinden im Vordergrund

Manchmal bemerke man bei Gesprächen mit Kinder auch Dinge, die nicht zwingend Missbrauch, aber das Wohlbefinden der Kinder betreffen. Zum Beispiel kann es vorkommen, dass ein Kind das "Bussi" von den Großeltern eigentlich gar nicht mehr will. Allerdings könnte ein sogenanntes "Neiderl" (Kuss auf die Wange, Anm. d. Red) nach wie vor in Ordnung sein, so Kuster. Bei der Vermittlung an die Eltern gehe man anschließend äußerst empathisch vor, da es auch oft zu einer gewisse Abwehrhaltung kommen kann.

Vernetzung ausbauen

Generell verfolgt der Kinderschutz aber das Ziel, "eine gute Familien-Atmosphäre zu schaffen", so Kuster, denn nur so können sich Kinder gegenüber ihren Eltern auch öffnen. Weiters wird auch immer mehr Augenmerk auf die Professionellen-Betreuung gelegt. Damit ist gemeint, dass sozusagen Personen, die mit Kindern arbeiten, auf gewisse Situationen vorbereitet werden. Denn eines ist für die KSZ-Expertinnen unumstritten: "Kinderschutz geht nur in der Vernetzung."

Die Jubiläumsfeier wurde auch zum Netzwerken genutzt, denn eine erweiterte Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen soll den Kinderschutz ebenfalls nachhaltig stärken.  | Foto: Christoph Klausner
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Zu den Angeboten

...des Kinderschutzzentrums zählen Beratungen genauso wie psychosoziale und juristische Prozessbegleitungen, Anzeigenberatungen, Psychotherapien im Kontext der Kinderschutzarbeit sowie Fortbildungen zum Thema Gewalt gegen Kinder und Jugendliche.
Weitere Infos zum KSZ Wörgl sowie Kontakt und Adresse findest du hier.

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