Klagenfurt im Herbst
Leben und überleben als Klagenfurterin und Klagenfurter

- hochgeladen von Franz Waditzer
Herbst in der Klagenfurter Innenstadt - Die Drahtzieher der Sonnenstrahlen
Jede Stadt ist anders. Jede Stadt hat ihren eigenen Charakter, aber auch ihre ganz eigenen Geschichten und Erlebnisse.
Daher ist jedes Stadtporträt eine Liebeserklärung an die subjektive wie auch objektive Unterschiedlichkeit der Welt.
"Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich gar nichts geändert – und doch alles", schrieb Kurt Tucholsky. Und Klagenfurt im Herbst darf man bezaubernd nennen.
Der Fleischmarkt und der Jacques-Lemans-Platz in Klagenfurt am frühen Morgen
Die Stadt am frühen Morgen, das sind die Gassen, Durchgänge und Plätze im Halbdunkel, der durch die Schaufenster sichtbare ausgeleuchtete, faszinierend tiefe Raum einer Boutique und der köstliche Duft nach frischem Gebäck, der vom Verkaufsraum der Bäckerei Taumberger den Fleischmarkt beseelt. Ich begegne den fleißigen Mitarbeitern der Stadtreinigung mit ihren Karren, die schon zwei Stunden vor mir in der Innenstadt unterwegs sind. Stadtbusse mit den ersten Pendlerinnen und Pendlern fahren durch die Burggasse zum Heiligengeistplatz.
Bewegung im öffentlichen Raum
In den städtischen Parkanlagen gibt es Tage, da ist weniger los, dann gibt es solche, an denen unzählige Menschen die Grünanlagen nutzen. Wer die Anlagen betritt, dem bieten sie eine Bühne zur Selbstdarstellung – oder zur Selbstfindung.
Die Gespräche, das Gelächter, die Musik, die Tränen, die Freude und die Trauer werten die öffentlichen Räume auf.
Die Stadt lebt und wie: Zehntausende Menschen eilen am frühen Morgen in die Büros, in die Schulen, zur Universität und zu den Fachhochschulen, zu Forschungsquartieren, in innerstädtische Einkaufszentren, in die Betriebe. Der öffentliche Verkehr steht nie still: Mit Regionalzügen, Fernzügen, Stadtbussen und Bussen aus den Bezirken kommen Menschen die Stadt, ins Bahnhofsviertel und strömen in die Innenstadt und in die Stadtviertel. Die Kommunalsteuer, deren Bemessungsgrundlage die Summe der Arbeitslöhne ist, spült Millionen um Millionen in die Stadtkasse, dennoch kann die Stadt ohne Einsparungen und Mehreinnahmen für das kommende Jahr kein Budget erstellen. Zudem muss die beinahe 60 Jahre alte Kläranlage erneuert werden und Straßen und Plätze müssen dringendst saniert werden.
Mit der Stadt verband sich immer schon die Hoffnung auf ein besseres Leben, wie sie sich auch in der im Mittelalter geltenden Rechtsnorm „Stadtluft macht frei“ ausdrückte.
Kultur als Merkmal für Lebensqualitöt
Ein Merkmal der Lebensqualität einer Stadt ist eindeutig die Kultur. Die DonnerSzenen, Musik und Literatur unter freiem Himmel, luden heuer zum fünften Mal in die Klagenfurter Innenstadt. An acht Donnerstagabenden im Juli und August wurde Gästen ein Kulturprogramm vom Feinsten geboten. Die wunderschönen Innenhöfe der Stadt verwandelten sich zur musikalischen und literarischen Sommerbühne, zu Begegnungen mit Musik und Literatur und Interessierten aus vielen Kärntner Bezirken und Gästen aus dem In- und Ausland. Klagenfurt war schon immer dafür bekannt, nicht den traditionellen Werten des Landes zu folgen. Das prägt die Identität seiner Gesellschaft und stärkt sie.
Bars, Cafes und Kaffeehäuser im Alltag
In den hippen Innenstadtcafés, in den Bars, stehen wir dicht an dicht am Tresen. In aller Eile trinken wir unseren Espresso, machen einen Blick in die zwei bis drei großformatigen Zeitungen Aber zumeist geht es hier gemütlicher zu, nicht wie im Süden jenseits der Grenze, wo die schnellen Espressi (Macchiati) der Treibstoff sind, die Aufputschmittel, die Löhne einer kleinen Pause.
Hier darf auch inne gehalten werden: In einem schönen Kaffeehaus, in einem coolen Buchladen: "Der Ort, wo wir uns trafen, war niemals wirklich in der Zeit, schrieb Christine Lavant in ihrem Gedicht "Wie gut".
Vergleichbares gab es in Österreich noch nicht
Über manche Dinge ärgern wir uns zutiefst: In Havanna haben die ersten Menschen nach einem landesweiten Stromausfall nach drei Tagen wieder Strom. Die Reparaturarbeiten am maroden kubanischen Stromnetz schreiten voran.
In Klagenfurt konnten wir mehrere Wochen kein Leitungswasser trinken. Seit einer Woche kann das Trinkwasser im gesamten Stadtgebiet wieder getrunken werden. "Die Ursache ist nach wie vor unbekannt. Vergleichbares gab es in Österreich noch nicht", schreibt Eva Schrittwieser in der Tageszeitung Die Presse. Nun hat man ein Messkonzept mit 40 Messstellen und einen Detektor, mit dem man binnen 15 Minuten sagen könne, ob Trinkwasser in Ordnung ist oder nicht, hinzu kommen die amtlichen Testungen.
Sollen wir uns an Gert Jonke halten? "Und dieses Theater, das wir wegen diesem Theater gemacht haben." :-) Es ist nicht leicht zu erklären, worin die glückliche, beschwingte Atmosphäre eigentlich besteht, welche das Leben in der Stadt ausmacht. Die wunderschönen Herbsttage am Anfang dieser Woche mögen der Versuch einer Erklärung sein. Aber wer sind die Drahtzieher der Sonnenstrahlen, die Josef Winkler einst erwähnte?
Bon di und noch einen schönen Herbst.
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