Kärnten
Mehr als 800 Kinder leben nicht bei ihren Familien
Im Bundesländervergleich hat Kärnten eine hohe Anzahl an fremduntergebrachten Kindern. Landesrätin Beate Prettner und Kinder- und Jugendanwältin Astrid Liebhauser sprechen mit uns über die außerfamiliäre Betreuung in sozialpädagogischen Einrichtungen und Pflegefamilien.
KÄRNTEN. In einer Aussendung der Stadt Klagenfurt zum kürzlich stattgefundenen Stadtsenat wird unter anderem Universitätsprofessorin Ulrike Loch zum Thema "Fremdunterbringung von Kindern" zitiert. Dort heißt es, dass die Anzahl der Kinder in Fremdunterbringung in Kärnten im Vergleich zu den anderen Bundesländern viel höher ist. Laut der zuständigen Landesrätin Beate Prettner bedarf diese Aussage einer detaillierten Betrachtung: "In der Bundes-Kinder- und Jugendhilfestatistik werden in Kärnten im Rahmen der Vollen Erziehung alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge mitgezählt, da die Obsorge für diese Minderjährigen beim Kinder- und Jugendhilfe-Träger liegt."
Höherer Anteil bei 14- bis 18-Jährigen
In den 41 sozialpädagogischen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe werden mit Stichtag 8. März 543, in 242 Pflegefamilien werden 280 Minderjährige betreut. "Sieht man sich die Unterbringungen nach Altersgruppen an, so wird deutlich, dass Kärnten bei der Unterbringung von Minderjährigen in der Altersgruppe null bis 14 Jahren im unteren Bereich liegt, einen höheren Anteil gibt es bei den 14- bis 18-Jährigen, dies aber auch vor dem Hintergrund, dass in Kärnten auch noch kurz vor Erreichen des 18. Lebensjahres stationäre Unterbringungen von Jugendlichen gewährt werden", so Prettner.
Sicherheit der Kinder
Der Grund für eine außerfamiliäre Unterbringung in sozialpädagogischen Einrichtungen und Pflegefamilien ist, dass keine Sicherstellung des Kindeswohls bei Verbleib des Kindes bzw. der Kinder im Familiensystem mehr gewährleistet werden kann. Das heißt, dass eine adäquate psychische, physische und/oder soziale Entwicklung nicht mehr sicherzustellen ist. Die Ursachen dafür reichen von physischen und psychischen Gewalterfahrungen, Missbrauch, psychischen bzw. psychiatrischen Erkrankungen von Elternteilen, Suchterkrankungen bei Elternteilen bis hin zu Verwahrlosung.
Knapp 58 Millionen Euro
Die Ausgaben für Erziehungshilfen (Unterstützung der Erziehung, Volle Erziehung, Hilfen für junge Erwachsene) betrugen im Jahr 2020 insgesamt 702,3 Millionen Euro (+27,1 Mio. Euro bzw. +4,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Drei Viertel der Ausgaben insgesamt entfielen auf die Volle Erziehung, ein Viertel wurde für Unterstützung der Erziehung ausgegeben (beide jeweils einschließlich der Hilfen für junge Erwachsene). Auf Kärnten entfallen vom Gesamtbetrag laut Statistik Austria 57,8 Millionen Euro.
Präventive Maßnahmen
Prettner: "Mir ist es ganz wichtig, den Familien unterschiedlichste präventive Hilfsangebote zur Verfügung zu stellen, damit sich Probleme nicht derart auswachsen. Wir haben deshalb mehrere neue Projekte umgesetzt – von den so genannten frühen Hilfen über den mobilen Familiencoach bis zu Familienberatungsstellen, therapeutische Angebote, Familienintensivbetreuung etc. Darüber hinaus verfügt Kärnten auch über stationäre Angebote für Familien, wie etwa das Eltern-Kind-Wohnen, das Mutter-Kind-Wohnen oder Clearingstellen für Familien."
Öffnung des Systems
Auch Kärntens Kinder- und Jugendanwältin Astrid Liebhauser betont in diesem Zusammenhang: "Wir haben aus der wissenschaftlichen Aufarbeitung der ,Wurst-Ära' – nachzulesen in der Publikation ,Im Namen von Wissenschaft und Kindeswohl' von Ulrike Loch et.al., 2021 – unter anderem gelernt, dass externe Kontrolle und die Öffnung der Systeme unabdingbar sind, um jede Form von Gewalt zum einen zu verhindern und zum anderen so früh wie möglich zu stoppen."
Sprechstunden der Anwältin
Liebhauser weiter: "Daher steht die Kinder- und Jugendanwaltschaft seit 2021 als ,kinderanwaltliche Vertrauensperson‘ allen Kindern und Jugendlichen, die in sozialpädagogischen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe leben, mit Sprechstunden zur Verfügung. Diese Sprechstunden werden sehr gut angenommen. Keines dieser Kinder oder Jugendlichen soll in zehn oder 20 Jahren mehr sagen müssen, dass niemand da war, der ihm oder ihr geglaubt hätte, wenn sie über Probleme reden wollten."
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