Offene Arztstellen
Heftige Jennersdorf-Kritik an ärztlicher Versorgung (+ Umfrage)
Menschen aus Jennersdorf, die einen Termin bei einem Allgemeinmediziner brauchen, benötigen derzeit viel Geduld. Denn von den drei Kassenarztstellen ist nur jene von Gerhard Hirschlehner in Betrieb, die anderen zwei sind unbesetzt. Wolfgang Gangl ist im Herbst verstorben, und Rosa Rogenhofer tritt ihren Dienst in der seit vier Jahren nicht nachbesetzten dritten Kassenstelle erst im April an.
Weite Wege
"Unsere Leute müssen nach Unterlamm, Fehring, Mogersdorf, Minihof-Liebau oder Neuhaus am Klausenbach fahren, um einen praktischen Arzt zu finden", schildert Bürgermeister Reinhard Deutsch, dem nun der Kragen platzt. "Das System der ärztlichen Versorgung funktioniert nicht mehr. Ärztekammer, Gesundheitskasse, Bundesregierung und Universitäten erfüllen ihre Aufgaben nicht. Die Bürger, die mit ihren Beiträgen das System erhalten, werden nicht ernst genommen."
JES gegen "Apothekenmonopol"
Die Bürgerliste JES, der Deutsch angehört, hat mehrere Forderungen an die Politik. "Mehr Ausbildungsplätze an den Universitäten statt den derzeit 1.700 pro Jahr, eine österreichweite Angleichung der Kassentarife für Ärzte und ein Ende des Apothekenmonopols", formuliert JES-Gesundheitssprecher Josef Hochwarter. Potenzielle Interessenten für eine Arztstelle Jennersdorf winken ab, weil keine ärztliche Hausapotheke für sie genehmigt werde, berichtet Deutsch. Obendrein gebe es im Burgenland seitens der Gesundheitskasse "die schlechtesten Ärztetarife".
Die Gemeinden kostet es
Dass die Gemeinden finanziell in die Bresche springen müssen, ärgert Deutsch zutiefst. "Die Förderung der Ansiedlung von Allgemein- und Zahnärzten im Laufe der letzten und der kommenden Jahre kostet uns mehrere 100.000 Euro. Es kann nicht sein, dass die Gemeinden Geld in die Hand nehmen müssen, um ein fehlerhaftes System zu unterstützen."
Auch fachärztlich gibt es in Jennersdorf Lücken. Eine Frauenarztpraxis fehlt seit über sieben Jahren, eine Kinderarztpraxis seit fast fünf Jahren.
Ausschreibung soll bald erfolgen
Die offene Allgemeinmedizin-Stelle von Wolfgang Gangl sei noch nicht ausgeschrieben, was aber so bald wie möglich passieren soll, sagt Ärztekammerdirektor Thomas Bauer. Der Antrag bei der Gesundheitskasse sei bereits eingebracht, man warte auf Erledigung. "Ziel sind für Jennersdorf weiterhin drei Vertragsärzte", betont Bauer.
Keine Bewerber
Was die Gynäkologie-Kassenstelle betrifft, gibt er sich keinen Illusionen hin. "Wir können derzeit nicht einmal Oberwart und Großpetersdorf besetzen. Es gibt einfach keine Bewerber, nicht einmal unverbindliches Interesse", berichtet Bauer. Auch er verweist darauf, dass die Honorare für Kassenärzte im Burgenland zu niedrig seien.
Sechster Anlauf in Güssing
Die Kassenstelle von Allgemeinmediziner Klaus Wehle in Güssing, der Ende des Jahres in Pension gegangen ist, wurde zuletzt zum sechsten Mal ausgeschrieben. Fünf Anläufe blieben ohne Resultat. "Stellen mit Hausapotheken sind leichter zu besetzen als Stellen ohne", sagt Bauer.
In Jennersdorf ist jedenfalls wieder die von der Gemeinde eingesetzte Medizin-Arbeitsgruppe in Aktion, der nach eineinhalbjähriger Tätigkeit zuletzt das Engagement von Rosa Rogenhofer gelungen ist.
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