Ärztemangel
"Die Not ist noch nicht groß, aber sie wird größer"
In den Bezirken Eferding und Grieskirchen sind derzeit alle Facharztstellen besetzt. Und mit Hartkirchen gibt es lediglich eine unbesetzte Hausarztpraxis. Eferdings Bezirksärztesprecherin Nesihe Sardest fordert eine Neuorganisation des Gesundheitssystems und die Menschen dazu auf, mehr Eigenverantwortung für ihre Gesundheit zu übernehmen.
BEZIRKE EFERDING, GRIESKIRCHEN. Die Ärztekammer für Oberösterreich warf im Rahmen einer Pressekonferenz am 7. November einen düsteren Blick in die Zukunft. Laut Präsident Peter Niedermoser steigt die Zahl der unbesetzten Kassenstellen österreichweit massiv an. Bundesweit sind alleine über 100 Hausarzt-Praxen unbesetzt, in Oberösterreich sind es inklusive aller Fachrichtungen aktuell insgesamt 55.
Nur eine Stelle offen
In den Bezirken Eferding und Grieskirchen sind derzeit alle Facharztstellen besetzt. Und mit Hartkirchen gibt es lediglich eine unbesetzte Hausarztpraxis. „Wir brauchen für die Region Aschach und Hartkirchen auf alle Fälle noch eine dritte Kassenstelle“, betont Hartkirchens Bürgermeister Wolfram Moshammer. Für ihn hat sich die ärztliche Versorgung in der Region verbessert, ist aber noch nicht zufriedenstellend. „Bis die Stellen in Aschach und Eferding nachbesetzt waren, mussten die Ärzte in den Gemeinden rundum viel abfangen“, ist Moshammer dankbar für den Einsatz. „Eine Entlastung der derzeitige Ärzte zu schaffen ist wichtig. Wir werden bestimmt Lösungen finden, um einen weiteren Gemeindearzt finanziell zu unterstützen“, unterstreicht Hartkirchens Bürgermeister, wie wichtig der Gemeinde die Besetzung einer weiteren Hausarztstelle ist. Laut Auskunft von Bezirksärztevertreterin Nesihe Sardest wurde diese Stelle inzwischen auf zwei Ärzte in Aschach an der Donau beziehungsweise Eferding aufgeteilt. Was bedeutet, dass wie schon in der Vergangenheit niedergelassene Hausärzte durch Mehrarbeit die Versorgung sicherstellen. Eine Anfrage bei der Gesundheitskasse bestätigt, dass die zweite Vertragsstelle in Hartkirchen für eine alternative Lösung reserviert ist, Details wurden nicht bekanntgegeben.
Pensionierungswelle
Für Engelbert Schamberger, langjähriger Bezirksärztevertreter für Grieskirchen, ist „die Not noch nicht groß, aber sie wird größer werden.“ Laut Ärztekammer verschärft sich der Ärztemangel aufgrund der Altersverteilung und des Altersschnitts der heimischen Ärzteschaft. Hier ist mit einer großen Pensionierungswelle in den nächsten Jahren zu rechnen. Auch das trifft auf die Bezirke aktuell nicht zu. Im Oberösterreich-Vergleich sind mit insgesamt acht Personen im Bezirk Eferding die wenigsten Ärzte, die älter als 55 Jahre alt sind, im Einsatz. Im Bezirk Grieskirchen haben derzeit 22 Ärzte diese Altersgrenze überschritten.
Lange Wartezeiten
Laut Schamberger liegt der psychiatrische Bereich - und hier vor allem die Kinderpsychiatrie - mit Wartezeiten von bis zu vier Monaten im Argen. Termine für eine urologische Abklärung werden teilweise erst für Mai 2023 vergeben. „Im Moment ist es eine Mangelverwaltung. Das System funktioniert durch Kollegen, die sich bereiterklären, mehr Patienten und Dienste zu übernehmen.“
System neu organisieren
Laut Nesihe Sardest, Allgemeinmedizinerin in Eferding und gewählte Bezirksärztevertreterin, herrscht im Moment kein Ärztemangel. „Aber wir haben einige Probleme, über die man sprechen könnte. Etwa darüber, wie man das Gesundheitssystem anders organisiert. Und dass die Eigenverantwortung der Menschen ihrer eigenen Gesundheit gegenüber steigen muss.“ Als Herausforderung nennt Sardest auch die steigende Zahl chronisch Kranker. „Die Menschen werden älter und brauchen mehr Versorgung“, so ein weiterer Aspekt.
Mehr Wertschätzung
Die Allgemeinmedizinerin wünscht sich mehr Wertschätzung seitens der Patienten für die Leistungen, die sie erhalten. Einerseits durch die Ärzte, die bis an ihr Limit die Versorgung aufrecht erhalten. Aber auch gegenüber den Krankenkassen, die zum großen Teil die hohen Kosten der Medikamente tragen. „Man nimmt den Menschen komplett die Verantwortung ab, sich um ihre Gesundheit zu kümmern. Und wenn alles gratis ist, wird es nicht geschätzt, was man bekommt. Und man beschäftigt sich auch nicht damit“ ,so Nesihe Sardest. Sie ist überzeugt: „Wenn jemand bei uns krank wird, hat der die beste Versorgung. Ich traue mich sogar zu sagen: weltweit.“
Neues Schulfach
Sardest wünscht sich ein Schulfach ab der Volksschule, das das Bewusstsein für gute Ernährung, Bewegung und seinen eigenen Körper schärft. „Es gibt so viele Informationen, aber niemand interessiert sich dafür“, klagt die Allgemeinmedizinerin. Dabei ist Prävention nicht zwingend mit hohen Kosten verbunden. „Laufen gehen kostet nichts. Wer in hochwertiges Essen investiert, tut seiner Gesundheit Gutes und spart mögliche spätere Folgekosten.“
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