Onkologie
40 Prozent der Krebserkrankungen durch Prävention vermeidbar

- Vortragender Philipp Jost, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Med Uni Graz, mit Moderatorin Martina Kohrgruber
- Foto: C. Pendl
- hochgeladen von Christian Pendl
Die Zeiten, in denen Krebstherapien hauptsächlich auf Chemo- und Strahlentherapie basierten, gehören endgültig der Vergangenheit an. Zu groß sind die Innovationen und Behandlungserfolge durch die personalisierte Onkologie der vergangenen Jahre, in welcher auch Immuntherapie und molekulare Tumortherapie sowie die individuelle Genetik eine entscheidende Rolle spielen. Schon im Jahr 2018 lebten allein in Europa zwölf Millionen Menschen als "Langzeitüberlebende" nach einer Krebsdiagnose. Im Bereich der Prävention bringt auch diese Statistik neue Dynamik: 40 Prozent aller Tumorerkrankungen wären durch gesunde Ernährung, Bewegung und Nikotinverzicht vermeidbar.
GRAZ. Noch deutlicher formuliert es Philipp Jost, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie, im Rahmen des vergangenen MeinMed-Abends "Moderne Onkologie - Wohin geht die Reise?" an der Med Uni Graz:
"Die Krebstherapie durchläuft gerade eine Revolution. Es gibt jetzt Möglichkeiten, die wir vor wenigen Jahren noch nicht hatten."
Personalisierte Onkologie lautet die Devise. Das Konzept der molekularen Tumortherapie zielt mittels molekularer Analytik auf eine individualisierte Therapie mit zielgerichteten Medikamenten ab. Die Immuntherapie bezeichnet Jost als eine der Haupt-Innovationen der letzten Jahre, welche bei einigen Krebsarten gute Erfolge zeigt. In der Entwicklung beziehungsweise in Testphasen befinden sich auch verschiedene Impfungen zur immunologischen Bekämpfung eines Tumors.
Das Verhältnis zwischen gesundem Gewebe und Krebszellen beschreibt der Onkologe mit folgendem Vergleich:
"Das gesunde Gewebe ist vergleichbar mit einem wunderschönen Symphonie-Orchester, in dem alle genau wissen was zu tun ist und präzise, koordiniert und moderat agieren. Im Vergleich dazu verhält sich ein Tumor im gesunden Gewebe unkoordiniert, monoton, unabhängig und wie ein lautes Rock-Konzert inmitten des Symphonie-Orchesters." (Philipp Jost, Leiter der Klinischen Abteilung für Onkologie an der Med Uni Graz)
Das Fachgebiet der Soliden Onkologie, zu welcher die meisten Krebsarten zählen – ausgenommen etwa Blutkrebs, der dem Fachbereich der Hämatologie zuzuordnen ist – ist somit einerseits beflügelt durch Behandlungserfolge, andererseits steigen die Zahlen bei Krebsdiagnosen stetig. "Die Ursachen dafür sind vor allem die gestiegene Lebenserwartung sowie Umweltgifte", verweist Jost auf Zahlen der WHO. Allein die Zahl der besprochenen Fälle pro Woche des Molekularen Tumorboards an der Grazer Onkologie ist innerhalb von zehn Jahren um 270 Prozent gestiegen. In den Besprechungen des Tumorboards treffen sich die Fachbereiche der Onkologie zweimal wöchentlich, um einzelne Fälle zu diskutieren und gemeinsam Lösungen zu finden sowie neueste Erkenntnisse zu teilen. Dieser Austausch werde laut Jost immer wichtiger, denn die hohe Studienaktivität weltweit führt zu zahlreichen neuen Medikamenten. Pro Monat werden von der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) zwei neue Krebsmedikamente zugelassen, und für diese Zunahme an Komplexität der Medikation brauche es Expert:innen, die sich mit den Änderungen beschäftigen, sowie das entsprechende Fachwissen über den richtigen Einsatz.
Prävention ist das Allerwichtigste
Dabei könnten dieser enorme Aufwand und die extrem hohen Kosten für unser Gesundheitssystem deutlich geringer sein, denn 40 Prozent aller Tumorerkrankungen gelten als vermeidbar: Gesunde Ernährung, Bewegung und Verzicht auf Rauchen sind dabei die Schlüssel zur Krebsprävention.
"Prävention ist das Allerwichtigste. Scheinbar ist das nicht so klar in der Bevölkerung",
unterstreicht der Onkologe diese weithin noch immer unterschätzten Möglichkeiten, und weist dabei auch darauf hin, dass sich ein verstärkter Fokus auf Gesundheitsförderung langfristig bezahlt machen würde:
"Prävention zeigt sich in Hinblick auf Krebserkrankungen eher zeitverzögert nach einigen Jahren und Jahrzehnten."
Die Inzidenz für Krebs ist Forschungsergebnissen zufolge am stärksten mit der Ernährung assoziiert. Vor allem hoher Fleischkonsum von Säugetieren zeige sich demnach nachteilig. Dennoch verweist Jost darauf, die Sache nicht "schwarz-weiß" zu sehen und Fleisch nicht grundsätzlich meiden zu müssen. Eine gesunde Ernährung mit einem hohen Anteil an pflanzlichen Lebensmitteln gehe aber mit einem geringeren Krebsrisiko einher. In Zusammenhang mit Magenkrebs sei außerdem der Konsum von gepökeltem Fisch zu vermeiden, da dieser die Entstehung von Magenkrebs fördere. Von Fasten während der Krebserkrankung sowie "Aushungern des Tumors" rät der Experte ab:
"Fasten während einer Krebstherapie und der Versuch, den Tumor auszuhungern, schwächt eher die Patienten, nicht den Tumor. Bei Chemotherapien braucht der Körper Kraft."
Bewegung unterstützt die Genesung
Bei bestehender Krebserkrankung zeigen sich außerdem deutliche positive Wirkungen durch körperliche Bewegung. Hier verweist der Onkologe auf Studienergebnisse, welche sehr gute Erfolge bei Krebspatienten aufweisen, die während der Krebstherapie Bewegungsinterventionen absolvierten – im Vergleich zu Patienten ohne Bewegungstherapie.
MeinMed - praxisorientiertes Medizinwissen
MeinMed veranstaltet Österreichs größte Gesundheitsvortragsreihe, mit Fokus auf praxisorientierte Themen, die von ehrenamtlich vortragenden Fachärztinnen und Fachärzten präsentiert werden – und das kostenlos für alle medizinisch Interessierten. Möglich macht dies die Zusammenarbeit mit zahlreichen Gesundheits- und Forschungseinrichtungen, wie etwa der Med Uni Graz, Med Uni Wien, dem Gesundheitsfonds Steiermark, dem Universitären Krebszentrum Graz, der Österreichischen Krebshilfe Steiermark, der Regionalmedien Austria oder der Österreichischen Gesundheitskasse.
Weiterführende Informationen:
- MeinMed - Medizinwissen für Österreich
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