Die Juden in Gänserndorf

- Ida Olga Höfler ist die Seele und das Gedächtnis des jüdischen Friedhofes.
- hochgeladen von Karina Seidl-Deubner
Friedhof zeugt von wechselvoller Geschichte der Kultusgemeinde
Der jüdische Friedhof in Gänserndorf entführt in die lebendige Geschichte.
GÄNSERNDORF. Ida Olga Höfler, Trägerin der Torberg-Medaillie und des Ehrenringes der Stadtgemeinde Gänserndorfs, führt bereits seit zwölf Jahren durch die jüdischen Friedhöfe des Weinviertels.
1998 erinnerte sich die Gemeinde an den Friedhof vor den Toren der Stadt. Gemeinsam mit der heutigen Stadträtin Christine Beck und der Jungen ÖVP wurde das völlig überwucherte Gelände wieder zugänglich gemacht, die Grabsteine geputzt und so mancher aus der Erde wieder ausgebraben und restauriert. 150 Grabsteine gelten nach wie vor als verschwunden. Zum Teil findet man sie „recykelt“ auf katholischen Friedhöfen wieder.
Die jüdische Gemeinde Gänserndorfs war aktiv und lebendig in das Stadtleben eingebunden. Zahlreiche honorige Persönlichkeiten fanden am Friedhof ihre letzte Ruhestätte. Viele unterschiedliche Lebensgeschichte und Schicksale verbergen sich hinter den Grabsteinen. So findet man hier die Wurzeln des nach Uruguay emigrierten Fred Heller, der als Schriftsteller am Akademietheater arbeitete. Oder die Spuren der Familie Freundlich, dereinst Pächter der Bahnhofsrestauration. Ihr Sohn Jakob gründete 1922 mit Karl Renner die Arbeiterbank, später BAWAG. Am Bahnhof erinnert eine Tafel an Egon Schiele, dessen Vater Carl Ludwig als Pionier den Ausbau der Nordbahn vorantrieb. Aber auch einfache, tragische Figuren findet man hier, sowie den 22-jährigen Kriegsgefangenen Moldawier, der während des 1. Weltkrieges zur Zwangsarbeit nach Angern verschleppt wurde.
Einen Wunsch äußerte Ida Olga Höfler, die ihr umfassendes Wissen derzeit in Buchform bringt. „Ich bin auf der Suche nach Bildmaterial vor 1938. Das können Fotos von Häuser, Vereinen, Festen, Familien, usw. sein.“
Karina Seidl
ZUR SACHE
Juden im Weinviertel
Durch das josephinische Toleranzpatent von 1782 ist es Juden möglich auch am Land anzusiedeln. 1848 kommen die ersten Juden nach Hohenau und Gänserndorf. Durch den Ausbau der Nordbahn strömen vor allem galizische Juden in das Weinviertel. 1866 bitten die Gänserndorfer Juden die Wiener Kultusgemeinde um eine Tora-Rolle, die benötigt wird Gottesdienste abzuhalten. 1884 vereinen sich die Glaubensbrüder und -schwestern zu einem Ninjan-Verein, der noch im selben Jahr das Gründstück für den Friedhof erwirbt. Fünf Jahre darauf folgt die Einrichtung eines Bethauses in der Bahnstraße 60, das für 125 Personen Platz bietet. 1907 wird Gänserndorf Sitz einer eigenen Kultusgemeinde, neben den bestehenden in Mistelbach, Hollabrunn, Stockerau und Groß-Enzersdorf. Am 30. September 1938 bricht die jüdische Geschichte Gänserndorfs abrupt ab. Alle nö. Juden werden im Palais Rothschild zusammengefasst und registriert.
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