FFP2-Maskenskandal
Verdacht der Steuerhinterziehung bei Hygiene Austria
Der Firma Palmers und Hygiene Austria wird laut Onlineausgabe des "Standard" "fortgesetzte Steuerhinterziehung in großem Ausmaß unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege" vorgeworfen. Es soll um 693.000 Euro an Zoll und Einfuhrumsatzsteuer gehen, die hinterzogen wurden. Die beiden Firmen weisen die Vorwürfe zurück.
ÖSTERREICH. Erst im letzten Jahr gab es schwere Vorwürfe rund um die FFP2-Maskenproduktion von Hygiene Austria, als öffentlich wurde, dass die Masken gar nicht in Österreich produziert würden. 37 Millionen FFP2-Masken wurden von der Firma Hygiene Austria – eine Tochterfirma von Lenzing und Palmers – für rund 700.000 Euro aus China importiert. Lenzing verkaufte seine 50,1 Prozent Anteile an der Firma im April 2021 als erste Unregelmäßigkeiten ans Licht kamen. Lenzing gestand "Fehler" bei der Umsetzung des Maskenprojekts gemacht zu haben, das mit dem Slogan "Made in Austria" warb.
Um Nachfrage abzudecken
Laut Standard gab es einen ersten Verdacht der Ermittler, wie Palmers die Masken nach Österreich transportiert haben könnte. Ende Jänner 2021 verhängte die Regierung eine FFP2-Masken-Tragepflicht in vielen Bereichen. Die Nachfrage war damals wohl so stark gestiegen, dass das Unternehmen mit der Eigenproduktion scheinbar nicht mehr nachkam.
Um die "Produktionsspitzen" abzudecken, wurden in China produzierte Masken zugekauft und unter die österreichische Ware gemischt, wie die Hygiene Austria gestand. Ungefähr acht Millionen solcher Masken wurden unter dem Slogan "Made in Austria" verkauft.
40 Prozent höherer Warenwert
Der Standard beruft sich auf Ermittler, dass mehr als 37 Millionen FFP2-Masken nach ihrer Fertigung in Xiamen in Südostchina über eine international operierende Speditionsfirma und Flugzeuge der Lufthansa-Gruppe zunächst nach Frankfurt geliefert worden sein sollen. Dieselbe Firma habe sich auch "in Vertretung" der Palmers Germany dort um die Zollabfertigung gekümmert.
Die "künstlich niedrig gehaltenen chinesischen Ausgangsrechnungen" hätten dann die Zollabgaben erheblich gesenkt, lautet der Vorwurf in einem Durchsuchungsbefehl für eine Durchsuchung am 29. September des Vorjahres bei Hygiene Austria und in Verbindung stehenden Unternehmen. Die Ermittler nehmen an, dass der Warenwert um 40 Prozent höher war als angegeben. Deshalb hätte es eine zweite Razzia gegeben, deren Grund bislang unbekannt war.
Luca Wieser im Fokus der Ermittlungen
Vermerkt wurde wohl ein Zollwert von neun Millionen Euro, wofür rund 564.700 Euro Zoll und rund zwei Mio. Euro Einfuhrumsatzsteuer bezahlt worden seien. Insgesamt 46 Einfuhren aus China nach Frankfurt zählten die Ermittler. Bezüglich der Steuerhinterziehung steht laut Standard Luca Wieser im Fokus der Ermittlungen. Er soll die Unterfakturierung als Vorstandsvorsitzender der Palmers Textil AG in Österreich veranlasst und die zollrechtliche Abwicklung durch die Speditionsfirma im Namen der Palmers Germany „in direkten Verhandlungen“ vereinbart zu haben.
In den Akten wird festgehalten:
"Dementsprechend erfolgte eine Rechnungsstellung gegenüber Palmers Germany, wenngleich die Zahlungen auf diese Rechnungsbeträge offenbar durch Angehörige der Firma Palmers AG in Österreich und vom dortigen Firmensitz aus, aber auf dem Briefkopf der Palmers Germany erfolgten."
Gemeinsame Sache
Für die beiden Wieser-Brüder gilt die Unschuldsvermutung, Ermittler gehen aber davon aus, dass sie gemeinsam gehandelt haben könnten. Der Hygiene Austria-Geschäftsführer Tino Wieser war verantwortlich für den Einkauf der chinesischen Masken. Das decke sich auch mit Aussagen eines Zeugen der Firma Lenzing. Palmers habe über die Kontakte nach China verfügt, wie es im Bericht heißt.
Die Ermittler vermuten, dass der Leiter der Palmers-Niederlassung in Hongkong, Jackson L. – für ihn gilt ebenfalls die Unschuldsvermutung –, über die mutmaßlich gefälschten Belege Bescheid wusste. Er könnte sie sogar an das Speditionsunternehmen "zur Bewirkung der Verzollungsformalitäten" weitergegeben haben.
"Keine Hinterziehung von Zollangaben"
Palmers weist die Vorwürfe zurück: "Es gab keine Hinterziehung von Zollabgaben und keine künstlich niedrig gehaltenen Ausgangsrechnungen aus China", zitiert Der Standard eine Stellungnahme des Unternehmens. "Alle Lieferungen wurden korrekt verzollt – und zwar mit dem tatsächlichen Wert der Masken."
Mit dem Transport und der Verzollung habe man ein renommiertes Luftfracht- und Speditionsunternehmen Europas beauftragt. All Steuern und Abgaben seien fristgerecht " durch dieses Unternehmen veranschlagt und auch abgeführt" worden. Und weiter: "Alle Abgaben und Steuern wurden korrekt bezahlt. Alle relevanten Unterlagen, Originalrechnungen, behördlich zertifizierte Ausfuhrbescheinigungen und Bestätigungen, wurden den Behörden vorgelegt."
Hygiene Austria weist Vorwürfe zurück
Die Hygiene Austria weist die Vorwürfe ebenso zurück. Dass die Masken einen um 40 Prozent höheren Warenwert gehabt haben sollen, bezeichne man als "marktfremd". "Hier wird der Stückpreis für 10.000 Stück mit dem Stückpreis für 37.000.000 Stück gleichgesetzt", heißt es in einer Stellungnahme an den Standard. "Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Stückpreise bei derart unterschiedlichen Mengen stark abweichen. Alle Abgaben und Steuern wurden korrekt bezahlt."
Dass die Masken über Frankfurt anstatt direkt nach Österreich gebracht wurden, wird vom Hersteller so argumentiert, dass der direkte Transport aus China damals "um das Vierfache teurer gewesen" wäre.
Frage nach möglichen teilhabenden Firmen
Von der zuständigen Europäischen Staatsanwaltschaft (EUStA) hört man zu den laufenden Ermittlungen laut Standard nichts, da diese „und ihre Ergebnisse nicht gefährdet werden“. 22 EU-Staaten sind Teil der EUStA. Sie gehen gegen Großkriminalität zulasten des EU-Haushalts vor. Zölle sind EU-Sache.
Man vermutet, dass, so der Standard, noch weitere Firmen in den Ablauf eingebunden gewesen sein könnten. Dafür gab es nach der ersten Razzia bei Hygiene Austria bereits Indizien. Eine bulgarische Firma und eine Stiftung in Liechtenstein stehen im Raum. Beide Gesellschaften sollen bereits im Oktober 2020 an Einkauf und Lieferung von FFP2-Masken aus China über Deutschland nach Österreich beteiligt gewesen sein – "mit dem Ziel einer Umsatzsteuerverkürzung durch angebliche innergemeinschaftliche Lieferung". Und das so, dass "die Masken aus China stammen, die weiterverkaufende Firma den Sitz in Bulgarien hat, die Masken in Deutschland gelagert wurden, der Rechnungsempfänger in Liechtenstein sitzt", bevor die Ware schließlich nach Österreich geliefert wurde.
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