"Arbeit macht nicht krank"
Diskussion zu KI, Vier-Tage-Woche &Co
Im Rahmen der Kommunalen Sommergespräche 2023 im Bad Aussee diskutierten Expertinnen und Experten unter dem Titel "Gekommen, um zu bleiben. Personalmanagement 2.0" auch über Arbeit der Zukunft. Beim Thema rund um die Vier-Tage-Woche ging es dabei heiß her.
ÖSTERREICH. Fair-Job-Richtlinie im Tourismus als Vorlage für öffentliche Verwaltung? Sind Strategien wie Vier-Tage-Woche, umfangreiche Weiterbildungsmöglichkeiten, kostenloses Essen, das Bereitstellen der Dienstkleidung oder auch die Betreuung der Kinder während der Ferienzeit ein Muss? Darüber diskutierten am Panel unter der Leitung von Maria Jelenko-Benedikt, Chefredakteurin RegionalMedien Austria, Franziska Cecon, Professorin Public Management, FH Oberösterreich, Martin Gaedt, Autor (zuletzt „4-Tage-Woche“), Walter Oblin, Generaldirektor-Stv. Post AG, Manuel Uguet, Geschäftsführer Parkhotel Brunauer, Stadt Salzburg Fair Job Hotel, der seit Mai 2022 die Vier-Tage-Woche bei 36 Stunden eingeführt hat.
"4-Tage-Woche für die Pflege? Machbar!"
Für Gaedt ist die Vier-Tage-Woche für alle Branchen umsetzbar, sogar in der Pflege, wie er nach einer Analyse von über 100 Betrieben feststellte. Der Begriff "Flexit" besage, dass die Menschen fluchtartig den Beruf der Pflege verlassen, auch in Österreich. Würde man drei Tage garantierte Arbeit und drei Tage Freizeit anbieten, würde man die Menschen wieder in die Pflege bringen. Zudem seien die Menschen gesünder, die nur drei Tage arbeiten. "Pflegekräfte haben auch in Österreich die größten Fehlzeiten aller Berufe", so Gaedt.
Für Walter Oblin würde nur bei gleicher Gesamtarbeitszeit und gleichem Gehalt das Konzept funktionieren. Jedoch: "Wenn wir das auf das Gesamtsystem umlegen und generell auf 32 Stunden gehen, dann fehlen uns diese Stunden insgesamt." Lege man fünf Tage auf vier um, sei die tägliche Zeit, die etwa ein Postzusteller allein für die Strecke, die er zu Fuß zurücklegen müsse, nicht zumutbar. Auch die Vier-Tage-Woche in der Schule kann sich Oblin nicht vorstellen. Es brauche also "eine differenzierte Diskussion" mit Unterscheidung der verschiedenen Berufe. Oblin: "Das über alle Berufe zu scheren, funktioniert nicht!"
Wie Hotelier 4-Tage-Woche umsetzte
Uguet, der rund 50 MitarbeiterInnen führt, kann nur Positives von der Vier-Tage-Woche in seinem Betrieb berichten, die er im Mai 2022 eingeführt hat. Dieses Konzept sei auch in Schichtbetrieben umsetzbar, aber es bedürfe viel Vorbereitung bei der Belegschaft: "Wir haben geschaut, wo wir Leerläufe und Überlappungen haben", erzählt der Hotelier. Auch wurde überprüft, was die MitarbeiterInnen in Überlappungszeiten machen können, etwa statt an der Rezeption zu sitzen, das Frühstücks- oder Reinigungspersonal zu unterstützen. Krankheitstage seien damit zurückgegangen, bei gleichzeitiger Steigerung der Mitarbeiter- und Gästezufriedenheit. Auch die Fluktuation sei drastisch gesunken. Jeder einzelne Mitarbeiter wurde in das Konzept einbezogen. Doch glaubt er nicht, das dies das alleinige Rezept sei.
Auch für Cecon ist Differenzierung in dem Bereich wichtig, schließlich seien Organisationen und Menschen sehr unterschiedlich. Ich muss als Arbeitgeber und Gemeinde attraktiv sein. Da braucht es einen Blumenstrauß an Maßnahmen, wie man sich attraktiv macht. Die Frage ist auch, wie man einsteigt und sich das Arbeitsklima entwickelt. Laut Bleibestudie 2023 zählen zu den wichtigsten Faktoren, warum MitarbeiterInnen in Unternehmen bleiben bzw dieses weiterempfehlen an erster Stelle das Arbeitsklima, gefolgt von Vereinbarkeit von Familieund Beruf sowie die Beziehung mit dem Vorgesetzten. Bei der Vier-Tage-Woche müsse man MitarbeiterInnen auf jeden Fall mitreden lassen und das Prozessmanagement optimieren, bestätigt auch Cecon.
"Arbeit macht nicht krank"
Bei der Post gebe es eine sehr gute Homeoffice-Politik, die sehr gut bei den Mitarbeiterinnen ankomme. Man habe sich intensiv mit der Unternehmenskultur bei der Post beschäftigt. Man habe vier wichtige Unternehmenswerte definiert: Leistung – das liege in der DNA der Post, Freude, Sinnstiftung, sowie Miteinander und Wertschätzung. Man habe im gesamten Unternehmen das Du-Wort eingeführt, auch auf Managementebene, um das Miteinander zu stärken. Oblin stellte insgesamt fest: "Arbeit macht nicht krank. Dafür sind die ArbeitgeberInnen aufgerufen, das Umfeld dementsprechend zu gestalten." Was die Vier-Tage-Woche angeht, müsse man die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs aufrecht erhalten, um am internationalen Markt erfolgreich zu sein, so Oblin.
Anerkennung und Wertschätzung
Gaedt wollte noch einmal auf die Arbeitszeiten in Bezug auf Krankenstände zurückkommen. Er beharrte darauf, dass es statistisch belegt sei, dass die Krankenstände sich durch verkürzte Arbeitszeiten reduziert hätten. Auch dann sei der Krankenstand niedrig, wenn Arbeit sinnvoll erlebt werde. Darum müsse man pro Unternehmen hinschauen. Cecon hielt dazu fest, dass, wenn zu wenig Anerkennung und Wertschätzung im Unternehmen bestehen, die Krankenstände steigen würden. Dazu kommen Leistungsdruck, und schließlich die Arbeitsbedingungen. Man habe mit einer Fachhochschule eine Gemeindestudie durchgeführt, laut der sich zwei Drittel der Befragten in den letzten fünf Jahren stärker belastet fühlen und auch die Überstunden zugenommen haben. Auch hätten sich Burn-out-Fälle gesteigert.
Was Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeht, müsse man flexibel ein, um MitarbeiterInnen entgegen zu kommen. Vereinbarkeit betreffe laut Gemeindestudie auch das Thema Homeoffice, wobei viele MitarbeiterInnen in letzter Zeit wieder gerne vermehrt ins Büro gehen. Man müsse die MitarbeiterInnen dazu ermuntern, gut mit sich selbst umzugehen, so die Expertin.
Zum Thema Wertschätzung erzählte Gaedt, dass, schreibe man in Stelleninseraten Gewinnspiele mit Gewinnen aus, die der Zielgruppe entgegenkommen, man damit rechnen könne, dass sich die Bewerbungen in kurzer Zeit potenzieren. Das habe mit Wertschätzung zu tun, weil man sich dabei mit den Wünschen der MitarbeiterInnen beschäftige. Auch garantierte Fortbildungsangebote würden die Fluktuation steigern, meinte der Autor.
Inwiefern wird Künstliche Intelligenz Arbeit ersetzen?
Zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) meinte Oblin, dass die Post beim Digitalisieren, Verarbeiten und Klassifizieren von Poststücken entsprechende Dienstleistungen für große Unternehmen anbiete, wie etwa für eine große Versicherung. Wenn Kunden eine Arztrechnung für Rückvergütungen einreichen, könne diese Rechnung mithilfe von KI ausgelesen und klassifiziert. Auch beim Thema Kundenservice komme KI seit Jahren zum Einsatz, etwa bei Paketverlusten. Der Einsatz von Drohnen für die Zustellung sieht Oblin nicht als geeignet: "Bei einer Million Pakten in der Weihnachtszeit wäre der Himmel schwarz!" Andere Chancen sieht er bei der selbstfahrenden Zustellung. Das könne künftig auch eine der Antworten auf den Arbeitskräftemangel sein.
Im Hotelbereich werde KI in der Preisgestaltung angewandt, wo ein Algorithmus berechne, zu welchem Tag in der Woche der richtige Preis anzubieten sei, meint Uguet, der auch Erfahrungen bei der Gästebewertung gemacht hat: Der Hotelier lässt einen Chatbot Bewertungen beantworten – was nicht heiße, dass er sich nicht mit den Feedbacks beschäftige. KI könne auch bei Nachhaltigkeit helfen. Uguet: "Da werden in Küchen Kameras aufgestellt, die Speisereste erkennen können,. Was schneidet die Küchenhilfe weg? Die KI gibt dann Empfehlungen ab, wie man anders mit Essensresten umgeht. Prinzipiell glaubt Uguet, dass gerade in der Gastronomie der Mensch im Service wichtig sei, weil der Kontakt mit ein Grund für Gäste sei, essen zu gehen. Bei einem deutschen Autobauer stehe der weltweit größte Thermomix in der Kantine, über den sich die Gäste unter 800 Gerichten ihr Essen auswählen können, und der ihnen das Mittagsmenü auch zubereite.
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