Aliquotierung als "Pensionsraub"
SPÖ und FPÖ wegen Pensionen vor VfGH
SPÖ und FPÖ haben sich auf eine gemeinsame Verfassungsbeschwerde gegen die Pensionsaliquotierung verständigt. Diese Regelung stelle eine lebenslange Pensionskürzung dar, schreiben die Sozialsprecher Josef Muchitsch (SPÖ) und Dagmar Belakowitsch (FPÖ) in einer gemeinsamen Stellungnahme.
ÖSTERREICH. Wie die Austria Presse Agentur (APA) am Dienstag berichtete, sprachen die beiden Sozialsprecher von einem "Pensionsraub, von dem in den nächsten zehn Jahren besonders Frauen betroffen sein werden". Die Kürzung sei in Zeiten hoher Inflation besonders dramatisch und bedeute für die Lebenspension einen Verlust von mehreren zehntausend Euro.
SPÖ beauftragte eigenes Gutachten
Die Regierung habe zwar beschlossen, die Aliquotierung auszusetzen, das aber nur für zwei Jahre. Ein von der SPÖ in Auftrag gegebenes Gutachten habe ergeben, dass es sich bei der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung nicht nur um eine ungerechte, sondern um eine "grob unsachliche", besonders Frauen gegenüber schwer diskriminierende und damit wohl verfassungswidrige Regelung handle.
Aliquotierung trifft besonders Frauen
Die Aliquotierung bedeutet, dass es vom Antrittsmonat abhängt, um wie viel der Ruhensbezug im ersten Pensionsjahr erhöht wird. Das heißt, nur wer im Jänner in Pension geht, erhält im folgenden Jahr 100 Prozent der festgelegten Anpassung. Danach wird es schrittweise weniger – im Februar 90 Prozent, im März 80 Prozent und so weiter. Wer im November oder Dezember die Pension antritt, bekommt gar keine Erhöhung mehr.
Dass die Aliquotierung Frauen besonders betrifft, hänge damit zusammen, dass deren Antrittsalter ab kommendem Jahr schrittweise an jenes der Männer angeglichen wird. Dabei werden reguläre Pensionsantritte von Frauen immer in der zweiten Jahreshälfte liegen. Das bedeutet, dass diese Neupensionistinnen ab 2025 "im besten Fall" 40 Prozent der Inflation im ersten Pensionsjahr abgegolten bekommen.
Appell vom Pensionistenverband
Bereits vergangene Woche wendete sich der Präsident des unabhängigen Pensionistenverbandes Österreich, Peter Kostelka, per Brief an die Abgeordneten des Nationalrats. Darin fordert Kostelka eine dauerhafte und für 2022 rückwirkende Abschaffung der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung. Sein Appell in Richtung Politik: "Tun Sie das noch bevor Sie die Gerichte dazu zwingen."
Der Brief im Wortlaut:
Sehr geehrte/r
Ich darf mich mit einem drängenden und vor allem für zukünftige Pensionist*innen wesentlichen Thema an Sie wenden: der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung. Nach wie vor bestehende Gesetzeslage ist: Die Höhe der ersten Pensionsanpassung im Jahr nach der Pensionierung ist – abhängig vom MONAT, in den der Pensionsstichtag fällt – gestaffelt. Nur wer im Jänner seine Pension antritt, bekommt 100 %; geht jemand im Juli in Pension, gibt es nur mehr die halbe Anpassung (50 % des Anpassungswertes); im Oktober nur mehr 10 und November- und Dezember-Neupensionist*innen gehen überhaupt leer aus (Dauerrecht). Diese Regelung summiert sich im Laufe eines Pensionslebens für alle Betroffenen zu einem Verlust von bis zu mehreren zehntausend Euro!
Diese Aliquotierungsregelung wurde für die Pensionsjahrgänge 2023 und 2024 (volle erste Anpassung 2024 bzw. 2025) ausgesetzt. Dadurch kommt es aber zu einer Ungleichbehandlung des ebenso davon betroffenen Pensionsjahrgangs 2022, der heuer eine reduzierte Anpassung hinnehmen musste. Und auch gegenüber den Pensionsjahrgängen 2025 und folgende ist diese Ungerechtigkeit nicht argumentierbar.
Wir haben als Pensionistenverband Österreichs mehrmals und heftig auf die Unsachlichkeit dieser Regelung hingewiesen: Der MONAT der Pensionierung hat nach einem langen Arbeitsleben überhaupt keine Relevanz auf die Bemessungsgrundlage, sodass diese Anpassung-Kürzungs-Regelung gleichheitswidrig und damit verfassungswidrig ist.
Denn gemäß ASVG unterscheiden sich die Beitragsgrundlagen zweier Personen mit völlig identen Parametern NICHT bei Pensionsanfall am 1. Jänner von jenen am 1. Dezember eines Jahres (Unterschied nur beim Steigerungsbetrag).
Und: In den nächsten 10 Jahren fallen bei beinahe ALLEN Frauen aufgrund der stufenweisen Anhebung des Frauenpensionsalters die Alterspensions-Stichtage jeweils in die zweite Jahreshälfte. Das bedeutet, dass besonders Frauen von diesen Reduktionen bei der ersten Pensionsanpassung betroffen sind, die sich dramatisch auf für ihr restliches Leben auswirken. Das ist eine eklatante Diskriminierung und ein „Armuts-Automatismus“, der angesichts der ohnehin deutlich geringeren Frauenpensionen sicherlich nicht gewünscht wird.
Der Österreichische Seniorenrat, in dem alle österreichischen Pensionistenorganisationen vertreten sind, hat daher einstimmig beschlossen, den Gesetzgeber aufzufordern, die gesetzlichen Grundlagen dergestalt zu ändern, dass die Aliquotierung bei der ersten Pensionsanpassung ab sofort dauerhaft und für den Pensionsjahrgang 2022 auch rückwirkend abgeschafft wird. Auf diese gemeinsame Forderung aller Seniorenorganisationen berufe ich mich ausdrücklich, damit alle Pensionist*innen auch im ersten Pensionsjahr die VOLLE Pensionsanpassung erhalten. Tun Sie das noch bevor Sie die Gerichte dazu zwingen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Kostelka
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