Koalitionsrechner
Schwierige Regierungsbildung nach FPÖ-Sieg erwartet

Die Nationalratswahl 2024 ist geschlagen und brachte mit der FPÖ einen neuen Sieger hervor. Ob auf den blauen Wahlsieg auch ein freiheitlicher Kanzler folgen wird, ist aktuell aber mehr als fraglich. Immerhin schließen die übrigen Parteien eine Zusammenarbeit mit der FPÖ unter ihrem Obmann Herbert Kickl aus. Österreich steht damit einer unklaren Zukunft bevor. | Foto: ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com
4Bilder
  • Die Nationalratswahl 2024 ist geschlagen und brachte mit der FPÖ einen neuen Sieger hervor. Ob auf den blauen Wahlsieg auch ein freiheitlicher Kanzler folgen wird, ist aktuell aber mehr als fraglich. Immerhin schließen die übrigen Parteien eine Zusammenarbeit mit der FPÖ unter ihrem Obmann Herbert Kickl aus. Österreich steht damit einer unklaren Zukunft bevor.
  • Foto: ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com
  • hochgeladen von Maximilian Karner

Die Nationalratswahl 2024 ist geschlagen und brachte mit der FPÖ einen neuen Sieger hervor. Ob auf den blauen Wahlsieg auch ein freiheitlicher Kanzler folgen wird, ist aktuell aber mehr als fraglich. Immerhin schließen die übrigen Parteien eine Zusammenarbeit mit der FPÖ unter ihrem Obmann Herbert Kickl aus. Österreich steht damit einer unklaren Zukunft bevor: Welche Parteien das Land künftig führen werden, wird sich erst im Zuge der Koalitionsverhandlungen zeigen.

ÖSTERREICH. Als klarer Sieger der Nationalratswahl 2024 ging am 29. September die FPÖ unter Herbert Kickl hervor. Die Freiheitlichen fuhren mit 28,8 Prozent der Stimmen ihr historisch bestes Ergebnis ein und konnten sich somit 58 Mandate im neuen Nationalrat sichern. Die ÖVP musste einen Rekordverlust von 11,2 Prozentder Stimmen einstecken und verliert somit 19 Sitze. Die SPÖ musste zwar ein marginales Minus gegenüber der letzten Nationalratswahl hinnehmen, konnte aufgrund des Scheiterns der Bierpartei und der KPÖ, die beide unter der Vier-Prozent-Hürde landeten, aber ein zusätzliches Mandat einfahren. Als einer der großen Verlierer der Wahl büßten die Grünen ganze elf Sitze im Nationalrat ein, die NEOS sicherten sich hingegen zwei zusätzliche Mandate.

SPÖ und ÖVP schließen Koalition mit Kickl aus

Aufgrund der neuen Mandatsverteilung sind rechnerisch drei Koalitionskonstellationen aus zwei Parteien möglich. Für eine Mehrheit im Hohen Haus bräuchte eine künftige Regierung zumindest 92 Sitze, womit lediglich eine Koalition zwischen FPÖ und ÖVP mit 108 Sitzen, sowie jene zwischen FPÖ und SPÖ mit 97 Sitzen mandatsmäßig breit abgesichert wäre.

Dass sich eine dieser Konstellationen umsetzen lässt, gilt aktuell jedoch als unwahrscheinlich. Die SPÖ hat eine Zusammenarbeit mit der FPÖ bereits seit Langem kategorisch ausgeschlossen – daran wird wohl auch das aktuelle Wahlergebnis nicht rütteln können. Eine blau-türkise bzw. türkis-blaue Koalition ist aufgrund inhaltlicher Gemeinsamkeiten der Parteien theoretisch wahrscheinlicher, allerdings hat die Volkspartei unter ihrem Vorsitzenden Karl Nehammer einer Zusammenarbeit mit Kickl eine Absage erteilt. Noch am Wahlsonntag betonte der Bundeskanzler: "Was ich vor der Wahl sage, das sage ich auch nach der Wahl."

"Große Koalition" mit hauchdünner Mehrheit

Nach Stand des vorläufigen Ergebnisses würde sich auch die klassische "Große Koalition" zwischen ÖVP und SPÖ ausgehen, die zusammen auf 93 Sitze und somit eine hauchdünne Mehrheit im Nationalrat kommen. Wirklich abgesichert wäre eine solche Variante aber nicht: Sobald nur zwei Abgeordnete in einer Sitzung fehlen würden, hätten die beiden Parteien keine Mehrheit mehr und könnten daher alleine auch keine Gesetze beschließen.

Wahrscheinlicher wäre somit eine Dreiervariante aus ÖVP, SPÖ und den NEOS bzw. Grünen. Sowohl mit den Pinken (zusammen 111 Mandate) als auch mit den Grünen (109 Sitze) gebe es eine klare Mehrheit im Hohen Haus. Besonders die Zusammenarbeit zwischen Türkis, Rot und Pink galt bereits im Vorfeld der Wahl als realistisches Szenario.

Dennoch würde eine solche Zusammenarbeit wohl auf einige Hindernisse stoßen. Blickt man etwa auf die "Ampelkoalition" unserer deutschen Nachbarn, zeigt sich, dass sich innerhalb einer Dreierkoalition schwer Kompromisse finden lassen. Da es in Österreich noch nie eine Bundesregierung aus drei Parteien gegeben hat, fehlt es hierzulande logischerweise auch diesbezüglich an Erfahrungswerten. Inhaltlich lassen sich zwischen der Volkspartei und den NEOS gewisse Gemeinsamkeiten finden, die SPÖ verbindet – etwa mit ihren Forderungen nach einer Vermögens- und Erbschaftssteuer – nur wenig mit den beiden anderen Parteien. Bereits etwaige Koalitionsverhandlungen werden daher mutmaßlich reichlich Zeit in Anspruch nehmen.

Van der Bellen besteht auf "Grundpfeiler"

Am Wahlabend meldete sich auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen zu Wort. Wen er mit der Regierungsbildung beauftragen wird, ließ er dabei noch offen. Das Staatsoberhaupt erklärte, dass er noch diese Woche Gespräche mit allen im neuen Nationalrat vertretenen Parteien führen werde: "Jetzt geht es darum, aufeinander zuzugehen, Lösungen und Kompromisse zu finden. Das kann schon dauern, aber es ist gut investierte Zeit."

Van der Bellen gab zudem den Ablauf der kommenden Wochen vor. Im Laufe der aktuellen Woche wird die amtierende Bundesregierung dem Präsidenten ihren Rücktritt anbieten, woraufhin er sie mit der Fortführung der Verwaltung beauftragen wird. Darauf folgen die Koalitionsverhandlungen der Parteien, in denen es darum gehe, "auszuloten, wer mit wem kann", so Van der Bellen, der betonte, dass die Parteien auch den Bundespräsidenten überzeugen müssten. Die Ernennung des Kanzlers und dessen Ministerinnen sowie Minister setze das Vertrauen des Staatsoberhaupts voraus. "Ich werde nach bestem Wissen und Gewissen darauf achten, dass bei der Regierungsbildung die Grundpfeiler unserer liberalen Demokratie respektiert werden: etwa Rechtsstaat, Gewaltenteilung, Menschen- und Minderheitenrechte, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft", so Van der Bellen. 

Keinen automatischen Auftrag an Wahlsieger

Wen der Bundespräsident mit der Regierungsbildung beauftragt, ist aktuell noch unklar. Zwar ist es in Österreich bisher üblich gewesen, dass das Staatsoberhaupt dem Wahlsieger den Auftrag zukommen lässt, verfassungsmäßig ist dies aber nicht festgelegt. Das betonte Van der Bellen bereits mehrfach in der Vergangenheit. Grundsätzlich benötigt es für die Koalitionsverhandlungen aber auch nicht zwingend den Auftrag des Bundespräsidenten. Bereits 1999 verhandelte die drittplatzierte ÖVP mit der zweitplatzierten ÖVP ohne den Auftrag des damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil.

Für welche Koalitionsvariante bist du?

Zudem ist unklar, ob Van der Bellen einen Bundeskanzler Herbert Kickl, den er 2019 bereits aus dessen Amt als Innenminister enthoben hatte, überhaupt angeloben würde. Immerhin zwingt ihn keine Rechtsvorschrift dazu, eine bestimmte Person als Bundeskanzler anzugeloben. Wie Van der Bellen kurz nach seinem zweiten Amtsantritt erklärte, sei er in dieser Entscheidung völlig frei.

So lange dauern Koalitionsverhandlungen

Bis es zu einer Angelobung einer neuen Regierung kommt, wird Van der Bellen ohnehin noch genug Zeit haben, um seine Entscheidung abzuwägen. Schließlich nehmen Koalitionsverhandlungen erfahrungsgemäß mehrere Wochen an Zeit in Anspruch. Blickt man in die Geschichtsbücher, zeigt sich, dass für Regierungsverhandlungen in Österreich durchschnittlich 62,4 Tage benötigt werden. Lässt man die fünf Alleinregierungen außer Acht, liegt die Dauer vom Wahltag bis zur Angelobung im Schnitt bei 70,2 Tagen.

Deutlich länger dauerten die Gespräche 1962 zwischen der ÖVP und SPÖ, als die "Große Koalition" erst nach 129 angelobt wurde. Eine Blitzregierungsbildung gab es dagegen 1975, als die Bundesregierung Kreisky II nach 23 Tagen angelobt wurde. Die Vorzeichen standen damals aber deutlich besser als 2024. Schließlich hatte die SPÖ damals eine absolute Mehrheit und konnte eine Alleinregierung bilden.

So lange dauerten die bisherigen Regierungsbildungen. | Foto: APA-Grafik / picturedesk.com
  • So lange dauerten die bisherigen Regierungsbildungen.
  • Foto: APA-Grafik / picturedesk.com
  • hochgeladen von Maximilian Karner

Das könnte dich auch interessieren:

Wo die Parteien besonders gut oder schlecht waren
Frühere Kurz-Wähler sichern der FPÖ den Wahlsieg
Österreichkarte – so hat deine Gemeinde gewählt
Ältere wählten anders als Junge
Wo die Parteien besonders gut oder schlecht waren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.