FPÖ-Chef Herbert Kickl
"Nur 38 Menschen haben sich als divers eingetragen!"

FPÖ-Chef Herbert Kickl: Politik besteht ja nicht nur aus Ankündigungen und programmatischen Schriften, sondern hat ja auch damit zu tun, dass die Dinge umgesetzt werden.  | Foto: Roland Ferrigato
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  • FPÖ-Chef Herbert Kickl: Politik besteht ja nicht nur aus Ankündigungen und programmatischen Schriften, sondern hat ja auch damit zu tun, dass die Dinge umgesetzt werden.
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Der Spitzenkandidat und Obmann der Freiheitlichen (FPÖ), Herbert Kickl, wünscht sich im Gespräch mit den RegionalMedien Austria eine Volksbefragung zum Thema sexuelle Identität. Zudem erklärt er den Begriff "Volkskanzler" und spricht sich für eine neue Familienpolitik aus, damit die Österreicherinnen wieder mehr Kinder bekommen. Und er mahnt ein neues Bildungssystem ein, in dem Kinder mit Büchern und Stiften lernen, anstatt von Beginn an mit elektronischen Geräten.

ÖSTERREICH. FPÖ-Chef und Spitzenkandidat der Blauen für die Nationalratswahl, Herbert Kickl, über Gleichgeschlechtlichkeit, Pferde, Arbeit und Bildung.

MeinBezirk: Herr Kickl, was genau haben Sie eigentlich im Sommer hinsichtlich der Salzburger Festspiele mit „Inzuchtpartie“ gemeint?
Herbert Kickl: Zunächst einmal Folgendes: Das ist ein klassisches Beispiel, wie Medien ihre Macht missbrauchen, um manipulative Berichterstattung zu betreiben. Denn meine Aussage wurde so dargestellt, als ob ich mich gegen Festspielgäste, Künstler und die Festspiele als Kulturveranstaltung insgesamt gerichtet hätte. Das ist nicht der Fall! Was ich tatsächlich kritisiert habe, ist Folgendes: Insbesondere bei Eröffnungsreden von Festspielen, die sind sozusagen der politische Akt, spricht zum Beispiel jemand wie der Bundespräsident davon, dass Brücken gebaut, Gräben zugeschüttet werden müssen, man aufeinander zugehen muss. Das wird dann von der ersten Reihe aus von den Systemparteien beklatscht. Man macht auf Versöhnung, Vermittlung, Verständnis – alle beklatschen das, aber die tatsächliche Politik sieht ganz anders aus. Das geht hinten und vorn nicht zusammen. Das habe ich kritisiert. Und ich habe gesagt, dort möchte ich gar nicht dabei sein. Ich gebe zu, das Wort „Inzucht“ ist ein bildlicher Begriff. Das kommt bei mir öfter vor. Ich hätte auch „Blase“ sagen können. Aber mir geht es eigentlich um diesen Widerspruch. Wir haben das bei Corona erlebt, aber wir erleben das auch in einem anderen Zusammenhang, zum Beispiel, wenn es um die Frage einer Neutralitätspolitik mit Russland geht. Da müsste man eigentlich auch als neutraler Staat ein Ort sein, wo beide Seiten gehört werden. Aber man macht das genaue Gegenteil und es ist derselbe Bundespräsident, der dann Leuten, die versuchen, ein Verständnis und eine Neutralitätsposition zu entwickeln, als 'Kollaborateure mit Russland' bezeichnet. Das passt nicht zusammen.

Ich möchte bei einem weiteren Begriff bleiben, und zwar ist ja ein Ausdruck, den Sie sich auch selbst gegeben haben, der Begriff „Volkskanzler“. Was genau ist damit gemeint? Die NS-Propaganda hat diese Bezeichnung im Zuge der Machtergreifung immer im Zusammenhang mit Adolf Hitler genommen…
Hier stört mich wiederum, dass man so tut, als ob es zwischen damals und jetzt nicht noch andere Ereignisse innenpolitischer Art gegeben hätte. Innerhalb der österreichischen Volkspartei wurde Figl auch als Volkskanzler bezeichnet, und auch SPÖ-Bundeskanzler Gusenbauer hat den Begriff für sich in Anspruch genommen, ein Volkskanzler sein zu wollen. Interessanterweise sind diese Leute nie gefragt worden, woher diese Anleihe kommt. Es hat in Österreich auch eine Phase der Diktatur gegeben, bevor Österreich vom Deutschen Reich und von Adolf Hitler einverleibt wurde. Das war die Phase des Austrofaschismus. Und die austrofaschistischen Diktatoren haben sich wie genannt? Bundeskanzler! Trotzdem ist nach dem Krieg niemand auf die Idee gekommen, zu sagen, wir müssen den Begriff Bundeskanzler entsorgen, weil der historisch belastet ist. Man hätte das Amt mit dem Begriff „Premierminister“ oder „Ministerpräsident“ bezeichnen können. Was ich mit dem Begriff "Volkskanzler" zum Ausdruck bringen will: „Zuerst das Volk und dann der Kanzler“. Und ich glaube, dass ein großes Problem der Politik gegenwärtig ist, nicht nur in Österreich, dass die politische Elite, die Verantwortungsträger, diejenigen, die in den Schlüsselfunktionen des Staates sitzen, die Verbindung zur Bevölkerung verloren haben. Sie können mit den Menschen draußen reden, die haben mehr und mehr das Gefühl, in einer Zwangsbeglückungsmaschinerie zu leben. Es werden große Weichenstellungen vorgenommen. Nehmen Sie die ganze Frage der Klimapolitik, die Frage der Zuwanderungspolitik, Corona war auch ein solches Beispiel, in dem man in jeden Lebensbereich eingreift. Aber nie wurde jemand gefragt, ob man das eigentlich auch will. Das müssen wir umdrehen. Wir müssen als Politiker in einer Demokratie auf die Bevölkerung hören. Das ist der allererste Auftrag. Und aus meiner Sicht ist das in diesem einen Wort sehr schön zusammengefasst. Das lasse ich mir nicht schlecht machen und nicht kriminalisieren. Wenn einem sonst nichts mehr einfällt, dann muss man halt irgendwo weit in der Vergangenheit herumkramen.

Herbert Kickl: Das heißt, wir brauchen diese Facharbeitskräfte, am besten logischerweise aus der Europäischen Union – das ist am einfachsten, dafür ist ja dieser Wirtschaftsraum geschaffen worden. Wenn das nicht geht, dann müssen wir aus Drittstaaten kompensieren, aber immer unter der Maßgabe, dass wir zugleich eine große Kraftanstrengung im eigenen Land unternehmen, um mittel – bis langfristig diesen Bedarf möglichst selbst abdecken können.  | Foto: Roland Ferrigato
  • Herbert Kickl: Das heißt, wir brauchen diese Facharbeitskräfte, am besten logischerweise aus der Europäischen Union – das ist am einfachsten, dafür ist ja dieser Wirtschaftsraum geschaffen worden. Wenn das nicht geht, dann müssen wir aus Drittstaaten kompensieren, aber immer unter der Maßgabe, dass wir zugleich eine große Kraftanstrengung im eigenen Land unternehmen, um mittel – bis langfristig diesen Bedarf möglichst selbst abdecken können.
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Sie strapazieren ja immer wieder den Begriff "Einheitspartei". Wenn man die Asyl- und Migrationspolitik Ihrer Partei mit jener der ÖVP vergleicht, dann liegen Sie gar nicht so weit auseinander. Und auch beim Thema Wirtschaft sind die FPÖ-Ideen ähnlich denen der ÖVP. Zum Beispiel keine weiteren Steuern, auch keine Erbschaftssteuer, stattdessen Steuersenkung für ArbeitnehmerInnen, Absenken der Körperschaftssteuer für Unternehmen, und so weiter. Wo unterscheiden Sie sich im Wirtschaftsprogramm von der ÖVP?
In der Glaubwürdigkeit. Das ist der entscheidende Punkt. Politik besteht ja nicht nur aus Ankündigungen und programmatischen Schriften, sondern hat ja auch damit zu tun, dass die Dinge umgesetzt werden. Wir erleben eine österreichische Volkspartei, die seit bald 40 Jahren in der Regierung ist, und seit fünf Jahren stellt sie den Kanzler. In diesen rund 40 Jahren haben sie immer die wesentlichen Ressorts für sich in Anspruch genommen, mit denen man Wirtschaftspolitik machen kann, wie das Wirtschafts- oder das Finanzministerium. Jetzt, vor einer Wahl, geht die ÖVP her und sagt, wir haben zwar nichts vorzuzeigen in diesem Bereich, weil die wirtschaftlichen Daten für Österreich ganz schlecht sind, aber wir schreiben jetzt ins Programm, was wir alles tun würden, wenn wir endlich einmal Verantwortung hätten, dann hat man ein massives Problem der Glaubwürdigkeit. Das zweite Problem der Glaubwürdigkeit hat die ÖVP dann, wenn sie sagt, sie will dieses Wirtschaftsprogramm, wo es zugegebenermaßen Überschneidungen mit uns gibt, mit der SPÖ umsetzen, weil das ihr Wunschpartner ist. Mit uns will man ja nicht koalieren. Im Hintergrund wird ja schon an einer Neuauflage von Rot-Schwarz gebastelt, für die man sich irgendeinen Dritten dazu nimmt. 

Wenn Sie eine "Volksinitiative" zur Wiedereinführung der - von Ihnen selbst abgelehnten - Todesstrafe für zulässig halten, wo liegen für Sie die Grenzen des Volkswillens?
Jedes Gesetz, ganz gleich, ob es durch Parlamentsbeschluss oder entsprechend unserem FPÖ-Vorschlag künftig per Volksinitiative zustande kommt, muss sich an unserer Verfassung und den dort geschützten Grund- und Freiheitsrechten messen lassen. Auf die völlig absurde Idee, unsere freiheitliche Forderung nach dem Ausbau der direkten Demokratie mit der Wiedereinführung der Todesstrafe in Verbindung zu bringen, ist übrigens ein Journalistenkollege von Ihnen gekommen. ÖVP und SPÖ haben das willfährig aufgenommen, weil sie den Willen der Bürger fürchten. Ihnen ist daher nichts zu schade, um mehr Mitbestimmung der Bürger schlechtzumachen. 

Schaut man sich die Forderungen von Ihnen an, etwa Ablehnung einer Vermögens- oder Erbschaftssteuer, die Senkung der Lohnnebenkosten, um Eigenheimbesitz zu fördern oder Wohnbaukredite erleichtern: Ihre Wirtschaftsagenden klingen ein bisschen so, als würden sie sich von den Interessen des „Kleinen Mannes“ abwenden, für die die FPÖ ja früher gestanden ist und stattdessen an der Stammwählerschaft der ÖVP, also der situierten Mittelschicht, knabbern wollen. Was steckt eigentlich in Ihrem Programm, was für den „Kleinen Mann“ wirklich relevant ist?
Eine funktionierende Wirtschaft ist das Um und Auf einer Gesellschaft. Wir brauchen Wachstum und wir brauchen die Wettbewerbsfähigkeit, um uns alle diese Dinge leisten zu können, die wir für die „Kleinen Leute“ brauchen, die wir für diejenigen auch brauchen, die zwar leisten wollen, aber nicht können. Wenn Sie keine entsprechenden Steuerleistungen haben, sei es durch Unternehmen oder sei es durch gute Arbeitsplätze, wenn Sie keine Einnahmen haben aus der Sozialversicherung und Ähnliches, dann werden Sie sich kein Gesundheitssystem, kein Bildungssystem, kein Pflegesystem leisten können. Und deswegen ist es ein verkehrter Ansatz, den offenbar zwei andere Parteien gerne wählen. Die einen sagen, wir sind für die Wirtschaft zuständig und die anderen sagen, wir wollen für die Arbeiter zuständig sein. Beide sind ja Erwerbstätige, auf eine unterschiedliche Art und Weise. Wir müssen das Miteinander sehen. Und deswegen ist eine gute und vernünftige Wirtschaftspolitik auch etwas, was dem „Kleinen Mann“ zugutekommt. Dann verdienen diejenigen, die eine Leistung erbringen, endlich mehr Geld. Der Staat hat sich hier in seinen Begehrlichkeiten zurückzuhalten und wir konzentrieren uns mit den Einnahmen dann auf die Hilfe für diejenigen, die sie echt brauchen. Da unterscheiden wir uns wesentlich auch von der österreichischen Volkspartei, weil wir sagen, dass Sozialleistungen – und das ist im Kern die Mindestsicherung – auch ein soziales Privileg der österreichischen Staatsbürger sein soll. Weil, diese haben auch Pflichten gegenüber dem Staat, das haben andere nicht. Und deswegen sind wir im Bereich des Sozialen der Meinung, dass dieses Privileg auch gerechtfertigt ist.

Sie haben in einem Interview gesagt, dass unser Land unattraktiv sei für Menschen aus anderen EU-Ländern, bei uns zu arbeiten. Mehr als eine Million Beschäftigte aus anderen Unionsstaaten retten laut AMS unseren Arbeitsmarkt und erledigen Dinge, wie Pflege und so weiter. Österreich ist seit Jahren Hauptdestination von Arbeitsmigranten aus anderen EU-Staaten, vor allem Ungarn, Deutsche, Rumänen. Wenn Sie den Markt für Unionsbürger einschränken wollen, dann würden uns eine Million Arbeitskräfte mehr fehlen, die monatlich in unseren Steuertopf einzahlen…
Das will ich ja gar nicht. Das Einzige, was ich machen will, ist, dass wir uns darüber im Klaren sein müssen, dass eine dauerhafte Abhängigkeit in wesentlichen Bereichen, in Berufen, die unser Gesellschaftsleben aufrechterhalten, keine besonders erstrebenswerte Vorstellung ist. Im Bereich der Energie sind sich alle einig, dass es nicht gut ist, wenn man zu sehr von ausländischen Energiequellen abhängig ist. Das hören wir jeden Tag. Interessanterweise setzt aber die Politik bei den Arbeitskräften genau auf das gegenteilige Modell. Ich sehe das so, dass man einen Mangel kompensieren muss, der in vielen Jahren oder Jahrzehnten entstanden ist, weil man nicht vorausschauend gehandelt hat. Das heißt, wir brauchen diese Facharbeitskräfte, am besten logischerweise aus der Europäischen Union – das ist am einfachsten, dafür ist ja dieser Wirtschaftsraum geschaffen worden. Wenn das nicht geht, dann müssen wir aus Drittstaaten kompensieren, aber immer unter der Maßgabe, dass wir zugleich eine große Kraftanstrengung im eigenen Land unternehmen, um mittel – bis langfristig diesen Bedarf möglichst selbst abdecken können. Nehmen Sie den Pflegebedarf her: Alle westlichen Gesellschaften werden älter. Und überall auf der Welt setzt ein Wettbewerb ein, weil Pflegekräfte überall gebraucht werden. Wir haben keinerlei Garantie, dass die Arbeitskräfte weiterhin nach Österreich kommen. Sie können auch woanders hingehen, wo sie vielleicht mehr Netto vom Brutto herausbekommen. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Es braucht nur auf den Philippinen zum Beispiel irgendetwas Politisches zu passieren. Dann stehen uns diese Kräfte nicht mehr zur Verfügung. Das, was mir fehlt, ist dieser patriotische Kraftakt, wo wir versuchen, diese Defizite auch im eigenen Land zu kompensieren.

Herbert Kickl will mehr Sicherheitskräfte in den Städten. Die Idee einer berittenen Polizei gefällt ihm immer noch gut. | Foto: Roland Ferrigato
  • Herbert Kickl will mehr Sicherheitskräfte in den Städten. Die Idee einer berittenen Polizei gefällt ihm immer noch gut.
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Sie sprechen von Übergangslösungen. Unsere Bevölkerung wird immer älter. Die Fertilitätsrate in Österreich beträgt 1,5 Geburten pro Frau. Bis wann soll dann so ein Übergang dauern? Und viele Österreicherinnen und Österreicher wollen bestimmte Jobs gar nicht erfüllen. Also ich denke an Reinigungskräfte, aber auch in der Pflege.
Das wird schon eine Zeit lang brauchen, dieses Defizit ist ja auch nicht in ein, zwei Jahren entstanden, sondern einem fahrlässigen Umgang mit eigentlich bekannten Berechnungsmodellen, was die Bevölkerungsentwicklung betrifft, geschuldet. Und Sie haben recht, es braucht hier einen grundlegend anderen Ansatz von unten her, und deswegen ist ein zweiter ganz zentraler Punkt bei uns die Familienpolitik. Wir müssen uns wieder dazu bekennen, dass wir eine Gesellschaft sein wollen, wo in der Familie eines oder mehrere Kinder zur Regel werden. Das bedeutet eine große gemeinschaftliche Kraftanstrengung. Wenn uns das gelingt, dass wir eine kinderfreundliche Gesellschaft werden, dann werden wir auch mittelfristig die sogenannte Alterspyramide wieder in eine gesunde Balance bringen. Das ist wichtig. Das Zweite, was wir machen müssen: auf Wachstum setzen. Das ist auch klar. Deswegen ist die Wettbewerbsfähigkeit so wichtig: Wenn wir auf Wachstum setzen und durch Innovation und Technologie die Leistungsfähigkeit stärken, werden wir, was die Herausforderungen des demografischen Wandels betrifft, besser damit umgehen können. Wir müssen den Mut haben, auch auf Technologie zu setzen. Es gibt Staaten, die hier aus der Not eine gewisse Tugend gemacht haben. Denken Sie an die Japaner, die hier vor massiven Problemen stehen, aber die beantworten das damit, dass sie ganz gezielt in Innovation und in neue Technologien setzen, um Lücken mit der Technik zu kompensieren. Werden die Bedingungen insgesamt nicht mehr in Richtung Familien- und Kinderfreundlichkeit geändert, dann bedeutet das auf kurz oder lang das Ende Österreichs. Die Politik ist gefordert, eben nicht zu kapitulieren, sondern den Versuch zu unternehmen, gegenzusteuern. Man kann hier nicht nur an einer Schraube drehen, sondern es geht um eine Neuaufstellung, auch in der politischen Schwerpunktsetzung.

Was das Thema vermeintlich „niedriger“ Arbeiten angeht, führt mich das zu der Frage, wie gehen wir mit der Sozialhilfe um. Ich habe gesagt: Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe, das muss ein Privileg für die eigenen Staatsbürger sein. Dazu stehe ich. Aber klar ist auch, dass wir kein Modell unterstützen können, in dem die Mindestsicherung eine Art dauerhaftes alternatives Einkommensmodell ist. Sie ist als Überbrückungshilfe für Menschen gedacht, die sich in einer schwierigen Phase befinden. Es gibt auch Menschen, die trotz aller Bereitschaft etwas zu leisten, es einfach nicht (mehr) können. Das wird es immer geben, auch dafür ist die Sozialhilfe da. Aber sich zurückzulehnen, auf Kosten anderer eine Art bedingungsloses Grundeinkommen beziehen, obwohl man arbeiten könnte, das geht nicht. Das müssen wir abdrehen. Dann wird es auch Leute geben, die diese Arbeit machen. Und gesetzliche Regelungen, um diese Leute wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen, gibt es ja jetzt schon.
 
Weil Sie neue Technologien angesprochen haben, und wie wichtig es ist, dass wir darauf fokussieren. In Ihrem Wahlprogramm findet sich punkto Digitalisierung, dass Kinder wieder mehr zu Büchern und zur Feder greifen sollen, anstatt mit Laptop zu arbeiten. Wie sollen diese Kinder jemals eine Chance am internationalen Arbeitsmarkt haben und wie sollen sie künftig mit zum Beispiel auch Cyberkriminalität umgehen, um nicht zu vergessen das Thema neue Technologien?
Da geht es um etwas ganz anderes. Wir orientieren uns an den Schweden, die vermeintlich fortschrittlich im Umgang mit diesen neuen Technologien als Unterrichtsmaterialien waren, und dann draufgekommen sind, dass das eigentlich sehr viele negative Effekte hat, weil es offenbar ein gewisses Grundrüstzeug und auch eine gewisse Reife braucht, bevor man mit diesen neuen Technologien umgehen kann. Genau das ist unser Ansatz. Wir wollen zuerst ein ordentliches Bildungsfundament auf die klassische Art und Weise herstellen und dann auf dieser soliden Basis die Kinder mit Technologien vertraut machen.

Herbert Kickl: Das ist eine Form von Beschäftigungstherapie. Man gibt dem Kind das Tablet in die Hand und dann macht es irgendetwas. Das führt zu einigen negativen Nebeneffekten.  | Foto: Roland Ferrigato
  • Herbert Kickl: Das ist eine Form von Beschäftigungstherapie. Man gibt dem Kind das Tablet in die Hand und dann macht es irgendetwas. Das führt zu einigen negativen Nebeneffekten.
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Also nicht anstatt, sondern zusätzlich?
Wenn Sie mit Lehrern sprechen, die sich mit diesem Phänomen beschäftigt haben, dann werden diese sagen, dass es eine ganz gefährliche Entwicklung ist, die Kinder zu früh über einen zu langen Zeitraum mit diesen Technologien allein zu lassen. Das ist eine Form von Beschäftigungstherapie. Man gibt dem Kind das Tablet in die Hand und dann macht es irgendetwas. Das führt zu einigen negativen Nebeneffekten. Zum einen zu einer verminderten Stressresistenz, weil diese elektronischen Dinge dazu einladen, gleich wegzuschalten, wenn es einen nicht mehr freut. Die Lesekompetenz leidet ganz massiv, weil man sich nur mehr in Bildchen und Ähnlichem bewegt. Und es gibt eine traurige Tendenz zur sozialen Isolation, wenn man sich mit diesem Ding zurückzieht. Gerade in der Schule ist es wichtig, die soziale Kompetenzen zu erlernen. Die digitale Komponente kommt früh genug. Also: den ersten Schritt vor dem zweiten machen! 

Sie wollen, dass in der Verfassung festgeschrieben wird, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Erstens wird es schwierig sein, dafür eine Zweidrittelmehrheit zu bekommen, weil das ja eine Verfassungsänderung bedingen würde. Und was, wenn jemand als Zwitter geboren wurde?

Grundsätzlich bestätigt ja die Ausnahme die Regel: Es gibt auch Menschen, die kommen mit drei Fingern auf die Welt, aber wir würden dann trotzdem sagen, dass der Mensch an einer Hand fünf Finger hat. Oder würden Sie das bestreiten? Andere Menschen kommen leider mit anderen Beeinträchtigungen organischer Art zur Welt, aber das ist dann eben die Ausnahme und nicht die Regel. Das Festschreiben der zwei Geschlechter in der Verfassung würde den Stellenwert der Familie und der Zweigeschlechter für die gesamte Gesellschaft zum Ausdruck bringen. Die Tradition und die Kultur, die wir weitergeben, auch der Generationenvertrag, von dem wir gesprochen haben, beruht darauf, dass sich eine Frau mit einem Mann verbindet und dass sie sich fortpflanzen. Und wenn wir das nicht mehr haben, dann bricht unsere gesamte Gesellschaft zusammen. Diesen Stellenwert wollen wir in der Verfassung zum Ausdruck bringen. Das ist ein ganz anderer Zugang, als wenn man sagt, wie in Deutschland, jedes Jahr einmal das Geschlecht wechseln kann, womit man Kinder massivst verunsichert in ihrer Geschlechtsidentität. Eigentlich grätscht man damit in den Bereich der Familie hinein, es werden massive psychische Probleme verursacht. Dem wollen wir entgegensteuern. Denn man nimmt den Menschen Halt, Orientierung und Stabilität, dann kommen verunsicherte Menschen heraus. Und verunsicherte Menschen werden oft aggressiv. 

Sie sprechen immer von Freiheit. Soll man Menschen nicht frei wählen lassen, für welches Geschlecht sie sich entscheiden?
Jetzt gibt es nicht mehr nur weiblich und männlich, sondern jetzt gibt es männlich, weiblich und divers. Und wie viele Leute haben sich eingetragen? 38. Wenn man die öffentliche Diskussion verfolgt, könnte man glauben, es seien 100.000. Also warum wird so viel Tam-Tam gemacht, wenn alle anderen eigentlich mit dem glücklich sind, was bisher der Fall war? Aber weil sie anderen Parteien angesprochen haben, hätte ich einen Vorschlag: Machen wir doch eine Volksbefragung: Wie sehen die Österreicher das? Da sind wir jetzt wieder beim Volkskanzler – denn mich interessiert vor allem, was die Bevölkerung darüber denkt. 

Würden Sie als Kanzler eine Pferdestaffel für die Polizei einsetzen, wie Sie schon einmal als Innenminister geplant hatten?
Also: Das war auch damals kein prioritäres Projekt, sondern ein Nebenaspekt. Ich staune allerdings über die Aufregung, weil in vielen anderen Ländern ist die berittene Polizei gängige Praxis, etwa in Großstädten, im urbanen Raum. Die wenigsten denken daran, das abzuschaffen, sondern im Gegenteil, das wird ausgebaut. Aber offenbar kommt der Vorschlag von der falschen Partei und deswegen wird er in Österreich ins Lächerliche gezogen. Ich staune auch über die Unehrlichkeit der ÖVP: Es müsste nur einmal jemand nachschauen, wie viele Anträge es vonseiten der ÖVP gegeben hat, zum Beispiel im Wiener Landtag, dass man doch in Wien eine berittene Polizei einführen will. Und jetzt wirft man mir das vor? Da muss ich ganz ehrlich sagen, das ist eine unehrliche Form der Politik. 

Meine Frage war, ob Sie das wieder einführen würden.
Das ist für mich kein prioritäres Projekt. Ich glaube, dass wir punkto Sicherheit zunächst einmal andere Schwerpunkte setzen müssten. Also ich verstehe es zum Beispiel nicht, warum man mitten in der Großstadt, dort wo die Sicherheitslage am brisantesten ist, Polizeiinspektionen hat, die am Abend früher zusperren als der Billa. Das kann nicht sein. Also muss man eher schauen, dass ich dort die Sicherheit der Bevölkerung durch mehr Polizeipräsenz rund um die Uhr erhöhe. Und dann kann man sich vielleicht einmal um andere Aspekte kümmern. Die berittene Polizei hat aber ihre Vorteile, das muss man sagen. Im Grünbereich, auf der Donauinsel, in Parkanlagen. Ich glaube im Übrigen auch, das hätte sich gerechnet. Touristen würden wahrscheinlich gerne einen Euro für ein schönes Foto geben. 

Die letzte Wahlumfrage von OGM gibt Ihnen 27 Prozent, also stärkste Partei. Die ÖVP hat angekündigt, sie wollen nur mit einer FPÖ ohne Kickl koalieren. Ähnliches hört man auch von anderen Parteien. Würden Sie für jemanden anderen aus Ihrer Partei auf die Seite treten, um eine Koalition zu ermöglichen?
Ich finde allein diese Frage undemokratisch. Eine Partei tritt zur Wahl an. Die Partei hat einen Spitzenkandidaten. Und diese Partei gewinnt in dieser Überlegung mit diesem Spitzenkandidaten. Dann ist es doch eigentlich eine demokratische Selbstverständlichkeit der anderen Mitbewerber, das zu akzeptieren. Für sie gilt das Duell, das alle mit mir haben wollen, offenbar aber nur dann, wenn sie selbst gewinnen. Ich würde keinen Kanzleranspruch stellen, wenn wir die Wahl nicht gewinnen. Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Das erwarte ich mir auch von allen anderen. Die Wahl dient dazu, festzustellen, welche Partei die meiste Unterstützung hat. Und dann wollen der Zweite und der Dritte zu verlangen, wer dort vorn steht und damit eigentlich den Wählerwillen ad absurdum führen, das ist undemokratisch bis zum Gehtnichtmehr. Und deswegen, glaube ich, wird diese Wahl auch die Frage beantworten, wer jetzt eigentlich wirklich der Demokrat in diesem Land ist und wer nicht. 

Wer wäre Ihr liebster Vizekanzler, wenn Sie Kanzler werden würde?
Es steht mir schlicht und ergreifend nicht zu, mich in solche Personalfragen anderer Parteien einzumischen und dasselbe erwarte ich mir von diesen auch der FPÖ gegenüber. Wenn wir diese Wahlen gewinnen, und das ist die Voraussetzung, unter der wir überhaupt über Koalitionen sprechen, dann wäre logischerweise der Versuch, eine Koalition zustande zu bringen, die aus zwei Parteien besteht und eine Mehrheit hat, weil das die stabilste Form der Koalition ist. Das ist einmal eine große Voraussetzung. Und wenn es zwei Parteien gibt, die dieses Kriterium erfüllen, dann würde ich logischerweise zunächst einmal mit der Stärkeren der beiden sprechen und dann mit der anderen. Und dann geht es um die Inhalte. Und wer die Personen dann sind, das ist Angelegenheit dieser Partei, das steht mir nicht zu.

Was hat die FPÖ mit der ÖVP gemeinsam?
Dass die ÖVP auch ein Interesse daran hat, sicherheitspolitisch in diesem Land etwas weiterzubringen und im Asylbereich eine andere Gangart einzuschlagen. Das habe ich 2016 schon gehört und das haben wir dann später auch wieder gehört. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache und deswegen auch unser Ansatz, hier diese Regierung anführen zu wollen, weil ich weiß, dass es wichtig ist, wer an der Spitze einer Regierung steht. Es gibt ein kommunikatives und ein machtpolitisches Übergewicht, und das ist wichtig, um die Dinge in die richtige Richtung zu lenken.

Danke für das Gespräch.

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