"Guter Rat"
Marlene Engelhorn stiftet 25 Millionen Euro für Vermögensverteilung

Marlene Engelhorn: Es darf nicht sein, dass jemand, weil er vermögend ist, durch eine Parteispende Einfluss in der Wirtschaft erkauft, oder aber auch durch große Aktienpakete, wo er Mehrheiten in einer Aktionärsversammlung bekommt, die sich auf die Verhältnisse von Menschen auswirken, oder dass man sich eigene Medien kaufen kann.  | Foto: Roland Ferrigato
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  • Marlene Engelhorn: Es darf nicht sein, dass jemand, weil er vermögend ist, durch eine Parteispende Einfluss in der Wirtschaft erkauft, oder aber auch durch große Aktienpakete, wo er Mehrheiten in einer Aktionärsversammlung bekommt, die sich auf die Verhältnisse von Menschen auswirken, oder dass man sich eigene Medien kaufen kann.
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"Guter Rat ist teuer", lautet ein altes Sprichwort. Das trifft auch auf jenen Rat aus zufällig gewählten 50 Bürgerinnen und Bürgern aus ganz Österreich zu, den die junge Vermögenserbin Marlene Engelhorn ins Leben ruft, und sponsert Ideen, welche dieser Rat in mehrmonatlicher Arbeit über die Verteilung von Vermögen in Österreich auf den Tisch legt, mit stolzen 25 Millionen Euro. MeinBezirk.at hat mit Engelhorn darüber gesprochen, was hinter diesem Konzept steckt.

ÖSTERREICH. Bereits mehrfach hat die 1992 in Wien geborene und aufgewachsene Marlene Engelhorn, Erbin der erfolgreichen Industriellenfamilie der Boehringer-Mannheim-Gruppe, öffentlich angekündigt, ihr Vermögen dafür zu nützen, einen Anteil daran zu leisten, die Vermögensverhältnisse in Österreich umzuverteilen. Nun will die Aktivistin mit einem konkreten Konzept dies in die Tat umsetzen. Mit MeinBezirk.at sprach Engelhorn über ihre Pläne und die Hintergründe, warum sie ihr Vermögen rückverteilen lassen will.

MeinBezirk.at: Frau Engelhorn, welche konkreten Pläne zur Rückverteilung haben Sie mit Ihrem Vermögen vor?
Marlene Engelhorn: Nach langem Überlegen mit unterschiedlichen Menschen hat sich ein Team gefunden, das sich damit beschäftigt, wie meine Rückverteilung von mir als Privatperson entkoppelt werden kann. Damit ich nicht die alleinige Macht über so ein Vermögen habe, das eigentlich vom Staat durch Steuern demokratisch umverteilt werden sollte. Dafür haben wir das FORESIGHT Institut damit beauftragt, einen Bürger:innenrat zu organisieren. Dieser Bürger:innenrat soll sich mit der Verteilungsfrage beschäftigen und ist in weiterer Folge mit der Rückverteilung des Großteils meines Vermögens beauftragt. 

Was bedeutet das?
Konkret gehen am 9. Jänner 10.000 Briefe an zufällig ausgewählte Adressen aus dem Zentralen Melderegister raus. In diesen Briefen lade ich dazu ein, Teil des "Guten Rats" zu werden. Alle Menschen, die in Österreich gemeldet und mindestens 16 Jahre alt sind, können Teil des Rates werden. Die Rückmeldungen werden nach repräsentativen Kriterien sortiert, 50 Menschen bilden dann den "Guten Rat" und werden von Mitte März bis Anfang Juni tagen. Sie übernehmen den Auftrag, die Verteilung von Vermögen in Österreich zu diskutieren und Ideen dafür zu entwickeln, wie man damit umgehen kann.

Wie sieht es dann mit der Umsetzung aus?
Damit es nicht nur beim Reden und Ideen-Austüfteln bleibt, sondern greif- und umsetzbar wird, bekommt der "Gute Rat" 25 Millionen aus meinem Vermögen zur Verfügung, um diese Ideen zu finanzieren. Wie genau die Diskussion aussehen oder was entschieden werden wird, kann ich aber nicht sagen, denn das ist Aufgabe des Bürger:innenrats und des Teams. Ich habe keinen Einblick in die Sitzungen, und auch kein Vetorecht. 

Sie haben bei unserem letzten Gespräch vor zwei Jahren angekündigt, mindestens 90 bis 95 Prozent Ihres Erbes zu spenden, mit der Begründung, dass von einem funktionierenden Gemeinwesen, in einer Gesellschaft mit Demokratie, Gerechtigkeit und Sicherheit, das oberste Prozent ja profitiert, also auch dadurch zu seinem Vermögen kommt, und also sollte diese Gruppe auch einen fairen Beitrag leisten. Haben Sie Ihr Vermögen gespendet?
Nein. Man kann Geld aus dem Fenster werfen, wenn man unbedingt möchte. Aber das will ich nicht machen. Ich möchte mich sinnvoll damit auseinandersetzen. Außerdem kann man sich nicht auf Spenden verlassen. Das gilt für mich genauso wie für alle anderen Vermögenden. Ohne Besteuerung bekommen wir nicht die sinnvollen Finanzen für einen gut funktionierenden und gut finanzierten Sozialstaat zusammen. Steuern sind verlässlich, demokratisch. Und das ist das, worauf ich mich konzentrieren will. Darum liegt meine Priorität in der Arbeit zu mehr Steuergerechtigkeit.

Sie haben die im Deutschen Raum vertretene Organisation "taxmenow" mitbegründet, sind in Österreich Sprecherin. Was konkret fordert diese Organisation?
Sie fordert zunächst die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Wiedereinführung der Erbschafts- und Schenkungssteuer, progressive Kapitalertragsbesteuerun und eine umfassende Ausstattung der Steuerbehörden. Denn es kann nicht sein, dass man Steuervermeidung bis hin zu Steuerraub hat und die Finanzbehörden gar nicht die Möglichkeit haben, hinterher zu arbeiten, weil ihnen die MitarbeiterInnen, die Finanzen oder die Expertise fehlen. Die „Cum-Ex-Deals“ (Anm. „Cum-Ex“ sind zwielichtige Aktiengeschäfte, mit denen Banken in Deutschland zulasten der Steuerzahler Milliarden an Steuern gespart haben, Anm.) sind ein gutes Beispiel. Bei diesen Steuerausfällen hat man gemerkt, dass durch hochkomplexe Finanzgeschäfte, wo man wirklich Expertise braucht, unglaublich schnell Steuergeld geraubt wurde und die Behörden noch nicht einmal die Chance hatten, hinterher zu arbeiten, weil die Geschwindigkeit und die Komplexität so hoch sind, dass sie nicht mitkommen, auch, weil ihr die Finanzen fehlen.

Die SPÖ fordert eine Besteuerung von Vermögen ab einer Million Euro. Die erste Million Vermögen ist steuerfrei, für die darüber liegenden Teile soll Steuer gezahlt werden". Dabei soll die Steuer laut SPÖ-Vorschlag progressiv gestaffelt werden, heißt also: Die Höhe der Besteuerung steigt mit der Höhe des Vermögens. Angefangen wird mit 0,5 Prozent, ab einem Vermögen von zehn Millionen Euro soll die Steuer dann auf 1,0 Prozent gesteigert werden (usw.). Entspricht dieses Konzept Ihren Vorstellungen?
Wir bei taxmenow sind sehr vorsichtig, uns auf kein Modell festzulegen, einfach, weil wir die Expertise nicht haben. Da greifen wir auf die unserer Bündnispartner zurück, zum Beispiel das "Netzwerk Steuergerechtigkeit" oder die Bürgerbewegung "Finanzwende" in Deutschland. Uns interessiert eher eine ganz banale Frage: Ist das Modell demokratisch umsetzbar und wird es demokratisch entschieden? Da sehe ich Chancen, dass das möglich ist. Es ist aber ein sehr, sehr vorsichtiges Modell, weil diese Art von Besteuerung, also diese Steuersätze, zahlt jemand, der Millionen zur Verfügung hat, ja aus seiner Rendite. Die Millionen liegen nämlich nicht auf einem Konto – da zeigt mir jede Bank den Vogel – sondern die muss ich auf ein Depot legen und anlegen. Wenn ich, konservativ geschätzt, fünf Prozent Rendite im Jahr mache, muss ich als Nettomillionärin auf das, was darüber hinausgeht, dann 0,5 Prozent Steuern zahlen. Da mache ich halt nur für viereinhalb Prozent Rendite oder bei einem Prozent Steuer „nur" vier Prozent. Das heißt, ich werde trotzdem jedes Jahr reicher. Die Schere geht zwar weiter auf, aber halt ein bisschen langsamer. Daher denke ich, dass das Modell durchaus noch Luft nach oben hat, weil es nicht die tatsächliche Problematik löst, dass die Schere auseinandergeht.

Nach aktuellen Daten wären etwa vier bis fünf Prozent der Haushalte von einer solchen Vermögenssteuer betroffen. Die Arbeiterkammer schätzt, dass dadurch in etwa vier Milliarden Euro eingenommen werden können. Das erscheint auf den ersten Blick nicht allzu viel zu sein, immerhin belaufen sich die jährlichen Steuereinnahmen in Österreich auf rund 130 Milliarden Euro…

Naja, vier Milliarden Euro könnten wir durchaus gut brauchen. Wir hatten heuer eine Senkung auf Steuern für Unternehmensgewinne, das wird es 2024 auch geben. Das bringt eine Milliarde Steuergeschenke an große Unternehmen und Konzerne – Kleine sind davon ausgenommen, weil sie nicht körperschaftssteuerpflichtig sind. Wir hätten mit dieser Vermögenssteuer eine sinnvolle Methode, das auszubalancieren, wenn schon solche seltsamen Entscheidungen von der Regierung getroffen werden. Wenn ich also Vermögen „sinnvoll“ besteuern will, muss man schauen, wie kann ich den Faktor Arbeit richtig entlasten? Man muss das System in eine Balance bringen, damit nicht nur arbeitende Menschen durch ihre Arbeit und ihren Konsum dieses am Laufen halten. Deren Leistungen werden ja ständig gekürzt, während die Unternehmen mehr Gewinne machen. Man kann auch andere Maßnahmen setzen, zum Beispiel die klimaschädlichen Subventionen streichen. Das, was es wirklich braucht, ist eine Regierung mit Rückgrat.

Im Herbst 2024 wird in Österreich neu gewählt. Sollte Andreas Babler mit der SPÖ gewinnen, könnte es sein, dass schon nächstes Jahr die Vermögenssteuer wieder eingeführt wird. Dann wären Sie Ihr Geld los. Wissen Sie schon, was Sie dann machen?
Bei solchen Vermögenssummen geht es nicht um eine Privatsache, es ist eine öffentliche Angelegenheit. Darum sollte der Staat bei Erbschaften Steuern auf das Vermögen einheben. Das Vermögen konnte sich ja nur anhäufen, weil es eine staatliche Infrastruktur, wie Straßen, Schulen, Universitäten, Grundlagenforschung für Erfindungen, etc. gibt, die dazu führte, dass ein Unternehmen Vermögen in irgendeiner Form überhaupt erst anhäufen kann. Das ist ja ein Kreislauf. Wenn eine solche Steuer eingeführt wird, dann freue ich mich darüber, aber los wäre ich mein Vermögen mit dem angedachten Modell noch lange nicht.

Marlene Engelhorn: Millionenerbin fordert strukturelle Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung. | Foto: Roland Ferrigato
  • Marlene Engelhorn: Millionenerbin fordert strukturelle Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung.
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Sollten Konten im Ausland verboten werden?

So pauschal kann ich das nicht beantworten. Briefkastenfirmen gelten als eine der beliebtesten Möglichkeiten, Gewinn woanders niedriger besteuern zu können, obwohl man dort keine Produktionsstätte, keine Angestellten hat. Von diesem Steuermodell sollte man nicht profitieren dürfen. Hier wird ganz aktiv Geld an der Gesellschaft vorbei geschleust, der es aber eigentlich zusteht, weil sie stellt die gesamte Infrastruktur für den Gewinn zur Verfügung, damit er woanders versteuert. Das kann es nicht sein. Die USA knüpfen die Vermögenssteuer an die Staatsbürgerschaft. So nützt es nichts, wenn man seinen Wohnsitz verlegt. Bei Entscheidungen, wie über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, ist eine gesellschaftliche Debatte wichtig, sonst sind diese Entscheidungen nicht nachhaltig. Sonst kommt die nächste Legislaturperiode, und alles ist wieder anders. Es geht auch um Planbarkeit.

Die nützlichsten Jobs werden oft am schlechtesten bezahlt, haben Sie einmal gesagt. Unsere moderne Gesellschaft belohnt eben Bildung und geistige Entwicklung. Sollen im Gegenzug Managergehälter bzw. solche, die mit Hochschulabschluss verbunden sind, schlechter besteuert werden?
Hohe Gehälter werden jetzt schon höher besteuert als niedrige, darum geht es nicht, es geht um Besteuerung von Vermögen. Zum Verhältnis: Es wurde international, aber auch in Österreich eine Schwelle definiert. Rutscht man unter diese Schwelle, so gilt man als armutsbetroffen, ist man an dieser Schwelle, als armutsgefährdet. Über eine Million Menschen in Österreich leiden darunter, dass sie systematisch in dieser finanziellen Position sind. Die suchen sich das nicht aus. Wenn es eine Schwelle nach unten gibt, dann muss man auch darüber diskutieren, ob man oben ebenfalls eine Schwelle einzieht. Auch wenn jemand studiert hat. Man muss sich generell die Frage stellen: Wie kann man dafür sorgen, dass mehr Geld im Fluss ist und dadurch zu einem Wohlstand für alle führt? Und wie lässt sich das strukturell verankern? Es darf nicht sein, dass jemand, weil er vermögend ist, durch eine Parteispende Einfluss in der Wirtschaft erkauft, oder aber auch durch große Aktienpakete, wo er Mehrheiten in einer Aktionärsversammlung bekommt, die sich auf die Verhältnisse von Menschen auswirken, oder dass man sich eigene Medien kaufen kann. Wir sind alle nicht davor gefeit, wenn wir Macht in der Hand haben, sie zu missbrauchen. Es sei denn, wir werden transparent kontrolliert.

Im internationalen Vergleich liegt Österreich beim Aufkommen vermögensbezogene Steuern mit 1,3 Prozent weit hinten. Unsere OECD schnitt ist 5,6 Prozent. Sind Sie für eine Abstimmung von Vermögenssteuern auf EU-Ebene?

Ich unterstütze momentan die European Citizens Initiative, also das Volksbegehren auf EU-Ebene, damit die Frage der Besteuerung von Vermögen ins EU-Parlament kommt. Bei über einer Million Unterschriften in sieben unterschiedlichen Ländern muss sich das Parlament damit befassen. Wir ziehen an einem Strang, und überlegen, wie wir das auf nationaler, aber auch auf EU-Ebene gemeinsam umsetzen können. Details findet man im Internet. Derzeit kommen von 100 Euro ganze 80 Euro aus Arbeit und nur vier aus vermögensbezogenen Steuern wie der Grunderwerbssteuer oder der KESt. Sechs Euro kommen aus der Körperschaftssteuer für große Unternehmen und Konzerne. Gleichzeitig haben wir eine Vermögensverteilung, wo ein Prozent der Bevölkerung bis zu 50 Prozent des Vermögens besitzt und die allermeisten Vermögen werden durch dynastische Weitergabe konzentriert. Das heißt, man vererbt sie. Das ist das Ergebnis politischer Entscheidungen, und die müssen schon auch in Österreich getroffen werden.

Als wir das letzte Mal vor zwei Jahren miteinander Kontakt hatten, haben Sie Germanistik studiert. Studieren Sie das noch und was haben Sie mit diesem Studium vor?
Ich bin nach wie vor auf der Uni eingeschrieben. Aber ich bin momentan so beschäftigt, dass ich keine Zeit habe und mir auch die Zeit nicht nehme, es fertigzustellen. Auch das ist ein Privileg, das mein Vermögen mir eröffnet. Fürs Erste möchte ich vor allem die Dinge, mit denen ich mich derzeit beschäftige, fertig stellen. Dann kümmere ich mich um die Abwicklung des Studiums.

Was wollen Sie denn dann später machen, wenn Sie das Studium beendet haben?
Gute Frage. Ich weiß es noch nicht genau. Derzeit bin mit den Themen Steuer- und Verteilungsgerechtigkeit voll ausgelastet. Außerdem organisiere ich die Rückverteilung meines Vermögens. Danach werde ich vielleicht Lektorin, ich lese gerne Bücher, das wäre eine schöne Arbeit. 

Wie viel Geld geben Sie am Tag aus?

Das kann ich nicht genau sagen, über Geld musste ich mir nie Gedanken machen, auch das ein Privileg von Vermögen. Ich kann Kaffee trinken und mir Bücher kaufen, ohne darüber nachzudenken, was das kostet. Schön wäre, wenn das kein Privileg bliebe.

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