Neue Studie
Kassenärzte verdienen deutlich mehr als Wahlärzte
Eine aktuelle Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) im Auftrag des Dachverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger beleuchtet die Einkünfte von ÄrztInnen in Österreich. Die Untersuchung, die sich auf Daten aus den Jahren 2017 bis 2020 stützt, offenbart beträchtliche Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen von MedizinerInnen.
ÖSTERREICH. Der Anteil der Wahlärztinnen und Wahlärzte hat sich in den Jahren von 2017 bis 2023 – abgesehen von Teilbereichen – erhöht, teils deutlich. Anfang April 2023 waren in Österreich 19.643 niedergelassene Ärzte gemeldet. 11.343 von ihnen haben keinen Kassenvertrag, sind also per Definition Wahlärzte. Das ergibt eine Differenz von 8300 Kassenärzten. Besonders auffällig ist der Zuwachs bei Hautärztinnen und Hautärzten: Dort wuchs der Wahlarztanteil von 58 auf 71 Prozent an, wie im Sommer eine parlamentarische Anfrage der SPÖ an das Gesundheitsministerium zeigte.
Gegen den Kassenärztemangel versprach die Regierung 2023 mit einem Startbonus von 100.000 Euro 100 neue niedergelassene Ärzte für die Fächer Allgemeinmedizin, Kinder- und Jugendheilkunde und Gynäkologie. Ein Jahr später fällt die Zwischenbilanz „ernüchternd” aus.
Dass sich immer mehr Medizinerinnen und Mediziner für den Job als Facharzt oder Wahlarzt entscheiden, liegt aber nicht nur an monetären Gründen. So zeigt eine Studie, dass ÄrztInnen mit Verträgen bei allen Krankenkassen im Jahr 2019 ein mittleres Jahreseinkommen (Median) von 178.128 Euro erzielten. Dies stellt eine erhebliche Steigerung gegenüber dem Wert von 142.772 Euro aus der Vorgängerstudie für das Jahr 2015 dar. Im Gegensatz dazu verdienten WahlärztInnen mit einem Median von 93.147 Euro deutlich weniger. Auch hier ist jedoch ein Anstieg im Vergleich zu 2015 (75.524 Euro) zu verzeichnen.
Wahlärzte wählen das Beste aus
"Es gibt trotzdem so viele Wahlärzt:innen, weil diese viel weniger Verpflichtungen unterliegen wie die Kassenärzt:innen, teilte ÖGK-Boss Andreas Huss auf MeinBezirk-Nachfrage mit. Wahlärzt:innen hingegen können den Ordinationsort, die Öffnungszeiten und auch die Honorarhöhen frei gestalten, damit können sie sich in gewisser Weise auch die Patient:innen aussuchen. "Das ist zwar für die Ärzt:innen schön, aber der gesellschaftliche Zweck der Versorgung für alle Versicherten kann so jedenfalls nicht abgedeckt werden, gibt Huss zu bedenken.
Die ÖGK bemüht sich schon seit längerem, dass Wahlärzt:innen zur Nutzung von ELGA, eCard, e-Rezept verpflichtet werden, um einerseits mehr Transparenz über die Tätigkeit der Wahlärzt:innen zu erlangen und sie gleichzeitig näher ans System heranzuführen. Der ÖGK-Obmann erhofft sich dadurch für einige Wahlärzt:innen einen niederschwelligen Umstieg in die Kassenversorgung.
Regionale Unterschiede
Eine regionale Analyse der Medianeinkünfte von VertragsärztInnen zeigt deutliche Unterschiede: Während Wiener und Niederösterreicher unterdurchschnittlich verdienen, liegen die Einkommen von Kolleginnen und Kollegen in Vorarlberg und Tirol über dem Durchschnitt. Selbst ohne Berücksichtigung von Hausapotheken bleibt dieses Muster bestehen. Betrachtet man hingegen die Durchschnittswerte, schneiden Wiener ÄrztInnen besser ab, was möglicherweise auf größere Praxisgrößen zurückzuführen ist, heißt es in der Studie.
Gewisse Leistungen (z.B. Labordiagnostik) werden in manchen Bundesländern nicht von Vertragsärzt:nnen erbracht, sondern von Instituten. Da die Studie jedoch nur Einkünfte von Ärzt:innen und nicht von Gesellschaften untersucht, könnte dies zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen, so Huss. Außerdem werden am Land mehr Leistungen auf den ersten Versorgungsebenen bei den niedergelassenen Ärzt:innen erbracht, was sich positiv auf die Einkommen auswirkt.
Geschlechterunterschiede und Alterseffekte
Unabhängig vom Vertragsstatus zeigen sich signifikante Einkommensunterschiede zwischen den Geschlechtern:
- Bei KassenärztInnen: Männer 200.140 Euro, Frauen 146.779 Euro (Median)
- Bei WahlärztInnen: Männer 116.335 Euro, Frauen 62.000 Euro (Median)
Die Unterschiede bei den Einkünften seien laut Huss mit großer Wahrscheinlichkeit strukturell bedingt (Care-Arbeit, Öffnungszeiten, Job-Sharing-Modelle, Wahl des Fachgebiets, Alter) meist gekoppelt an komplexere äußere Rahmenbedingungen, wie beispielsweise fehlende flächendeckende Kinderbetreuung.
Zudem wurde eine umgekehrt U-förmige Beziehung zwischen Alter und Einkommen festgestellt. Die höchsten Einkünfte werden in der Regel in der Altersgruppe der 50- bis 69-Jährigen erzielt.
Fachrichtungen mit großen Einkommensunterschieden
Unter den KassenärztInnen gibt es je nach Fachrichtung beträchtliche Einkommensunterschiede:
- Spitzenverdiener: Labor/Pathologie/Physikalische Medizin (641.048 Euro), Radiologie (369.122 Euro)
- Niedrigere Einkünfte: Gynäkologie (162.624 Euro), Allgemeinmedizin (162.696 Euro)
Fachärzt:innen mit hohen Einkünften haben auch dementsprechend hohe Investitionen zu verzeichnen und daher ein höheres finanzielles Risiko. Zudem ist zu berücksichtigen, dass jene Fachgruppen, die besonders viel verdienen, durch die zunehmende Technisierung hohe Skaleneffekte erzielen können, erläutert Huss.
Es gibt jedoch einzelne Fachärzt:innen, die sehr viel verdienen, insbesondere in technischen Fächern, z.B. Labormedizin. Hier ist davon auszugehen, dass einige dieser Fachärzt:innen große medizinische Laboratorien betreiben, merkt Huss an. Einkünfte aus Kapitalgesellschaften (GmbHs und Institute) sind in der Studie hier nicht enthalten. Die technischen Fächer werden daher tendenziell unterschätzt.
Hausapotheken als zusätzliche Einnahmequelle
AllgemeinmedizinerInnen mit Hausapotheke erzielten mit 224.626 Euro deutlich höhere Einkünfte als jene ohne Hausapotheke (156.677 Euro). "Die Einkünfteunterschiede sind jedoch nicht notwendigerweise ausschließlich auf die Gewinne der Hausapotheke zurückzuführen. Es könnten darüber hinaus noch andere intervenierende Effekte, wie z.B. andere Öffnungszeiten oder ein anderweitig erweitertes Leistungsspektrum vorliegen", schlussfolgern die Autoren der Studie.
Hinweis: Ausgaben für Personal, Betriebskosten, Sozialversicherungsbeiträge und EDV-Kosten sind laut ÖGK bereits abgezogen. Es sind nur noch Steuern zu entrichten. Es handelt sich nicht um Umsätze, sondern um ausgewiesene persönliche Jahreseinkommen der Ärzt:innen.
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