Photovoltaik
Steuerpflicht fürs Einspeisen von Sonnenstrom ins Netz
"Ich speise Strom aus meiner Photovoltaikanlage ins öffentliche Netz ein und bekomme dafür Geld von einem Energieversorger – muss ich diese Einkünfte versteuern"? Die Antwort: Ja – seit 2014. Denn damals wurde die zuvor sehr Anlagenbetreiber-freundliche und einfache Regelung durch einen rigiden und komplizierten Photovoltaikerlass des Finanzministeriums ersetzt, der alles andere als ein Beitrag zur Energiewende ist.
ÖSTERREICH. Selbst einen Beitrag zur Energiewende leisten, sauberen Strom aus Sonnenenergie erzeugen. Immer mehr Österreicherinnen und Österreicher wollen das Kraftwerk am eigenen Dach realisieren und investieren dafür auch viel Geld – beispielsweise rund 15.000 Euro für eine Anlage mit 10 Kilowatt Peak (kWp) Leistung. Angesichts der stark gestiegenen Strompreise und dank der Förderungen zahlt sich die Investition in eine Photovoltaikanlage auf den ersten Blick wirtschaftlich immer schneller aus – nicht nur, weil man sich beim selbst verbrauchten Strom Kosten erspart, sondern auch weil die Entgelte für das Einspeisen von Strom ins öffentliche Netz deutlich attraktiver geworden sind. Aber:
Einkommenssteuererklärung notwendig
Woran viele Privatbetreiber allerdings nicht denken: Die Arbeitnehmerveranlagung sieht nur 730 Euro als Freibetrag an zusätzlichen nebenberuflichen Einkünften vor. Wer Strom aus seiner Photovoltaikanlage einspeist, bekommt dafür vom Abnehmer, dem Energieversorger oder der OeMAG (Abwicklungsstelle für Ökostrom Österreich), vor allem wegen der zuletzt stark gestiegenen Strompreise aber schnell mal mehr.
"Wenn neben nicht selbstständigen Einkünften, wie etwa einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis oder dem Bezug einer Pension, zusätzliche Einkünfte durch die Stromgewinnung mittels Photovoltaik-Anlagen vorliegen, unterliegen diese der Einkommensteuer. Die Höhe richtet sich nach dem persönlichen Einkommensteuersatz, der sich aus den unselbstständigen Einkünften ergibt. Es gilt ein Veranlagungsfreibetrag von 730 Euro pro Jahr. Wird dieser Betrag überschritten, besteht Erklärungspflicht und es muss eine Einkommensteuererklärung abgegeben werden", so Markus Raml von der Raml & Partner Steuerberatung GmbH in Linz.
Finanzamt bestätigt Steuerpflicht
Auch eine Anfrage der BezirksRundSchau beim Finanzministerium bestätigt Ramls Expertise:
"Danach ist ein Gewerbebetrieb eine selbständige, nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (§ 23 EStG 1988). Der Betrieb einer Photovoltaikanlage bzw. die entgeltliche Einspeisung von Strom ins Netz erfüllt diese Voraussetzungen, sodass steuerpflichtige Einkünfte vorliegen, wenn die Einkünfte aus der Einspeisung über dem Veranlagungsfreibetrag iHv 730 Euro pro Jahr liegen. Wir möchten in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass sich der Betrag iHv 730 Euro auf die Einkünfte, also die Einnahmen abzüglich der Aufwendungen bezieht. Je höher also die Investitionskosten, desto höher sind also auch die abziehbaren Aufwendungen (Abschreibung).
Überschreitet der betroffene Betreiber tatsächlich diese Grenze, gibt es eine Erleichterung: Er kann von der Kleinunternehmerpauschalierung Gebrauch machen und profitiert vom Wegfall einer vollumfänglichen Steuererklärung, da in diesem Fall nur die vereinfachte Beilage E1a-K auszufüllen ist."
Das klingt kompliziert? Ein Erklärungsversuch anhand eines Beispiels:
Was muss versteuert werden?
Die 10 kWp-Anlage auf einem Einfamilienhaus produziert 10.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Kaufpreis inklusive Montage: 15.000 Euro. Laut Interessensverband PV Austria gibt es dafür 2.850 Euro an Förderungen – mehr dazu hier. Der Strom wird zum aktuellen Marktpreis von 25,689 Cent pro Kilowattstunde an die OeMAG verkauft.
Um zu klären, ob eine Steuerpflicht vorliegt, weil die 730-Euro-Freigrenze in der Arbeitnehmerveranlagung überschritten wird, müssen folgende Rechenschritte angestellt werden:
- Von den Kosten der Anlage – 15.000 Euro – müssen zuerst alle Förderungen abgezogen werden- Übrig bleiben die sogenannten "Steuerlichen Anschaffungskosten" – in unserem Beispiel also 12.150 Euro.
- Von den 10.000 Kilowattstunden Strom werden beispielsweise 4.000 im eigenen Haushalt verbraucht und 6.000 ins öffentliche Netz eingespeist – die Einkünfte daraus bei 25,689 Cent/kWh betragen also 1541,34 Euro.
- Durch die 4000 im Haushalt verbrauchten Kilowattstunden (von 10.000 kWh Gesamterzeugung/Jahr) liegen 40 Prozent "Privatanteil" vor. Bedeutet: Nur 60 Prozent der nach Abzug der Förderung übrig gebliebenen "Steuerlichen Anschaffungskosten" dürfen über einen Zeitraum von 20 Jahren in die Abschreibung einfließen.
- Heißt: "Steuerliche Anschaffungskosten" von 12.150 Euro mal 0,6. Ergibt 7290 Euro – die durch 20 (Jahre) geteilt macht 364,5 Euro, die von den jährlichen Einkünften abgezogen werden können.
- Also: 1541,34 Euro minus 364,5 Euro – ergibt: 1176,84 Euro. Davon können noch 15 Prozent Gewinnfreibetrag (bis 2021 13 %) abgezogen werden.
Macht 1000,31 Euro – die Basis zur Steuerberechnung, die über der 730-Euro-Freigrenze in der Arbeitnehmerveranlagung liegt. - Wird die vom Finanzamt angepriesene Kleinunternehmerpauschalierung angewandt, reduziert sich die Basis zur Steuerberechnung in diesem Beispiel zwar auf 737,53 Euro. Das sind jedoch 7,53 Euro mehr als die Freigrenze, wodurch es auch wie bei der anderen Berechnung einen Steuerberater für die noch kompliziertere Steuererklärung braucht, der dann ein paar hundert Euro kostet.
Die Berechnung ob man die Freigrenze überschreitet, bleibt grundsätzlich keinem PV-Anlagenbetreiber ab einer gewissen Anlagengröße erspart – und zwar jährlich, weil sich ja der Einspeisetarif verändert, und damit auch die Einkünfte zu oder abnehmen. Das Versteuern der Einkünfte können Anlagenbetreiber dagegen vermeiden, wenn sie möglichst viel Strom im eigenen Haushalt verbrauchen und so unter der 730-Euro-Freigrenze in der Arbeitnehmerveranlagung bleiben.
Möglichst viel PV-Strom selbst verbrauchen
- Das ist einerseits durch ein Optimieren der Verbraucher möglich – etwa wenn Waschmaschine, Trockner oder die Tiefkühltruhe am Tag bei Sonnenschein laufen, und die Wärmepumpe ebenfalls dann Haus und Warmwasser heizt, wenn die Photovoltaikanlage Energie liefert.
- Zweite Möglichkeit: Die Investition in einen Stromspeicher (Akku), der bei voller Leistung der Photovoltaikanlage Strom bunkert und dann bei Bedarf wieder an die Verbraucher im Haushalt abgibt. Auch diese Speicher werden gefördert – siehe hier.
Finanzamt machte es komplizierter und teurer
Könnte man den Österreicherinnen und Österreichern, die im Sinne der Energiewende viel Geld in eine Photovoltaikanlage investieren, das Leben nicht leichter machen? Ja, denn vor dem aktuellen Finanzministeriums-Erlass "Steuerliche Beurteilung von Photovoltaikanlagen" vom 24. Februar 2014 galt die sehr Anlagenbetreiber-freundliche aber vor allem praktikable Regelung "Erlass über die Ertrag- und Umsatzsteuerliche Beurteilung von Photovoltaikanlagen" vom 8. Oktober 2012:
"Bei einer Photovoltaikanlage, die nicht mehr als 150 Prozent des durchschnittlichen Stromverbrauchs des Haushalts des Anlagenbetreibers abdeckt, ist davon auszugehen, dass sie vorrangig aus privaten Motiven und nicht zur Erbringung von Leistungen am Markt betrieben wird." Und: "Nur weil keine andere 'Speichermöglichkeit' als das örtliche Stromnetz zur Verfügung steht, wird die Erzeugung an sich zum privaten Verbrauch benötigten Stroms nicht zur unternehmerischen Tätigkeit, wenn der erzeugte Strom nicht deutlich den Privatbedarf übersteigt."
Hieß – bis Februar 2014 – in der Praxis: Die Einkünfte durch das Einspeisen von Strom aus der Photovoltaikanlage mussten nicht versteuert werden – solange die Anlage nicht mehr als 150 Prozent des Stromverbrauchs im eigenen Haushalt erzeugte. Das komplizierte Berechnen, ob Steuerpflicht vorliegt, war ebensowenig notwendig wie eine Steuererklärung.
"Für Otto Normalverbraucher nicht zumutbar"
Mit dem aktuell gültigen Erlass aus dem Jahr 2014 wurde es aber nicht nur finanziell weniger attraktiv, eine PV-Anlage anzuschaffen. Durch das Überschreiten der 730 Euro-Freigrenze wegen der mit dem Strompreis deutlich gestiegenen Einspeistarife müssten immer mehr Anlagenbetreiber, denen das jedoch bisher nicht bewusst sein dürfte, die komplizierte Steuererklärung machen. "Das ist für Otto Normalverbraucher nicht zumutbar", sagt Michael Nösslböck, Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft eccontis treuhand gmbh mit Sitz in Puchenau.
Gibt gar nicht genug Steuerberater
Wie etwa beim Vermieten einer Wohnung müsse man sich natürlich "Gedanken machen, ob und wie etwas zu versteuern ist, sobald ich Geld bekomme", aber: Wenn etwa alleine in Oberösterreich bis 2030 rund 200.000 PV-Anlagen auf den Dächern Strom aus der Sonne liefern soll, dann gebe es gar nicht genug Steuerberater, um die durch den 2014er-Finanzamts-Erlass notwendigen Steuererklärungen abzuwickeln: "Das wird zum Mengenthema", so Nösslböck. Er schlägt deshalb vor, eine Grenze einzuführen, bis zu der privat betriebene PV-Anlagen "steuerlich irrelevant" seien – entweder so wie im alten Erlass mit Bezug auf den Stromverbrauch des Haushalts oder in Hinsicht auf die Maximalleistung der Anlage.
Energielandesrat: Private steuerfrei stellen
Energielandesrat Markus Achleitner ist vor dem Hintergrund der BezirksRundSchau-Recherchen zur Problematik bereits mit Finanzminister Magnus Brunner im Gespräch: "Die Eigenproduktion privater Photovoltaikanlagen soll steuerfrei gestellt werden. Wir motivieren die Menschen und fördern die Transformation hin zu Erneuerbaren Energieträgern und dürfen dann nicht die Privatpersonen steuerlich bestrafen, die sich für die Energiewende engagieren. Der Bund soll einen entsprechenden Vorschlag machen."
Keine Antworten des Finanzministers
Vielleicht nimmt das Finanzministerium ja den Vorschlag des eccontis-Geschäftsführers auf – als Antwort auf eine Anfrage der BezirksRundSchau hieß es von dort aber nur vage:
"Das Finanzministerium evaluiert laufend zusätzliche Maßnahmen, um den weiteren Ausbau der Photovoltaik in Österreich auch abgabenrechtlich bestmöglich weiter zu forcieren."
Eine konkrete Beantwortung der folgenden direkt an Finanzminister Magnus Brunner gestellten Fragen blieb man schuldig:
- Der Bund unterstützt das Engagement der zahlreichen Österreicherinnen und Österreicher, ihren Beitrag zur Energiewende zu leisten, indem sie eine PV-Anlage installieren - etwa durch sehr großzügige Förderungen. Gleichzeitig könnte es für viele zum bösen Erwachen kommen, wenn sie der Steuerpflicht gewahr werden – sobald sich die ersten Auswirkungen zeigen, könnte das den Boom der Photovoltaik deutlich einbremsen und so auch die Energiewende verlangsamen. Ich nehme nicht an, dass das in Ihrem Sinne als Finanzminister ist?
- Welche Idee gibt es, dem Erlass 2014 die Giftzähne zu ziehen, um vor dem Hintergrund der großen und immer größer werdenden Zahl an Betroffenen eine praktikable Lösung zu finden, für die es eben keinen Steuerberater braucht?
- Ist eine Rückkehr zur aus Sicht mehrerer konsultierter Steuerberater sehr praktikablen Lösung im Erlass 2012 denkbar?
- Wann ist damit zu rechnen, dass ein überarbeiteter Erlass in Kraft treten könnte?
- Was sollen PV-Anlagenbetreiber bis dahin tun, die auf ihrer Endabrechnung jetzt sehen, dass sie mehr als 730 Euro an Entgelten für das Einspeisen erhalten haben?
Kommentar "Geht's nicht auch ohne Steuerberater, Herr Finanzminister?"
Warum machte es das Finanzamt so kompliziert?
Da der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2013 in einem Urteil zu einem Volleinspeiser aussprach, dass Einnahmenerzielung vorliegt, und daher der Volleinspeiser umsatzsteuerlicher Unternehmer ist – unabhängig davon ob die produzierte die verbrauchte Menge übersteigt. Als Folge daraus bejahte das Finanzministeriums die Unternehmereigenschaft wegen Einnahmenerzielung auch für den Überschusseinspeiser. Daher steht jetzt auch ein Vorsteuerabzug zu, wenn die Anlage zu mindestens zehn Prozent der unternehmerischen, also einnahmenerzielenden Tätigkeit dient – außer die privat entnommene Energie übersteigt jene, die ins Netz eingespeist wird. Das zur Umsatzsteuer ergangene EuGH-Urteil hat dann auch auf die Einkommensteuer „durchgeschlagen“ und das Finanzministerium offenbar veranlasst, das Vorliegen von Einkünften aus Gewerbebetrieb auch bei einem Überschusseinspeiser anzunehmen.
Was Nutzung der Sonnenenergie bremst
Nicht nur das Steuerthema könnte vielen Energiewende-Willigen derzeit die Lust an der Investition in die eigene PV-Anlage vermiesen. Es gibt auch ein paar andere Hürden am Weg zum Sonnenkraftwerk am Hausdach – siehe Bericht Was die Nutzung der Sonnenenergie derzeit bremst.
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