Expertin im Interview
Hoffnung und Hürden für Wiener Senioren im Alltag
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- Auch Wien wird zunehmend zu einer digitalen Welt. Doch wie finden sich unsere älteren Mitmenschen damit zurecht?
- Foto: Olly/Pexels
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Rund 165.000 Menschen in der Stadt sind 75 Jahre oder älter. Dadurch entstehen gewisse Herausforderungen im Alltag. Doch wie sehr ist Wien auf diese Altersgruppe zugeschnitten? Die Seniorenbeauftragte der Stadt, Sabine Hofer-Gruber, über die Digitalisierung, das Bankensterben und öffentliche Toiletten.
WIEN. Wie seniorenfreundlich ist Wien? Mit dieser Frage beschäftigt sich MeinBezirk in den nächsten Wochen. Denn Tatsache ist, dass rund 165.000 Wienerinnen und Wiener 75 Jahre plus alt sind. In diesem Alter können die Wege schon mal anstrengend werden, wenn es nicht genügend Bankerl zum Ausrasten gibt oder eine öffentliche Toilette weit und breit nicht in Sicht ist.
MeinBezirk hat mit der Seniorenbeauftragten der Stadt Wien, Sabine Hofer-Gruber, gesprochen. Im Interview erzählt sie über die Herausforderungen im Alter, welche Angebote es für Demenzerkrankte gibt und wie eine seniorenfreundliche Stadtplanung aussieht.
Es braucht zeitgerechte Information
Rund 165.000 Wienerinnen und Wiener sind 75 Jahre und älter. Wie seniorenfreundlich ist unsere Stadt?
SABINE HOFER-GRUBER: Unsere Stadt ist sehr seniorenfreundlich, aber sie kann nie seniorenfreundlich genug sein.
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- Sabine Hofer-Gruber ist Seniorenbeauftragte der Stadt Wien.
- Foto: David Bohmann
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Es gibt zahlreiche Angebote, dennoch sind viele Seniorinnen und Senioren einsam. Wie kann man dem als Stadt Wien entgegenwirken?
Meine Strategie ist es, auf zeitgerechte Information zu setzen – nicht nur für Personen 60 plus, sondern auch für Angehörige und Bekannte, die dann Betroffene darauf hinweisen: "Du, da gibt es etwas. Schau da doch einmal vorbei oder schauen wir uns das gemeinsam an!" So sollen diese Personen gar nicht erst Gefahr laufen, einsam zu werden.
Gegen das Vergessen
Es ist medizinisch erwiesen, dass durch Einsamkeit ein um 40 Prozent höheres Risiko für Alzheimer besteht. Wie geht Wien mit diesem Thema um?
Auf der einen Seite durch Bewusstseinsbildung. Zum Thema Demenz haben wir etwa einen Erklärfilm gestaltet. Mir ist wichtig, dass möglichst viele in dieser Stadt sich mit diesem Thema befassen. Demenz hat sieben Stufen. Zumindest in den ersten fünf davon leben die Betroffenen mitten unter uns. Dementsprechend ist die Bewusstseinsbildung wesentlich. Dann gibt es natürlich auch Unterstützungsangebote, etwa die Tageszentren für Seniorinnen und Senioren des Fonds Soziales Wien. Einige deren Standorte sind sogar am Wochenende geöffnet.
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- Es ist medizinisch erwiesen, dass durch Einsamkeit ein um 40 Prozent höheres Risiko für Alzheimer besteht.
- Foto: Steven hwg/unsplash
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Wie sieht denn so ein Tag im Tageszentrum aus?
Das Angebot ist umfassend. Man kann mitmachen, muss aber nicht. Der Tag beginnt mit einem Frühstück. Danach warten verschiedene Aktivitäten: Gedächtnistraining, Handarbeiten, Tanzen und Singen, aber auch Therapie. Ich bin immer wieder fasziniert, wenn Menschen, die das Sprechen verlernt haben, gemeinsam "Das alte Haus von Rocky Docky" singen oder trotz körperlicher Beeinträchtigung das Tanzbein schwingen. Es folgt ein gemeinsames Mittagessen und danach meist eine Ruhephase. Ab 16 Uhr machen sie sich dann wieder auf den Weg nach Hause.
Digitale Banken und Behörden
Von Bankgeschäften bis zu Amtswegen findet heutzutage vieles fast ausschließlich digital statt. Vergessen wir auf die ältere Generation?
Die Banken gehen weg vom Bargeld, alles soll nur noch digital funktionieren. Das Filialnetz ist um 33 Prozent zurückgegangen und auch die Bankomaten werden immer weniger. Doch was braucht es? Auf der einen Seite Schulungen. Wir wollen die Seniorinnen und Senioren digital fitter machen. Ich versuche aber auch, Banken davon zu überzeugen, sich als seniorenfreundliche Banken zu positionieren. Noch ist keine auf diesen Zug aufgesprungen, aber wer mich kennt, weiß, dass ich sehr hartnäckig sein kann.
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- Für viele Seniorinnen und Senioren ist es herausfordernd, mit der digitalen Welt Schritt zu halten.
- Foto: Tim Kilby/unsplash
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Wie seniorentauglich sind Wiens Plätze überhaupt?
Wir sind oft in die Stadtplanung eingebunden, wobei wir auch unsere Anregungen kundtun. Wichtig sind mehr Sitzgelegenheiten, Trinkbrunnen und Toiletten. Wir brauchen mehr generationenübergreifende Begegnungszonen. Dafür könnte man die leer stehenden Erdgeschosszonen nutzen. Aber auch beim Wohnbau ist das ein Thema, beispielsweise bei einer großen Wohnsiedlung mit verschiedenen Stiegen. Da wäre es gut, wenn eine Stiege nicht "Nummer 27", sondern beispielsweise "Caorle" heißen würde und farblich gestaltet wäre, damit ich auch in späteren Jahren die Möglichkeit habe, mich gut zu orientieren.
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Wie seniorenfreundlich ist Wien? In welchen Bereichen wird auf die ältere Generation vergessen? Was gehört verbessert? Schreib uns an redaktion.wien@meinbezirk.at
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