Menschen mit Behinderung
Massive Mehrbelastungen für Angehörige
Die Ergebnisse einer Umfrage sind alamierend: Jeder zweite Angehörige, der Menschen mit Behinderungen pflegt, gibt an, dass er/sie sich im ersten Lockdown oftmals überfordert gefühlt hat. Häufig waren 30 bis 40 zusätzliche Pflegestunden zu den bisherigen Aufgaben nötig.
Die damals 26-jährige Daniela Medwed aus Axams wollte noch ihr Studium abschließen. Doch nach einer einer medizinisch fehlbehandelten Lungen-Entzündung ist sie komplett auf Unterstützung angewiesen. Für ihre Eltern begann damit vor 16 Jahren eine Zeit höchster Belastung. Sie wechseln sich bei der Pflege und der Betreuung ihrer Tochter rund um die Uhr ab. Ein bißchen Durchschnaufen können sie, wenn Daniela die slw-Tagesstruktur nützt und im Anschluss die mobile Begleitung.
Individuelle Pflege
Die individuelle Pflege zu Hause ist ihnen wichtig – die einzigen Alternativen wären ein Platz im Altersheim oder in der Psychiatrie. Sich um Angehörige mit Pflegebedarf kümmern ist für viele Betroffene eine Herzensangelegenheit, die jedoch mit vielen Entbehrungen verbunden ist. Dazu kommen noch andere Aufgaben wie Berufstätigkeit und Haushalt, die in Summe zu einer enormen Mehrfachbelastung führen. Darüber schwebt eine weitere, ständige Bedrohung: Sowohl Menschen mit Behinderungen als auch pflegende Angehörige sind besonders häufig von krisenbedingtem Arbeitsplatzverlust betroffen. Noch dramatischer ist die derzeitige Situation wirtschaftlicher Unsicherheit für Alleinerziehende.
Belastungsgrenzen
Das vergangene Jahr hat viele Familien mit pflegebedürftigen Personen deutlich über die Belastungsgrenzen geführt. Das zeigt auch eine Befragung des Tiroler Vereins "Angehörige von Menschen mit Behinderungen", der von Danielas Vater Karl Medwed geleitet wird. Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 wurden die Erfahrungen von knapp hundert Betroffene zusammengefasst. Das erste Fazit: "Die erste Welle der Covid19-Pandemie hat Menschen mit Behinderungen und ihre Angehörigen vor vollkommen neue Herausforderungen gestellt. Eines hat uns die Krise wieder schmerzlich vor Augen geführt: Nein, wir werden nicht selbstverständlich mitgedacht! Und das Recht auf Teilhabe wird in Akutsituationen schnell verdrängt."
Zusätzliche Stunden
Im ersten Lockdown waren sämtliche Angebote, die den Familien sonst im Alltag Erleichterung verschaffen, nicht mehr möglich – davon betroffen waren auch nahezu alle Therapien. Neun von zehn Befragten geben an, dass sie mit der Pflege auf sich allein gestellt gewesen sind. Besonders bei Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf mussten zu den bereits bestehenden Aufgaben, die oft an die Belastungsgrenzen gehen, noch zusätzlich 30 bis 40 Wochenstunden geleistet werden.
Krisengremium
"Die Situation hat sich geändert: Mittlerweile gibt es ein eigenes Krisengremium im Land Tirol, das sich regelmäßig trifft, um auf die wichtigsten Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen und ihre pflegenden Angehörigen während der Pandemie einzugehen", sagt Karl Medwed. "Trotzdem bleiben Versorgungslücken, die bereits vor Beginn der Pandemie offensichtlich waren. Es sind nach wie vor noch viele Punkte offen, damit eine gute Begleitung unserer Angehörigen auch in Zukunft sichergestellt werden kann."
Weitere Berichte: www.meinbezirk.at/westliches-mittelgebirge
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