Panik unnötig
Es gibt genug Medikamente für alle & viele Alternativen

- Apothekerin Barbara Neubauer von der Apotheke zur Heiligen Dreifaltigkeit in Berndorf betont: "Es gibt für alles einen Ersatz." Viele vermeintlich nicht verfügbaren Medikamente sind in Wirklichkeit regulär erhältlich.
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Ein Schreckgespenst geht um: Kein Penicillin. Kein Fiebersaft. Kein Hustenstiller. Was ist dran am angeblichen Medikamentenmangel? Wir haben uns bei Apotheken im Bezirk umgehört. Die gute Nachricht: Es gibt Entwarnung, gegen jedes Leiden ist ein Mittel da. Nur halt nicht immer das, welches der Arzt aufgeschrieben hat.
REGION (Text: Pirzl/Preineder). Es ist Freitag kurz nach 9 Uhr Anfang Februar. In der Berndorfer Apotheke zur Heiligen Dreifaltigkeit herrscht ein reges Kommen und Gehen. Auffällig ist: Kein Kunde verlässt die Apotheke mit leeren Händen. Wo ist der viel zitierte Medikamentenmangel?
Ersatz ist vorhanden
Schnupfen, Husten, Heiserkeit – Winter ist Erkältungszeit. Doch seit einiger Zeit liest und hört man verstärkt vom Medikamentenmangel. Nureflex Fiebersaft für Kinder sei nicht lieferbar, ebenso Antibiotika und Schmerztabletten. Ist da was dran? "Ja, es gibt aktuell einen Mangel", bestätigt Pharmazeutin Barbara Neubauer von der Apotheke zur Heiligen Dreifaltigkeit in Berndorf. Aber sie gibt Entwarnung:
"Es ist von allem etwas da, aber selten genau das, was der Arzt aufgeschrieben hat."
Genau hier ist das Fachwissen der Apotheker gefordert: Gemeinsam mit dem behandelten Mediziner suchen sie nach Wirkstoff-Alternativen. Oft gibt es das selbe Präparat, nur eben in anderer Form. "Es gibt kaum etwas, wofür man keinen Ersatz findet", betont Barbara Neubauer. Aktuell sind beispielsweise Engpässe für Novalgin in Tropfenform. Tabletten sind aber nach wie vor problemlos erhältlich. Auch das beliebte Schmerzmittel Parkemed ist gerade Mangelware, auch dafür gibt es adäquate Alternativen.

- Viele Apotheken, wie die Apotheke Berndorf, bieten eigene Produkte als Alternative, z.B. Hustensaft mit Isländisch Moos.
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Lieferengpässe relativ
Am 1. Februar waren laut AGES (Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit) 610 Medikamente nicht oder nur eingeschränkt lieferbar. Auch diese Zahl sei laut Neubauer in Relation zu sehen, da hier jede einzelne Packungsgröße extra ausgewiesen wird. So komme es vor, dass z.B. die 30-Stück-Packung nicht, die 60-Stück-Packung sehr wohl erhältlich sei. Auch beim Nureflex Fiebersaft für Kinder, dessen Mangel bei vielen Eltern die Alarmglocken schrillen lässt, ist da – nur eben nicht immer in beide Stärken und Geschmacksrichtungen.
Situationselastisch und vorausschauend
"Es ist unsere Profession zu wissen, was in den Arzneimitteln drinnen ist und uns entsprechend nach Ersatz umzusehen, wenn etwas fehlt. 95 Prozent der Fälle sind vor Ort sofort lösbar. Und auch bei den restlichen fünf Prozent finden wir Alternativen", so Barbara Neubauer. Die Arbeitsweise habe sich eben verändert: Die Pharmazeutin telefoniert viel mit Ärzten, hält Kontakt zu Kollegen. Man hilft sich aus in der Region und darüber hinaus.
"Heute muss man vorausschauend agieren. Die Lager sind explodiert, weil wir darauf achten, alles rechtzeitig zu bestellen",
erzählt die Apothekerin.

- Viele vermeintlich fehlenden Produkte sind regulär erhältlich, nur eben nicht in allen Packungsgrößen oder Geschmacksrichtungen. Eigenmarken sind oft ein adäquater Ersatz, vor allem bei Erkältungskrankheiten.
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Ab April wirds besser
Barbara Wache betreibt die Engel-Apotheke in Traiskirchen. Sie ist positiv gestimmt:
"Die Lage entspannt sich ein wenig. Wir haben heute ein paar Medikamente geliefert bekommen, die uns sehr freuen. Da waren Antibiotika dabei. Es kommt ständig neues rein."
Apothekerin Barbara Neubauer aus Berndorf hofft ein Ende der temporären Engpässe: "Ich vermute, dass es ab April besser wird", sagt sie. Dann geht auch die Erkältungssaison zu Ende.

- Apothekerin Barbara Wache von der Engel Apotheke in Traiskirchen.
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Wache sieht die Sachlage wenig rosig: "Den Medikamentenmangel gibt es schon seit ein paar Jahren. Er hat sich im Herbst zugespitzt. Diese Situation wird uns auch in den nächsten Jahren begleiten, dass Medikamente nicht lieferbar sind." Derzeit betreffe es Medikamente quer durch die Bank. Besonders Antibiotika und Hustensäfte sind betroffen, auch Durchfallmittel und Schlafmittel sind manchmal nicht erhältlich. "Aber sogar bei Antibiotika kann man sehr gut auf Ersatzpräparate ausweichen", betont Apothekerin Neubauer. Auch sie bemerkt, dass Engpässe seit einigen Jahren zunehmen: "Corona und auch die Kriegshandlungen in der Ukraine haben die Situation verschärft", so die Pharmazeutin aus Berndorf.
Gründe für fehlende Arznei
"Momentan sind rund 600 Präparate nicht lieferbar", informiert Heinz Haberfeld, Präsident der NÖ Apothekerkammer von der Landschaftsapotheke in Baden im Gespräch mit den BezirksBlättern. Hauptsächlich betroffen seien vorwiegend Antibiotika, vor allem Penicillin.
Lieferprobleme und -engpässe gäbe es seit mehreren Jahren, diese haben sich aber in den letzten Wochen verstärkt. Das sei auf die aktuell hohe Nachfrage bei Antibiotika, schmerz- und fiebersenkenden Mitteln zurückzuführen. "Momentan haben wir drei bis vier Infektionskrankheiten nebeneinander – Corona, RS-Virus, Influenza, Erkältungen. Das haben wir in dieser Intensität noch nie gehabt", berichtet Heinz Haberfeld, Präsident der NÖ Apothekerkammer. Eine österreichweite Krisenbevorratung gibt es leider nicht. Wäre dem so, gäbe es solche Probleme nicht. "Man bemüht sich aber, um eine homogen flächendeckende Verteilung der Vorräte." Dennoch: Apotheken sollten Lieferengpässe einzelner Medikamente bis zu einem Monat überbrücken können.

- Der NÖ Apothekerkammer-Präsident Heinz Haberfeld von der Landschaftsapotheke in Baden.
- Foto: Apothekerkammer
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Einen zweiten Grund für das Problem nennt der Niederösterreicher: "Die Abhängigkeit von Indien und China. Österreich ist ein Arznei-Billigland. Man konnte in Österreich nicht mehr kostendeckend produzieren und hat die Produktion in andere Länder verlegt." Durch Lockdowns und hohe Infektionszahlen kommen viele Arbeiter nicht in die Fabriken, "Container warten in den Häfen Chinas auf die Umladung."
Tipps für sichere Versorgung
"Einen Monatsvorrat lebensnotwendiger Medikamente und solche, die regelmäßig eingenommen werden müssen, sollten Betroffene zu Hause haben, um einen Engpass überbrücken zu können." Aber von Hamsterkäufen rät der Präsident der NÖ Apothekerkammer dringend ab, denn "das würde die Situation negativ verschärfen. Und das wollen wir alle nicht, also weiter durchhalten." Doch so vernünftig sind die Menschen im Bezirk zum Glück ohnehin – bei den befragten Apotheken der Region sind noch keine Panikkäufe aufgefallen. Wozu auch – die Bevölkerung ist gut versorgt. Man muss halt – wie so oft im Leben – ein bisschen flexibel sein...
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