Coronavirus 2020
Seuchen: Telfer vertrauen auf den Hl. Sebastian
TELFS. Die Sebastianiverehrung hat in Telfs eine lange Tradition. Gerade jetzt, in der Corona-Krise, erinnert der Telfer Volkskundler Johann Gapp an die Sebastiani-Verehrung, die auf Seuchen vor Jahrhunderten wurzelt. Die Telfer haben in Situationen wie jetzt auf den Hl. Sebastian vertraut.
Vor 600 Jahren ...
... (zwischen 1347 und 1352) wurde ganz Europa von der Beulenpest heimgesucht. Auch Telfs wurde von der Seuche nicht verschont. Es gibt nur wenig Berichte darüber. Das wirkliche Geschehen wird hauptsächlich in Sagen erhalten oder auch in einigen wenigen Dokumenten von damals erwähnt. Alle möglichen Krankheiten wie Cholera, Pocken Typhus etc. wurden als "Pest" zusammengefasst. Die damaligen Mediziner waren heillos überfordert und starben oft selbst daran. Viele Gläubige suchten Zuflucht beim hl. Sebastian.
Im ältesten Urbar des Pfarrarchivs Telfs von 1620 – also genau vor 400 Jahren! – steht bereits:
"S. Sebastiani Briederschadt belangt. S. Sebastianitag wird zu Telfs hir feierlich erhalten, wirdt ain Ambt auf S. Seabastiani altar gehalten, so bey die Brüeder und Schwestern in ... mit aines Opfers zu erscheinen pflegen"
Es ist der bisher älteste Beweis einer bestehenden Brüderschaft zu Telfs vor 1647.
Im Jahre 1934 erinnerte man sich an das Jahr 1634, als Telfs laut Aufzeichnungen von der Beulen- oder Lungenpest heimgesucht wurde, und erneuerte das Gelöbnis einer jährlichen Sebastianiverehrung (wird mit einem Hochamt und einer Prozession bis heute begangen). Zu Beginn des zweiten Weltkrieges trugen einige Telfer Soldaten ein 5 cm großes rundes Leder um ihren Hals – ein Zeichen der Sebastianibruderschaft.
Warum der heilige Sebastian als Pestpatron?
Dies geht auf eine Erlöschung der um 680 n. Chr. in Rom und Italien wütenden Pest zurück - welche durch Sebastian geschehen sein soll. Zu dieser Zeit verband man das Symbol Sebastians, den Pfeil mit dem Pestsymbol. Damit wurde er in zahlreichen Ländern zum Patron zahlreicher Bruderschaften, welche sich der Pflege und Bestattung Pestkranker widmeten.
Er wird als einer der volkstümlichen Heiligen auch heute noch im Telfer Sebastiani-Lied alljährlich besungen. Der Telfer Pfarrer Georg Christeiner schrieb in seinem Brief über die betrüblichen Zustände in Telfs: Im vergangen Jahr waren 130 Personen verstorben. Auch der Briefwechsel der Gemeinde Telfs mit dem Dekan von Flaurling ist interessant: Hier wurde ein weiterer Priester für die Kranken gefordert, der Pfarrer aber weigerte sich scheinbar.
Stimme empfahl Bock und Bockswurzel sowie Wacholder
Dass die Seuche amtsbekannt war, beweist auch ein Vermerk in den Akten des Tiroler Landesarchivs - weswegen auch die Benützung der Brücke den Untertanen verboten war (Quarantäne).
Bemerkenswert dabei wird auch die Frage, welche Rolle die Pflanze in der Pestsage gespielt hat. Denn eine Sagenform ist besonders auffallend: In Telfs und Umgebung wütete die Pest, sodass die meisten Einwohner dahingerafft wurden. Als die Not am größten war, verkündete ein Stimme aus der Luft: "Esst´ s Kranebitt und Bibernell, dann holt enk der Tod nit so schnell!"
Die Leute befolgten den Rat und der Tod hörte auf. Der Verwendung soll ein homöopathisches Prinzip zugrunde liegen: Der Gestank der Pflanze soll die Pest vertreiben. Auch Dämonen werden durch starke Gerüche vertrieben - die Pest galt als dämonische Krankheit. Der intensive Geruch von Bock und Bockswurzel sowie der Wacholder sollen also die Pest vertreiben.
(Quelle: "Die Pest und die Sebastianiverehrung in Telfs" von Dr. Johann Gapp)
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