Nachruf
Seilbahnpionier Heinrich Klier ist 95-jährig verstorben
Heinrich Klier war Schriftsteller, Alpinist, Seilbahner und politischer Aktivist. Durch seinen Tod verliert Tirol eine der vielschichtigsten Unternehmer-Persönlichkeiten des Landes.
ZIRL/NEUSTIFT. Wie wenige andere Menschen verstand es Heinrich Klier, die ihm geschenkte Lebenszeit zu nutzen. Wohl auch deshalb, weil er dem Tod bereits in jungen Jahren mehrfach erfolgreich entkam. Als Dreijähriger bewahrte ihn seine Schwester vor dem Ertrinken, während der Kriegszeit überlebte er den ersten Bombenangriff auf Innsbruck und ein Lawinenunglück. Stillstand sowohl im körperlichen als auch im geistigen Sinne widerstrebte dem Naturell von Heinrich Klier. Sein Vermächtnis an die Nachwelt umfasst deshalb weit mehr als das schriftstellerische Oeuvre, die bergsteigerischen Höchstleistungen oder sein außerordentliches unternehmerisches Geschick. Er war ein Archetyp jenes besonderen Menschenschlages, der mit Entschlossenheit neue Wege beschreitet, Chancen erkennt und nutzt. Für sein Einstehen zu Überzeugungen nahm er sogar die Flucht aus Tirol in Kauf. Werte wie Mut, Offenheit und Fairness galten für ihn zeitlebens als höchste menschliche Tugenden.
Kinder- und Jugendzeit
In Zirl wohl behütet aufgewachsen, bewies der Freigeist bereits in jungen Jahren unternehmerischen Ehrgeiz an der elterlichen Tankstelle. Gleichzeitig keimte seine große Bergleidenschaft auf. Früh bewältigte er Kletterpartien zur Martinsgrotte. Alpine Freiheit genoss er am Solsteinhaus, wo er sich im Sommer als Junghirte verdingte. Die sorglose Kindheit endete für den Gymnasiasten jäh. Mit nur 17 Jahren wurde er zum Wehrdienst an die Front in Jugoslawien eingezogen. Eine prägende Zeit für den Jugendlichen. Sie inspirierte ihn zu einem späteren Roman. Gleichzeitig erkannte er, dass die vermeintlich feindlichen Partisanen lediglich ihre Heimat verteidigten. Nach Kriegsende gelang es Heinrich Klier in abenteuerlicher Manier nach Tirol zurückzukehren.
Mehr als ein Leben
In der Nachkriegszeit begann er sein Philologie-Studium und finanzierte dieses mit verschiedenen Tätigkeiten. Ob als Bergführer, Hilfsarbeiter, Holzknecht oder Journalist: Auch während dieser Phase seines Lebens zeigte Klier keine Scheu, neues Terrain zu betreten. Statt sich den starren Strukturen des Schulbetriebs zu beugen, beendete er seine Lehrertätigkeit und wurde Schriftsteller und Journalist. Der Bergbegeisterte reüssierte als Autor von Sachbüchern und Romanen wie „Verlorener Sommer", der in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Für Radio Tirol und den Bayerischen Rundfunk gestaltete er populäre Sendereihen wie „Für den Bergfreund" und „Heimat an Etsch und Eisack". Inhaltlichen Stoff für die Sendungen lieferten spektakuläre Expeditionen Mitte der 1950er Jahre. Dieser Expedition gelang die Erstbesteigung des 6.094 m hohen Jirishanca, auch das „Matterhorn Südamerikas" genannt.
Südtirol-Aktivist und Familienvater
Die Auseinandersetzung mit der politischen Situation in Südtirol ließ ihn zum Denkmalstürmer werden. Klier beteiligte sich 1961 an der Sprengung eines Mussolini-Standbilds. Mit dieser Aktion schrieben er und seine Mitstreiter Zeitgeschichte, hatten aber mit der scharfen Reaktion des italienischen Staates umzugehen. Die harte Konsequenz bildete für den Familienvater der Gang ins Zwangs-Exil nach München. Dort fand er ein Einkommen als Redakteur beim bekannten Bergverlag Rother. Erst nach dem Freispruch bei den Südtirol-Prozessen stand einer Rückkehr nach Österreich nichts mehr im Wege. Ein internationaler italienischer Haftbefehl führte während einer Ungarn-Reise dennoch zu einem Aufenthalt in Polizeigewahrsam. Dank Intervention des österreichischen Außenministeriums kam er wieder frei. Auf die endgültige Begnadigung aus Rom musste Klier bis 1998 warten.
Gründer Wintersport Tirol AG
Ein unternehmerisches Glanzstück vollbrachte die tatkräftige Persönlichkeit mit der Gründung der Wintersport Tirol AG. Mitte der 1960er Jahre begann seine „Tour de Tirol" mit der Entwicklung von Skigebieten im Unterinntal, es folgten Investitionen in Axams, Tulfes und Mieders. Zum Höhepunkt geriet die Proklamation seines „Königreich des Schnees", die infrastrukturelle und skitechnische Erschließung des Stubaier Gletschers. Um ein Projekt dieser Größenordnung zu realisieren, agierte Klier in der Manier eines heutigen Start-Up-Gründers. Befreundete Kapitalgeber glaubten an die Vision das ehemals karge Hochtal zu einer gefragten Wintersportdestination zu entwickeln. Dank dieser geschäftlichen Meisterleistung erlebte die Region einen regelrechten Tourismusboom. Initiator Heinrich Klier reihte sich damit endgültig in die Riege der großen Tiroler Tourismuspioniere ein. Neben dem Bau von Bergbahnen und Skipisten hatte er stets die Kundenbedürfnisse im Sinn, die er mit 4-Sterne-Hotel, Gastronomieangeboten und Sportgeschäften im Stubaital und Innsbruck erfüllte. Die Talgemeinde Neustift zeichnete seine Leistungen mit der Ehrenbürgerwürde aus. Zukunftsgewandt übergab Heinrich Klier die Verantwortung für sein Lebenswerk an seinen jüngsten Sohn Reinhard. Selbst im fortgeschrittenen Alter bestaunte er in seinem geliebten Hochstubai noch regelmäßig, welche Früchte seine Arbeit bis heute trägt.
Verstorben in Innsbruck
Am vergangenen Donnerstag, 6. Oktober 2022 verstarb Heinrich Klier 95-jährig in Innsbruck. Sein Tod hinterlässt auf persönlicher und familiärer Ebene eine tiefe Lücke, besonders für seine Frau und seine vier Kinder. Was auch in Zukunft Bestand haben wird, ist die Erinnerung an ein inspirierendes Leben. Heinz, wie er von seinem engsten Umfeld genannt wurde, hat es in vollen Zügen ausgekostet.
Lebenslauf
27. November 1926 - Geburt in Zirl.
1945 bis 1948 - Studium in Innsbruck und London, Dr. phil.
1951 – Veröffentlichung des ersten Romans „Feuer am Farran-Firn“.
1957 – Leitung der Anden-Expedition des Österreichischen Alpenvereins
1961 – Mitwirkung bei den Südtiroler Freiheitskämpfen – Sprengung des Mussolini-Denkmals in Waidbruck – Flucht nach München.
1964 - Gründung der Wintersport Tirol AG.
1966 – Bau der Glungezerbahn.
1970 – Errichtung der Liftanlagen in Mieders.
1971 bis 1973 – Bau der Stubaier Gletscherstraße sowie der Stubaier Gletscherbahnen.
2006 – Ehrenbürger der Gemeinde Neustift.
2008 – Verleihung des Tiroler Adler-Orden.
2012 – Preisträger Tirol Touristica.
06. Oktober 2022 - verstorben in Innsbruck
www.meinbezirk.at
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