Gedenken an die NS-Zeit in Steyr
Neue „Stolpersteine“ für Steyr

Foto: Axel Kliment-Feuerberg

Am Dienstag, 11. Juni 2024, werden wieder wie im Vorjahr „Stolpersteine“ vor Wohnhäusern und Geschäften in Steyr zur Erinnerung an Menschen verlegt, die in der NS-Zeit verfolgt, vertrieben und ermordet wurden.

In diesem Jahr ist es der Initiativgruppe „Stolpersteine für Steyr“ ein besonderes Anliegen, nicht nur an jüdische Opfer, sondern auch an „T4-Opfer“ zu erinnern. Menschen mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen sowie psychisch Kranke wurden in der NS-Zeit als „lebensunwert“ betrachtet. An die 30.000 Menschen wurden in der NS-Tötungsanstalt Schloss Hartheim ermordet. Auch Steyrerinnen und Steyrer waren unter den Opfern.

Zwei Lebensgeschichten stehen stellvertretend für jene 10 Menschen, die heuer mit einem Stolperstein gewürdigt werden sollen.
Ein Schicksal ist jenes des Mediziners Adolf Zottl. Er wurde 1882 in Wörgl geboren. Im selben Jahr entdeckt Robert Koch den Erreger der Tuberkulose. Bereits mit 27 Jahren, also 1909, ist Adolf Zottl als Sekundararzt in St. Anna tätig. 1915 wird er als Landsturmarzt während des Ersten Weltkriegs in einem Spital für Kriegsgefangene in Sibirien eingesetzt. Dr. Adolf Zottl schreibt an einen Bekannten in Steyr: „Oft und oft wünsche ich, dass ich durch eine Kugel gefallen wäre, als hier derart nutzlos und zwecklos zu vegetieren. Chirurgisch habe ich mich in dieser ganzen Zeit nicht betätigt. Bitte schreiben Sie bald wieder eine Nachricht aus der Heimat. Jede Nachricht hat für die Gefangenen eine wunderbare Wirkung“.
Nach Steyr zurückgekehrt, betreibt er als praktischer Arzt eine Ordination in der Kirchengasse 16. Und hier schließt sich der Kreis zu seinem Geburtsjahr und zu Robert Kochs Entdeckung. Dr. Adolf Zottl ist auch als Fürsorgearzt für tuberkulosekranke Kinder und Erwachsene tätig. 1932 erhält er dafür das Ehrenzeichen zweiter Klasse vom Roten Kreuz.

Ab 1933 wird in den Akten der „Landesheil- und Irrenanstalt Niedernhart“ - so die damals übliche Bezeichnung - von einer psychischen Erkrankung berichtet. 1935 folgt die Entmündigung von Dr. Adolf Zottl. 1938 hat er sich laut Zeitzeugenberichten geweigert, die Hakenkreuzfahne zu hissen.
Die Ehefrau Anna Zottl bemüht sich 1938 und 1939 mehrmals, ihren Mann nach Hause zu holen, was er jedoch verweigert. Dr. Adolf Zottl wird in der NS Euthanasieanstalt Hartheim am 12. Juni 1940 ermordet.
Das angegebene spätere Todesdatum 22.7.1940 sowie der Todesort Brandenburg dienten der Verschleierung der Ermordung in Hartheim.

Ein Stolperstein wird für Frimet Nürnberger vor der ehemaligen Synagoge, Bahnhofstraße 5, verlegt.
Frimet Seinwell, geboren 1877 in Neu-Sandez in Polen, heiratet 1905 Chaim Nürnberger, der auch aus Polen stammt. Vier Kinder gehen aus dieser Ehe hervor. Chaim Nürnberger wird 1926 als Nachfolger des Rabbiners Heinrich Schön nach Steyr berufen. Nach dem „Anschluss“ im Juli 1938 verhaftet wird Chaim Nürnberger ins Polizeigefängnis nach Linz gebracht. Die Familie muss nach Wien ziehen. Den Kindern gelingt die Flucht.
Chaim stirbt im April 1940 in einem Wiener Krankenhaus.
Frimet Nürnberger wird mit dem „Transport 41“ am 14.9.1942 mit 991 Jüdinnen und Juden von Wien nach Maly Trostinec (Weißrußland) deportiert. Der Zug erreicht am 16.9.1942 seinen Bestimmungsort Maly Trostinec, doch erst zwei Tage später öffnen sich die Waggontüren. Jene, die noch am Leben sind, werden unmittelbar danach ermordet.

Dieses Jahr werden 10 Stolpersteine an acht Orten verlegt, an denen jene Menschen lebten, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Einige ihrer Nachkommen aus den USA, aus Berlin, Wien, Linz und Steyr werden an der Verlegung teilnehmen.

Der Verlegungsweg startet um 16.00 Uhr bei der Kammermayrstrasse 11 (gegenüber Kammermayrstrasse 8) und führt von der Ennsleite über die Bahnhofstraße, durch die Kirchengasse und die Sierninger Straße zur Fabrikstraße und endet in der Wehrgrabengasse. Dauer der Verlegung etwa zwei Stunden.
Für all jene, die den Weg zu Fuß schwer bewältigen können, gibt es einen Busshuttledienst:
Treffpunkt: Parkplatz Museum Arbeitswelt, 15.45 Uhr Anmeldung für den Shuttledienst: kontakt@steyrerstolpersteine.at

Im Anschluss an die Verlegung findet um 19:30 findet im Museum Arbeitswelt eine
Lesung mit Musik unter dem Titel „LIEBE RIECHT WIE ERDBEEREN MIT SCHLAG“ statt.
Ruth Oberhuber und Alfred Rauch lesen Unterhaltsames, Besinnliches, Nachdenkliches und Skurriles von besonderen Menschen. Die Fußkeyborderin Liz Müller begleitet die Lesung musikalisch. Eintritt frei.

©Waltraud Neuhauser-Pfeiffer

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Foto: Genussland
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