Holocaust-Gedenktag
Dr. Julius Stößl - ein Holocaustopfer aus Steyr
Der 27. Jänner, der internationale Holocaust-Gedenktag, erinnert an die Opfer der Shoah und an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau vor 80 Jahren.
Sechs Millionen Jüdinnen und Juden Europas wurden während des NS-Regimes ermordet. Es ist die Pflicht von uns Nachgeborenen, auf diesen Völkermord zurückzublicken, um in der Gegenwart zu mahnen und für die Zukunft zu wirken. Auch Steyrer Juden und Jüdinnen wurden lediglich wegen ihrer Abstammung ermordet. Einer von ihnen war Dr. Julius Stößl.
Bürgerliches Leben in Steyr
Julius Stößl wurde am 9.8.1887 in Wien geboren. Er übte den Beruf eines Rechtsanwalts in Steyr und in Innsbruck aus. 1922 vermählte er sich mit Hedwig Pollak (*1896), einer Tochter von Nathan und Sidonie Pollak, die in Steyr in der Enge Gasse 6 ein Kleidergeschäft betrieben.
Hedwig Stößl war Pharmazeutin. Das Ehepaar Julius und Hedwig Stößl wohnte mit ihren Kindern Albert (*1924) und Gertrude (*1926) in der Schlüsselhofgasse 19, in einem Haus, das Dorothea Pollak, der Schwester von Hedwig Stößl, gehörte.
Margarethe Buglmüller, die als Hausgehilfin und Kindermädchen bei Familie Stößl beschäftigt war, erzählte in ihrer Autobiographie, dass sie bei der jüdischen Familie eine schöne Zeit verbracht habe. Sie berichtete auch, dass Dr. Julius Stößl nur einmal im Monat von Innsbruck nach Hause kam. Von den Kindern, die sie als „aufgeweckt“ beschrieb, erfuhr sie, dass die Familie jüdisch war und dass Hitler die Juden hasse. Als die Familie andeutete, dass sie emigrieren müsse, sobald Hitler auch in Österreich die Macht übernehmen würde, sah sie sich um eine andere Arbeitsstelle um.
Entrechtung, Enteignung, Vertreibung
Mit der Annexion Österreichs an Hitlerdeutschland im März 1938, dem sogenannten „Anschluss“, begann die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung auch hierzulande. Antisemitische Hetze beherrschte die Lokalpresse.
Im Juli 1938 wurde Dr. Julius Stößl mit anderen Steyrer Juden verhaftet und in den Polizeigefängnissen in Steyr und Linz für einige Tage eingesperrt. Jüdischen Rechtsanwälten wurde bis Ende 1938 die Zulassung zur Ausübung ihres Berufes entzogen, so auch Dr. Julius Stößl. Er war gezwungen, im August 1938 nach Wien zu ziehen. Am 10.2.1939 musste er den zusätzlichen Vornamen „Israel“ annehmen.
Hedwig Stößl verblieb noch einige Zeit in Steyr, übersiedelte erst im Oktober 1939 zu ihrem Mann nach Wien, wo das Ehepaar mehrmals die Wohnung wechselte. Den Kindern Albert und Gertrude gelang die Flucht nach Kanada.
Hedwig versuchte an das Geld für die Ausreise mit ihrem Gatten in die USA oder nach Shanghai über ihr Guthaben aus dem Verkauf des Hauses ihrer Mutter in der Enge Gasse in Steyr heranzukommen. Der Antrag wurde abgelehnt und das Guthaben wurde 1941 zugunsten des Deutschen Reiches für verfallen erklärt. Das Wohnhaus in der Schlüsselhofgasse 19 in Steyr wurde 1938 arisiert.
Deportation und KZ
Am 9. Oktober 1942 wurden Dr. Julius Stößl und seine Frau Hedwig von Wien in das KZ Theresienstadt deportiert. Hedwig überlebte und emigrierte in die USA (Kalifornien), wo sie 1997 im 101. Lebensjahr verstarb.
Dr. Julius Stößl wurde am 1. Oktober 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz überstellt und ermordet.
Waltraud Neuhauser-Pfeiffer
Literatur:
Neuhauser-Pfeiffer, Waltraud: Dazugehörig? Jüdisches Leben in Steyr von den Anfängen bis in die Gegenwart (Steyr, Verlag Ennsthaler 2021)
Neuhauser-Pfeiffer, Waltraud – Ramsmaier, Karl: Vergessene Spuren. Die Geschichte der Juden in Steyr (Grünbach 1998)
Bugmüller, Margarethe: Wieso, warum? Meine Zeit, mein Leben (Eigenverlag)
Bildbeschreibung und Fotocredit:
Shoah Namensmauern Gedenkstätte, Ostarrichipark Wien: Julius Stössl, 1887 (©Waltraud Neuhauser-Pfeiffer)
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.