Junge Menschen leiden
„Habe bereits ein Jahr meiner Jugend verloren“
Das Corona-Virus hat viele hart getroffen, besonders Jugendliche leiden unter den Auswirkungen der Krise.
BEZIRK. „Ich vermisse es sehr, meine Freunde zu treffen und fortzugehen“, sagt Nina aus Haidershofen. In ein paar Tagen wird sie 18, ihren Geburtstag hätte sie gerne ausgiebig gefeiert. „Meine Schwester wurde im März 20 Jahre alt und wir hatten vor, unsere Geburtstage zusammenzulegen und uns eine Halle zu mieten. Es wäre eine große Party geworden“, so die Haidershofnerin. Vor der Corona-Pandemie feierte die damals 16-Jährige mit Freunden ausgelassen auf Festln in der Umgebung. „In Discos war ich eigentlich nie, weil ich dazu noch zu jung war – jetzt würde ich es schon gerne ausprobieren.“ Ihre Freunde sieht sie derzeit kaum. „Wir schreiben uns über WhatsApp und bleiben so in Kontakt.“
„Ich habe bereits ein Jahr meiner Jugend verloren, wenn sich das jetzt noch ewig hinauszögert, dann muss sich die Regierung endlich mal was einfallen lassen.“ Nina, 18 Jahre
Doch Ninas Unmut wächst von Tag zu Tag. „Ich habe bereits ein Jahr meiner Jugend verloren, wenn sich das jetzt noch ewig hinauszögert, dann muss sich die Regierung endlich mal was einfallen lassen.“ Sie wäre auch bereit, sich fürs Fortgehen testen zu lassen. „Ich würde zwar sicher nicht so oft wie früher fortgehen, aber ein paar Mal schon. Viel schlimmer wäre es für mich, beim Feiern ständig eine Maske zu tragen. Da würde ich lieber ganz drauf verzichten, ich will ja den Leuten ins Gesicht schauen können, wenn ich mit ihnen rede.“
„Es fällt mir schwerer, mich zu motivieren“
Alexandra aus Waldneukirchen findet die Pandemie ebenfalls „zach“: „Ich bin erst im November 16 geworden und hätte mich schon so darauf gefreut, endlich fortgehen zu dürfen. Ich wäre gerne auf Festln wie ,Tanz in der Halle‘ oder ,Rock im Dorf‘ gegangen.“ Generell vermisst sie ihr aktives Sozialleben vor Corona sehr. „Ich bin ziemlich extrovertiert und habe viele Freunde, mit denen ich früher ständig was unternommen habe. Wir gingen auch immer gemeinsam Essen – das fehlt mir“, erzählt Alexandra betrübt. Gelegentlich trifft sie sich mit ihren Freunden draußen. „Mit Abstand, und auch nur mit denen, die in der Nähe wohnen. Und wenn wir uns treffen, mache ich zur Sicherheit einen Wohnzimmertest.“ Ansonsten sitzt sie meistens in ihrem Zimmer und verbringt viel Zeit am Handy. „Ich habe bemerkt, dass ich seit der Krise fauler geworden bin. Es fällt mir auch viel schwerer, mich für etwas zu motivieren.“
Ängste nehmen zu
Sigrid Urban-Moser, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin aus Steyr, bestätigt, dass social distancing gerade für Jugendliche ein großes Problem darstellt: „Junge Menschen benötigen den unbeschwerten Kontakt zu Gleichaltrigen für eine gesunde Entwicklung.“
„Junge Menschen benötigen den unbeschwerten Kontakt zu Gleichaltrigen für eine gesunde Entwicklung.“
Sigrid Urban-Moser, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin
In ihrer Praxis nimmt sie bei jugendlichen Klienten vermehrt Ängste, Schlafstörungen und Traurigkeit wahr. Es könne sogar soweit gehen, dass Jugendliche sich völlig zurückziehen, aggressiv werden, sich selbst verletzen oder eine Essstörung entwickeln. Vor allem der dritte Lockdown habe die Symptome noch einmal verschärft. „Die nun schon so lange andauernde Belastung mit den immer wieder neuen Regelungen, Maßnahmen und geänderten Perspektiven trägt dazu bei, dass immer mehr Jugendliche Symptome entwickeln. Auch solche, die bisher ihr Leben gut im Griff hatten“, so Urban-Moser. Hierbei sei es für Eltern wichtig, mit ihren Kindern zu reden und genau hinzuschauen, ob sich Veränderungen bemerkbar machen.
Regeln werden eingehalten
Probleme mit feierwütigen Jugendlichen habe man im Bezirk Steyr-Land laut Bezirksinspektor Manfred Garstenauer nicht: „Die Anzeigen halten sich in Grenzen. Die Jugendlichen sind sehr vernünftig.“ Der Steyrer Bezirkspolizeikommandant Christian Moser stößt ins selbe Horn: „Es gab kleinere Vorfälle, aber nichts Dramatisches.“ Regelmäßige Kontrollen werden nach wie vor durchgeführt.
„Beim Fortgehen Maske zu tragen, wäre mir egal“
„Die Ausgangssperre und die Corona-Pandemie ist für Jugendliche in unserem Alter einfach blöd, weil man sich ,legal' gesagt nicht wirklich treffen darf“, meint Lukas aus Steyr. Fortgehen und Freunde treffen vermisst er sehr, vor Corona feierte er fast jedes Wochenende im C7 in Enns. Vergangenes Wochenende wurde er 18. „Meine Volljährigkeit hätte ich wirklich gerne in einer Disco gefeiert“, bedauert der junge Mann.
„Fernsehen tue ich halt mehr als sonst.“ Lukas, 18 Jahre
Früher traf er sich täglich nach der Arbeit mit seinen Freunden und hat viel mit ihnen unternommen. „Jetzt ist das halt nicht mehr so, jetzt bin ich meistens nur daheim und treffe mich nur ab und zu mit einem Freund. Wir gehen dann draußen ein bisschen herum, weil wir auch nicht wirklich wissen, was wir sonst tun sollen – es hat ja nichts offen.“ Auch wenn die Krise mühsam ist, Schlafstörungen oder fehlende Motivation sind für den 18-Jährigen kein Problem. „Fernsehen tue ich halt mehr als sonst.“ Um endlich wieder fortgehen zu dürfen, würde sich Lukas auf jeden Fall testen lassen: „Das wäre es mir auf jeden Fall Wert. Auch Maske zu tragen, wäre mir egal, Hauptsache, ich könnte wieder feiern.“
Zur Sache
Um depressiven Symptomen bei Jugendlichen und Kindern vorzubeugen, rät Sigrid Urban-Moser, einen geregelten Tagesablauf einzuhalten. Dazu gehören feste Aufstehzeiten, Mahlzeiten und Freizeitaktivitäten.
Eltern sollten oft mit ihren Kindern an die frische Luft gehen und auf ausreichend Bewegung achten. Gemeinsame Spiele und Ausflüge wirken ausgleichend.
Der Kontakt zu Freunden sollte zumindest über soziale Medien aufrecht erhalten werden und im Rahmen des Erlaubten sollte man auch seine Freunde treffen, zum Beispiel bei einem Spaziergang.
Hilfe für Jugendliche
Krisenhilfe OÖ: 0732/2177
Rat auf Draht: 147
Ö3-Kummernummer: 116 123
Die Plattform bittelebe.at widmet sich dem Suizid – und klärt auf, was man tun kann, wenn man Angst hat, dass sich Freunde etwas antun könnten.
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