BRAUCHTUM
BARBARAZWEIGE. Märchen und Geschichten für Erwachsene, Kinder und Kind gebliebene - Teil 133

Heute, am 4. Dezember, ist der Barbara Tag. Der Tag an dem man Barbarazweige - meist Kirschbaumzweige - abschneidet und diese in einer Vase im Wohnraum aufstellt. Blühen sie zu Weihnachten bedeutet das einerseits Glück. Andererseits soll ein heiratsfähiger Mensch aus der Familie im kommenden Jahr den Bund fürs Leben schließen. Die Legende besagt, dass die schöne und kluge Barbara um das Jahr 300 nach Christus herum in der Stadt Nikodemia lebte. Ihr Vater, ein reicher Kaufmann, wollte eine Heirat der von vielen Verehrern umschwärmten Barbara verhindern, also ließ er sie in einen Turm einsperren, wo sie sich auf ihre Bildung konzentrieren sollte. Als sie das Christentum kennen lernte, ließ sie sich gegen den Willen ihres Vater heimlich taufen. Ihre liebe zum Christentum brachte ihr allerdings schließlich den Tod ein. Man sagt einzig ein blühender Kirschzweig schenkte ihr in ihrer letzten Qual Hoffnung. Spannend ist, dass vor dem Christentum die Heilige Barbara in Form der Borbeth (eine der 3 Bethen) verehrt worden ist - die wenn man es genau nimmt, wiederum nichts anderes ist wie die Percht, die Frau Holle. In meinem heutigen Märchen geht's aber nicht um die Percht, sondern um ein ganz normales 13-jähriges Mädchen mit ganz normalen Problemen...

Babsi saß zusammengekauert im Ofenwinkel in der gemütlichen kleinen Stube ihrer Großmutter und sah dieser beim Stricken zu. Es war ihr Rückzugsort - dort wo sie sich immer aufhielt, wenn sie besonders verletzt worden war. Und diesmal tat es wirklich weh. Babsis Mutter hatte sich kürzlich beinhart einen neuen Freund zugelegt und Papa verkündet, es wäre besser wenn er auszieht, denn das Recht steht sowieso immer hinter der Mutter oder wolle er etwa seiner Tochter das Heim nehmen. Seit daher streiten sie wie die Irren und Mama hat sogar angefangen, sie zum neuen Lover mitzunehmen. Igitigitigt! Sie konnte das Turteln der beiden einfach nicht ertragen! Wütend stampfte das Mädchen mit dem Fuß auf. Wenn sie doch nur etwas dagegen unternehmen könnte!

Die Großmutter beobachtete ihre Enkelin aus den Augenwinkeln. Eine schreckliche Situation war das. Soviel sie jedoch versucht hatte, ihre Tochter zur Vernunft zu bringen, desto verbissener reagierte sie. Da half nur eins: die Enkelin schützen und so oft es ging zu ihr einzuladen. Mit 13 hatte das Mädchen schon ein gewisses Mitspracherecht wenn es darum ging ihr Wochenende zu gestalten. 

"Weißt du eigentlich, was für ein Tag heute ist?" fragte die Großmutter und lächelte Babsi an. "Mein Namenstag... und... wen interessiert das?!" "Ja, ich weiß. Wir feiern in unserer Familie die Namenstage nicht wirklich. Aber es ist auch der Festtag der Heiligen Barbara. Der Tag an dem man Barbarazweigerl abschneiden geht. Komm, gehen wir raus und holen uns welche.  Ein bisschen Frischluft wird uns beiden gut tun!"  

Nachdem sich die beiden dick eingemummt hatten und ein paar Schritte gegangen waren, hakte sich Babsi unter: "Du Omi, du erzählst doch immer von den Heiligen und glaubst auch noch dran. Denkst du, wenn ich mir heute - am Barbaratag - etwas wünsche, dass das dann in Erfüllung geht?" Die Großmutter sah das Mädchen traurig an. "Wenn du dir wünscht, dass deine Eltern wieder zusammen kommen, dann denke ich eher nicht..." Antwortete die Oma ehrlich. "Wenn sich zwei Menschen so sehr verletzt haben, bleiben große Narben zurück. Aber ich denke es wäre zumindest möglich, dass sie wieder höflich miteinander reden lernen..."

Mitten in der Nacht wurde Babsi munter. Irgend etwas hatte sie geblendet. Verschlafen rieb sie sich die Augen. "Was war denn das?!" Auf der Kommode vor ihrem Bett - genau dort wo sie die Vase mit den Barbarazweigen platziert hatte, saß plötzlich ein Mädchen - älter wie Babsi, in komischen altmodischen Kleidern. "Dein Wunsch ist mir Befehl!" grinste sie das fremde Mädchen an. "Wer bist denn du? Und was machst du mitten in der Nacht in meinem Schlafzimmer?" wollte Babsi wissen, als sie sich von dem Schreck erholt hatte. Eigenartiger Weise verspürte Babsi gar keine Angst vor ihrem gespenstischen Gegenüber. "Ich bin die Heilige Barbara. Prompt vor Ort, um dir einen Wunsch zu erfüllen. Zumindest einen, der in mein Fachgebiet passt. Du weißt schon, wenn die Zweige an Weihnachten erblühen, folgt im darauffolgenden Jahr eine Hochzeit oder so. Aber für eine Hochzeit so scheint mir, bist du noch zu jung - in eurer Zeit zumindest."  "Dämliches Nachtgespenst! Ich hab doch nichts mit Heirat auf dem Hut!" Die Heilige Barbara grinste. "Du vielleicht nicht aber..." Jetzt fiel auch bei Babsi der Groschen. "Du meinst du könntest wirklich machen, dass meine Eltern nach der Scheidung wieder heiraten?!" Die Heilige, die lässig auf der Kommode saß, verdrehte die Augen. "Puhhh das hört sich jetzt aber kompliziert an! Zwei solche Streithammeln noch einmal im Bund der Ehe zu vereinen würde vermutlich in einem zweiten Fiasko enden. So ein Wunder kann nicht einmal Erzengel Michael vollbringen und der Besitzt ein Flammenschwert!" "Was für ein Wunder soll ich dann noch erwarten?" flüsterte Babsi traurig und schluckte die Tränen runter, die ihr im Hals stecken geblieben waren. 

Als sie am nächsten Morgen erwachte, wusste Babsi zwar noch alles von ihrer eigenartigen nächtlichen Erscheinung, der Schluss war aber irgendwie weg, so als hätte sie einen totalen Filmriss gehabt. "Na super, war alles wahrscheinlich nur ein doofer Traum!"

1 Jahr später

"Hallo Omi! Na wie sieht's aus, gehn wir heute wieder Barbarazweige abschneiden?" fröhlich zog das Mädchen die Großmutter aus dem Lehnstuhl. "Mach schon, hier ist deine Jacke! Und vergiss nicht, wir brauchen heuer 2 Sträuße!"

Während sie die zweige vom Kirschbaum zwickten, musste Babsi wieder an ihre nächtliche Erscheinung von vor genau einem Jahr denken. "Du hattest recht Barbara, flüsterte sie insgeheim. "Wunder kommen öfter vor, als man denkt - nur dass man es meist gar nicht merkt!" Babsis Eltern lebten zwar noch immer getrennt. Aber sie hatten es geschafft, die gemeinsamen Güter im Einvernehmen zu trennen. Sogar oberflächliche normale Gespräche waren wieder möglich. Seit einiger Zeit hatten beide übrigens neue Partner - und zwar wirklich nette, die sich nicht einschleimen oder gar Ersatzmutti oder Ersatzpapa markieren wollen. Nein - beide waren wie erwachsene Freunde für Babsi, die ihr trotzdem auch mal sehr ehrlich ihre Meinung sagen trauten. 

Am Abend stellte sie noch ein besonders schönes drittes Zweiglein in eine Vase. "Der ist für dich, Nachtgespenst!" grinste Babsi und hatte plötzlich das Gefühl, als könne sie die Heilige Barbara irgendwo da draußen lachen hören.

Adventdorf am Steyrer Stadtplatz. | Foto: Klaus Mader
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