Bezirk Schwaz: Der Wettbewerb um den Nachwuchs im Kampf gegen Fachkräftemangel
SCHWAZ (red). Die Tiroler Unternehmer haben mit enormem Einsatz solide Ergebnisse erwirtschaftet. Aber sie mussten dabei hohe Hürden überwinden. „Der Bundesregierung darf ein Jahr wie 2015 nicht mehr passieren“, erklärt WK-Präsident Jürgen Bodensser. Die Wirtschaftskammer im Bezirk Schwaz holt Betriebe vor den Vorhang, setzt weiter auf intensive Berufsinformation/-orientierung und wünscht sich eine stärkere Zusammenarbeit der Planungsverbände.
Im Jahr 2015 haben die Tiroler Unternehmer einmal mehr ihre Leistungskraft unter Beweis gestellt: Tirol hat im Wachstum (Tirol: 1,3 %, Österreich: 0,8 %), bei den Arbeitslosen (Tirol: 7,0 %, Österreich: 9,1 %) und auch in der Produktion (Tirol: + 4,0 %, Österreich: -1,7 %) bessere Werte als im Österreichschnitt erreicht. Dieser Trend wird sich auch 2016 fortsetzen. Der Tiroler Tourismus hat mit 45 Millionen Nächtigungen seine Vormachtstellung gefestigt. „Trotzdem darf der Bundesregierung ein Jahr wie 2015 nicht mehr passieren“, erklärt WK-Präsident Jürgen Bodenseer, „die Tiroler Unternehmer haben zwar mit enormem Einsatz solide Ergebnisse erwirtschaftet – aber sie mussten dabei hohe Hürden überwinden.“ Die Allergen-Verordnung, neue Belastungen mit der unausgegorenen Registrierkassenpflicht, zahlreiche Gegenfinanzierungen zur Steuerreform und weitere Wirtschaftsbremsen haben die Betriebe stark belastet.
Immerhin konnte die Wirtschaftskammer einigen Vorhaben die ärgsten Giftzähne ziehen. „Dass das nötig ist, zeigt von mangelndem Wirtschaftsverständnis seitens der Politik. Es ist absurd, wenn die heimischen Politiker einerseits die steigenden Arbeitslosenzahlen beklagen, es andererseits aber den Betrieben immer schwerer machen, neue Arbeitsplätze zu schaffen“, so Bodenseer. Viele Menschen im Land wissen, dass die Leistungen der Unternehmer die Voraussetzung für Beschäftigung und Wohlstand in Tirol sind, gibt sich Bodenseer optimistisch. Daher ist der WK-Präsident auch zuversichtlich, wenn es um den nötigen Druck in Richtung Bundes- und Landespolitik im Jahr 2016 geht. „Die Unternehmen brauchen mehr Luft und Spielräume für innovative Projekte – dann springt auch der Konjunkturmotor endlich an“, fordert Jürgen Bodenseer.
Der Wettbewerb um den Nachwuchs im Kampf gegen den Fachkräftemangel
Immer mehr Betriebe, auch im Bezirk Schwaz, haben Probleme, Fachkräfte und Lehrlinge zu bekommen. „Im Bezirk haben wir derzeit 1.488 Lehrlinge und 529 Lehrbetriebe. Die Zahl der Lehrlinge ist seit Jahren rückläufig. Das hat Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und unser gesellschaftliches Leben. Es ist somit ein wesentliches Zukunftsthema, das es anzupacken gilt“, gibt der Schwazer Bezirksobmann, Franz Hörl, die Richtung vor. Der Trend sei nicht überraschend, gibt es doch in Tirol von Jahr zu Jahr weniger Pflichtschulabgänger. In den letzten acht Jahren mussten die Betriebe und höheren Schulen um 24 Prozent weniger Pflichtschulabgänger verkraften. Bis 2016 sinkt der Anteil an 15-Jährigen im Bezirk noch einmal. „Die Rückgänge haben zwischen den Betrieben und den höheren Schulen zu einem Wettbewerb um die jungen Menschen geführt, der von den Schulen nicht fair geführt wird“, stellt der Obmann fest. Damit die höheren Schulen zu ihren Zahlen kommen, nehmen sie nahezu jeden Schüler auf, ohne auf die tatsächlichen Leistungen der Schüler Rücksicht zu nehmen. „Den Schulen geht es dabei nur mehr um die Zuteilung der Stundenkontingente und nicht, wie früher, um die tatsächliche Leistung und die Ausbildung des Schülers. Aufnahmeprüfungen sind ein Fremdwort. Wenn heute ein Schüler mit einem ,genügend – grundlegend‘ in Mathematik in eine technische höhere Schule aufgenommen wird, dann stimmt ganz einfach etwas im System nicht mehr“, kann Hörl nur den Kopf schütteln. „Das schwächt das Niveau an den höheren Schulen. Dadurch fehlt aber auch der Druck in den Volks- und Neuen Mittelschulen für gute Noten, wodurch seit Jahren schleichend die Anforderungen in den Schulen nach unten geschraubt werden. Und dies wiederum führt zu einem der größten Probleme überhaupt: Die Grundqualifikation der Schulabgänger nimmt ab und wird letztendlich zu einem gesellschaftlichen Problem“, betont der Obmann. Doch auch die Anforderungen an die Lehre sind gestiegen. Hat eine Lehre früher viel praktische Arbeit bedeutet, sind heute vermehrt auch theoretische Fähigkeiten gefragt, z. B. eine Maschine zu programmieren und richtig zu bedienen. Die Lehre wurde in den letzten Jahren stark modernisiert. Es kommen immer wieder neue Lehrberufe hinzu, etwa Seilbahntechnik oder Pharmatechnologie. „Den Jugendlichen stehen also alle Wege offen, auch Auslandspraktika werden von immer mehr Unternehmen angeboten. Die Lehre ist eine sichere Ausbildung – mit vielen Perspektiven“, weiß Hörl. Doch in den Köpfen der Menschen ist dieses Wissen noch nicht wirklich angekommen. Um ein Umdenken zu erreichen und die Attraktivität dieser Ausbildung zu zeigen, setzt die Wirtschaftskammer Schwaz auf frühzeitige Aufklärung der Eltern und eine rechtzeitige Berufsorientierung für die Jugendlichen. „Es braucht ein Berufsorientierungs-Gesamtpaket, das auch die Eltern einbezieht. Elterninformationsabende mit Betrieben als direkte Ansprechpartner, Lehre und Matura als Alternative zur höheren Schule, die Polytechnische Schule als ideales Berufsorientierungsjahr während der Pflichtschulzeit sind praktische und verständliche Antworten für die Eltern“, so der Obmann. Denn die Wirtschaft kann im globalen Wettbewerb nur mit Top-Mitarbeitern bestehen.
WK Schwaz setzt weiter auf intensive Berufsinformation und Berufsorientierung
„Wir wollen den Jugendlichen im Bezirk bei ihrer Ausbildungs- und Berufswahl bestmöglich unter die Arme greifen“, erklärt WK-Bezirksobmann Franz Hörl. Die Liste der WK-Initiativen ist lang. „KIWI – Kinder entdecken Wirtschaft“ setzt schon bei den Volksschul-Viertklässlern und Schülern der 1. Klasse der Neuen Mittelschulen (NMS) an. Die Kinder lernen dabei spielerisch, wie die Wirtschaft funktioniert, indem sie ihr eigenes Unternehmen gründen, Marketingstrategien entwickeln und Produkte „verkaufen“. Für die 3. Klasse der NMS wird regelmäßig das „Berufs-Festival: Berufe zum Anfassen“ organisiert. „Die Schüler können dabei Berufe unmittelbar erleben und selbst Hand anlegen. 55 Unternehmen und mehr als 700 Schüler werden auch heuer wieder in Schwaz, Jenbach, Fügen und Mayrhofen mit dabei sein. Spaß an der hautnahen Berufsorientierung ist dabei unser Motto“, betont Hörl. Mit der WK-Schwaz-Initiative „Rookie: Schüler in Betrieben“ werden wieder alle Schüler der 4. Klassen der Neuen Mittelschulen des Bezirkes zwei Tage in einem der mehr als 250 mitmachenden Betriebe Berufsluft schnuppern. Und mit einer neuen Form der Elterninformationsabende, den sogenannten „Jobbing-Nights“, werden mit insgesamt 80 Betrieben, aufgeteilt auf drei Standorte, in regionalen Abend-Berufsmessen – einmal im hinteren Zillertal in Zell, einmal im vorderen Zillertal mit Jenbach und einmal in Schwaz – den Eltern der Schüler die Chancen der Lehre aufgezeigt. „Nur durch ausführliche Information über die vielfältigen Berufsmöglichkeiten kann man dem Fachkräftemangel aktiv entgegentreten“, ist Hörl von der Notwendigkeit dieser Veranstaltungen überzeugt. „Wir müssen vor allem die Eltern noch besser informieren, nur so können wir das Verhältnis 50 zu 50 zwischen schulischer Ausbildung und Lehrausbildung bei den Jugendlichen im Bezirk weiterhin halten.“
Karriere-open-air in Schwaz – Betriebe vor den Vorhang holen
Der Bezirk Schwaz hat einen guten Mix aus Klein-, Mittel- und Großbetrieben aller Sparten und ist dadurch ein guter Standort. Lebensqualität bedeutet auch Arbeitsplatzsicherheit. WK-Obmann Franz Hörl: „Wir sind überzeugt, dass vermehrtes Wissen über die Betriebe, deren Arbeit und deren Mitarbeiter bei der Bevölkerung Vertrauen schafft und das gegenseitige Verständnis stärkt“. Gemeinsam mit dem AMS Schwaz, der Stadt Schwaz und der AK veranstaltet die Wirtschaftskammer Schwaz am Samstag, den 25. Juni 2016, das „Karriere-open-air“ in der Schwazer Altstadt. „Wir erwarten die Teilnahme von mehr als 60 Betrieben. In einer Art Wirtschaftsmeile in der Franz-Josef-Straße und am Pfundsplatz sollen die mitmachenden Unternehmen nicht nur ihren Betrieb, sondern auch die Berufsmöglichkeiten vorstellen“, gibt Hörl einen Ausblick. Bei dieser Freiluft-Messe ist für die ganze Familie etwas dabei. „Der Bevölkerung sollen mit dieser Veranstaltung aber auch wieder verstärkt die positiven Auswirkungen der Wirtschaft als regional verankerter Arbeitgeber und als Teil unseres gesellschaftlichen Lebens vor Augen geführt werden.“
Zusammenarbeit mit den drei Planungsverbänden im Bezirk verstärken
Die Wirtschaftskammer Schwaz will in Zukunft enger mit den drei Planungsverbänden im Bezirk Achensee, Inntal und Zillertal zusammenarbeiten und verstärkt eine gemeindeübergreifende Koordinations- und Anstoßrolle übernehmen. „Dabei geht es um die Verkehrssituation im Bezirk, um gemeinsame Gewerbegebiete, um ein rascheres Weiterbringen der Breitbandinitiativen und einiges andere mehr“, nennt WK-Bezirksobmann Franz Hörl konkrete Projekte. „Schwaz ist ein dynamischer Wirtschaftsbezirk. Er soll auch in Zukunft ein dynamischer Bezirk bleiben. Doch dafür müssen die vielen Einzelaktivitäten der Gemeinden besser koordiniert werden. Um das zu erreichen und gemeinsam etwas weiter zu bringen, wollen wir uns 2016 verstärkt einbringen.“
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