Digitalisierung im Klassenraum als Zukunftsmusik
Beim zweiten "Gespräch im Riesen" schätzen Experten die Zukunft des Lernens ein
WATTENS (dkh). Lernen ohne Lehrperson nur noch am Computer von zu Hause aus: Ist das die Zukunft des Lernens? Im Rahmen des zum zweiten Mal organisierten "Gespräch im Riesen" in den Swarovski Kristallwelten in Wattens standen Experten und Leute, die täglich damit zu tun haben, Rede und Antwort zu dieser und ähnlichen Fragen.
Heißer Disput
Der erste Redner war Ralph Müller-Eiselt von der Bertelsmann Stiftung, der anhand von aussagekräftigen Beispielen die Chancen der Digitalisierung im Bildungsbereich aufzeigte. Dabei ging es besonders um Schlagworte wie Massifizierung, Personalisierung, Gamification, vernetztes Lernen und Orientierung. Für ihn bietet die Digitalisierung Lösungen für Probleme und Lösungen statt Probleme, ohne die Digitalisierung als Allerheilmittel darzustellen.
Konträr ihm gegenüber sprach der Medienwissenschafter Gerald Lembke über die Gefahren, die von einer Überdigitalisierung im Bildungsbereich ausgehen können. Vom Verlust der Konzentrationsfähigkeit über wachsende Unzufriedenheit mit sich selbst und zeitlicher Fragmentierung des Alltags bis hin zu zunehmenden Augen- und Haltungsbeschwerden betitelt Lembke die negativen Effekte der zunehmenden Smartphone- und Laptop-Nutzung vor allem für Kinder. Für ihn haben digitale Medien in der Volksschule nichts zu suchen.
Bei der Diskussion mit Moderatorin Anita Heubacher ging es sehr emotional zu. Während Müller-Eiselt die Schule als den Ort ansieht, an dem Medienkompetenz an die Schülerinnen und Schüler weitergegeben wird, nimmt Lembke hier die Eltern in die Pflicht.
Hochkarätige Diskussion
Im zweiten Teil des Gesprächsnachmittages stand eine hochkarätige Podiumsdiskussion auf dem Programm. "Was spielt sich wirklich in Österreichs Klassenzimmern ab?" Diese Frage versuchten die Redner zu erörtern. Bildungsministern Sonja Hammerschmid sieht die Digitalisierung bereits als Teil des Alltags, dem sich auch die Schule nicht verschließen darf. Für sie ist aber die Lehrperson immer noch das wichtigste. Sie appelliert an einen intelligenten Umgang mit digitalen Medien. "Wir müssen die jungen Menschen befähigen, mit dem allem umgehen zu können", so Hammerschmid. Das Ziel der Regierung ist es, dass 2020/21 kein Kind die Schule ohne digitale Kompetenz verlassen soll.
Die Sicht der Eltern vertrat Sandra Ballner, Obfrau des fusionierten Tiroler Elternverbandes. Für sie sind es die engagierten Lehrer, die wirklich was leisten und findet, dass das Pferd von der falschen Seite aufgezäumt wird.
Barbara Danzl ist Kunsthistorikerin und Museumspädagogin und seit 2005 für die Kinderprogramme in den Swarovski Kristallwelten zuständig. "Die Wahrnehmungsrealität von Kindern 2005 und heute ist völlig anders", weiß sie aus Erfahrung. Probate Mittel für die Inhaltlichkeit in Kombination mit Dialog, dem Gebrauch aller Sinne und dem eigenen Tun stehen für sie im Zentrum.
Lehrer und Autor Nikolaus Glattauer bringt die Diskussion ein wenig überspitzt auf den Punkt: "Ob ich für oder gegen Digitalisierung bin ist eh egal, weil im Klassenraum funktionierts eh ned!" Er las im Anschluss an die Diskussion aus einem seiner Bücher über den Alltag als Lehrer an einer Wiener Schule vor. Die Besucher im bis auf den letzten Platz gefüllten Forum der Kristallwelten, die zu einem Großteil aus Pädagogen bestanden, lachten herzhaft über die witzig vorgebrachten Unterrichtsrealitäten.
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