Gibt es eine Zukunft mit/ohne Müll? Themenabend auf der FH Wieselburg mit Interview mit Öko-Koryphäe Prof. Dr. Michael Braungart
Der Entwickler des Cradle-to-Cradle-Konzepts über Ökoeffektivität und warum Aufzugfahren und früher sterben der Umwelt hilft.
WIESELBURG (MiW). Unter dem Titel „Jump into Zero Waste“ informierten Michael Braungart und Ernst Gugler am Fachhochschul-Campus Wieselburg über das Konzept der Ökoeffizienz anhand des „Cradle-to-Cradle“-Verfahrens. Die Frage kurzum: gibt es eine Zukunft mit/ohne Müll?
Für den Mitentwickler des Verfahrenskonzepts Michael Braungart ist die Antwort auf diese Frage polemisch simpel: "Wer Abfall macht, ist einfach ein Idiot!"
Der deutsche Chemiker und Verfahrenstechniker stellt fest, dass es ein falscher Ansatz ist, Gebrauchsgüter klimaneutral zu produzieren, solange ein Produkt am Ende seines Lebenszyklus doch wieder zu Abfall wird, denn das ist, so Braungart, "ein schlechtes Produkt und zeugt von schlechter Qualität!"
Der Kunde ist nicht der Feind
Der frühere Greenpeace-Aktivist betont, dass im Streben nach der Nachhaltigkeit der Kunde und Käufer von Produkten nicht zu stigmatisieren ist: "Dieser jetztige Ökologismus macht den Kunden zum Feind und sagt, wenn Du etwas gar nicht kaufst, dann ist es ja noch besser für die Umwelt."
Aber: "Die Kunden sollten nicht die Verantwortung für Dinge übernehmen, von denen sie doch nicht einmal wissen, was sie sind."
So kommt Michael Braungart zu jenem Schluss, dass "wir mittlerweile so viel Know-How haben, dass wir viele Verbrauchsgüter noch einmel kreislaufwirtschaftlich neu erfinden können", denn, so sein Fazit: "Wenn man etwas Falsches perfekt macht, macht man es höchstens perfekt falsch." Um das zu erreichen, braucht es laut der Koryphäe besonders Studierende und Lehrende, die diese Idee in der Industrie umsetzen und die Politik dazu auffordern, das Beschaffungswesen danach auszurichten.
Diese Idee trifft ganz den Geist der FH-Campusleiterin Astin Malschinger: "Junge Menschen für Nachhaltigkeit zu begeistern bedeutet für uns, eine Zukunft zu haben." Und diesen Gedanken teilt auch der zweite Vortragende des Abends, der Melker Öko-Druckerei-Pionier Ernst Gugler.
Für ihn ist es eine Frage der Notwendigkeit, im Produzieren keine Abfälle zu erzeugen und Reststoff-Aufwertung zu betreiben: "Abfall soll in naher Zukunft zum Nährstoff werden. Das ist unsere Vision."
Professor Dr. Michael Braungart im Gespräch:
Herr Braungart, was denken Sie, können wir als Konsumenten tun, um mehr Bewegung in die Realisierung Ihres Konzepts zu bringen?
Braungart: Zunächst einmal ist es wichtig zu verstehen, dass wir keine Konsumenten sind für die meisten Dinge, mit denen wir zu tun haben! Wir machen keinen Konsum von Fernsehen oder Waschmaschinen – wir nutzen die Dinge nur.
Wir sind also keine Konsumenten, wir verbrauchen die Dinge nicht.
Die Dinge die verbraucht werden, so wie Waschmittel oder wie Schuhsohlen, Bremsbeläge und Autoreifen – also Dinge, die sich chemisch oder physikalisch oder biologisch ändern durch ihre Anwendung, die müssen so hergestellt werden, dass sie in die biologischen Kreisläufe zurückgehen.
Dinge, die lediglich genutzt werden, Dinge wie Waschmaschinen, Fernseher oder Fenster sind so gemacht, dass sie in die technischen Kreisläufe gehen. Und darum gibt es keinen Abfall mehr und das heißt als Kunden ist es wichtig zu verstehen, dass die Industrie noch nicht perfekt ist.
Die jetzige Nachhaltigkeit macht den Kunden zum Feind, denn sie sagt: „Wenn Du es gar nicht kaufst, ist es ja noch besser!“ und sie fragt: „Musst Du das Ding wirklich haben?“
Wir hingegen sagen: „Lasst uns doch verständigen, wo wir in 5 Jahren, in 10 Jahren und in 20 Jahren sein wollen und je mehr Du, lieber Kunde kaufst, desto schneller kommen wir voran!“
Dann nämlich ist der Kunde mein Freund, er hilft mir nämlich, das Unternehmen zu ändern und das heißt, alle Dinge die kaputt gehen, müssen so gemacht werden, dass sie eben kompostierbar sind oder verbrennbar sind.
Also als Kunde kann ich fragen: „Kann ich’s in den Kompost tun oder kann ich’s in meine Ofen packen und die Asche kann in die Landwirtschaft zurückgeführt werden oder nehmen Sie’s zurück?“
Ganz einfach: Die Kunden sollten nicht die Verantwortung dafür übernehmen für Dinge, von denen sie nicht einmal wissen, was sie sind.
Das heißt, die Verantwortung liegt auf Seiten der Industrie und der Produzenten?
Braungart: Ich würde das nicht als „Verantwortung“ bezeichnen, das ist eine zu moralische Kategorie. Es ist eine Innovations-Chance, ja?
Ein Produkt, das zu Abfall wird ist einfach nur ein schlechtes Produkt – und zwar von der Qualität her und nicht moralisch, denn die Moral ist immer dann weg, wenn man sie gerade braucht.
Immer wenn man Stress hat, wenn man Angst hat, dann vergisst man schnell die Moral.
Wir haben jetzt 40 Jahre lang Weltuntergangs-Diskussionen geführt, über die Grenzen des Wachstums, über die „Plünderung des Planeten“ und all diese Dinge gesprochen und daraus haben wir jetzt so viel Kenntnis, so viel Know-How, dass wir all diese Dinge noch einmal neu erfinden könnte.
Dadurch entstehen viele bessere Produkte und dafür braucht es natürlich Studierende, braucht es Lehrende, braucht es Leute, die das in der Industrie umsetzen, es braucht die Politik, die dazu das Beschaffungswesen danach ausrichtet. Aber dann, dann kann man es schon schaffen.
Es gibt ganz wenige Länder wie Österreich, die so sehr Weltuntergangs-Diskussionen geführt haben.
Jetzt sagen wir aber: „Schaut mal, das Glas ist schon halb voll und nicht halb leer!“, darum lasst uns alle Dinge noch einmal neu erfinden und zwar so, dass sie nützlich sind und nicht weniger schädlich.
Und in Österreich hat zum Beispiel die Firma Gugler wunderbare Vorbereitungsarbeit geleistet für einen ganz wesentlichen Bereich: Das Papier und Druckerzeugnisse. Schließlich ist das Drucken in Europa erfunden worden und jetzt können wir nachdem wir die ganze Geschichte hindurch das genommen haben, was funktioniert hat, können wir jetzt die Dinge heraussuchen, sodass Papier wunderbar in biologische Kreisläufe zurückgehen kann.
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