Wenn Österreicher Exoten sind – Auslandssemester in Russland

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LAAKIRCHEN. „Vor unserer Abreise nach Russland haben Verwandte die Hände über den Kopf zusammengeschlagen und bestürzt gefragt: Wohin geht ihr denn?“, erzählt der Oberösterreicher Andreas Kappl. "Fakt ist, wir haben von der Krise in der Ostukraine gar nichts mitbekommen." Der 24-jährige studiert an der Fachhochschule (FH) Joanneum in Graz „Business in Emerging Markets“. Für einen Doppelabschluss hat sich der Laakirchner gemeinsam mit zwei steirischen Studienkollegen in die russische Großstadt Voronezh gewagt. Gerade sind sie die drei Österreicher mit „einer Million Eindrücken“ aus dem Riesenreich zurückgekehrt und blicken auf ihr Auslandssemester mit einem lachenden und weinenden Auge zurück.

Voronezh zählt rund eine Million Einwohner und gilt in Russland trotzdem nur als Provinzstadt. 2006 wurde die südwestrussische Stadt, die nur wenige Hundert Kilometer von der ostukrainischen – bzw. je nach Sichtweise „neurussischen“ – Grenze entfernt ist, von Journalisten zur „Hauptstadt des russischen Fremdenhasses“ gekürt. Verantwortlich dafür sind einige rassistisch motivierte Morde an Ausländern gewesen. „Fremdenfeindliche Erfahrungen haben wir keine gemacht – ganz im Gegenteil“, sagt Andreas.

Das Vorurteil vom unfreundlichen Russen stimme nur in der Öffentlichkeit, nicht aber im persönlichen Kontakt. „Wenn man mit einem Russen zusammensitzt und einen Wodka trinkt, dann ist er die Freundlichkeit in Person. Vor allem die russische Jugend ist sehr offen, interessiert und wohlwollend gegenüber Europäern - allerdings weniger gegenüber den USA.“ Die wenigsten Russen würden Englisch sprechen, einige junge beherrschen aber Französisch oder Deutsch. „Es gibt schon Leute, die uns gesagt haben, ihr seid in Russland, also warum sprecht ihr noch nicht ordentlich Russisch?“, erzählt Andreas.

Der Oberösterreicher hat schon während seines Bachelors an der FH Oberösterreich in Steyr Russisch gelernt und ein Semester in Moskau studiert. „Nach drei Jahren verstehe und spreche ich jetzt ganz gut Russisch“, sagt der Masterstudent, der immer wieder als Übersetzer für seine beiden Studienkollegen Günther Fragner und Dominik Glawogger aus Graz eingesprungen ist.

Wenn Österreicher Exoten sind

In Voronezh seien die drei Österreicher so etwas wie Exoten, weil sich fast keine Ausländer dorthin verirren. „In St. Petersburg oder Moskau ist das etwas anderes“, weiß Andreas aus eigener Erfahrung von seinem Studienaufenthalt in der Hauptstadt. Im Gegensatz dazu biete das etwas abseits gelegene Voronezh einen unverfälschten, „sensationellen Einblick in die russische Kultur und Lebensweise“, wie es Dominik ausdrückt, der gleich alt wie Andreas ist.

Das englischsprachige Doppel-Masterstudium "Wirtschaft in Zukunftsmärkten" an der Voronezh State University sei fordernd, wenn auch nicht auf auf akademische Art und Weise.  „Die mit Abstand größte Herausforderung für uns ist der intensive Russisch-Unterricht, der hat's wirklich in sich. Die Professorin kann keine andere Sprache“, erzählt Günther, der mit 32 Jahren der „Oldie“ des Trios ist. Nach drei Stunden Russisch-Unterrricht sei die "Birne butterweich - da willst dich dann nur noch hinlegen“, lachen alle drei, die dank einer Partnerschaft zwischen den beiden Hochschulen nicht die sonst üblichen Studiengebühren in Höhe von rund 1000 Euro pro Semester bezahlen mussten. Für die einfache Bevölkerung sei es unmöglich, ihre Kinder auf die Uni studieren zu schicken. „Ein russischer Polizist verdient im Jahr weniger als die Studiengebühren pro Semester ausmachen. Deshalb ist Korruption auch universell hier und ein oft gesehener Begleiter“, schildert Andreas seine Erfahrungen.

Steirisches Kernöl und Schweinsbraten in Russland

Zwar gibt es an der Uni von Voronezh einige Austauschstudenten aus Aserbaidschan, Kasachstan, Usbekistan, Nigeria und Madagaskar. Aber an der Wirtschaftsfakultät studiert neben den drei Österreichern nur ein weiterer "Ausländer", und der kommt aus Deutschland. „Wir vier Austauschstudenten sind an der Uni unheimlich beliebt. Jeder kennt uns, will mit uns reden, und ständig müssen wir jemandem die Hand schütteln“, sagt Dominik. Dennoch zeigen sich die drei "Avstriesch" von der russischen Mentalität und Gastfreundschaft begeistert und haben sich mit ihren österreichischen Kochabenden inklusive Schweinsbraten, Schnitzel und Vanilleeis mit steirischem Kernöl viele Freunde gemacht. „Wir haben schon überlegt ein österreichisches Restaurant in Voronezh aufzusperren, so groß war der Andrang“, lacht Andreas.

Das größte Abenteuer der drei ist ihre 55-stündige Reise mit der Transibirischen Eisenbahn bis an den Baikal See gewesen. „Wenn man dann aus dem Fenster schaut und durch die unendlichen Weiten Russlands fährt, dann ist das schon ziemlich imposant“, sagt Dominik. Normalerweise fahren Austauschstudenten ins „nahe“ Sotchi, nach St. Petersburg oder Moskau. Die drei Österreicher waren die ersten „Ausländer“, die von Voronezh nach Sibirien durch fünf Zeitzonen gereist sind. „Sogar unsere russischen Professoren haben gesagt: 'Ihr seid Verrückte'.“ Dennoch war die Uni so großzügig ihnen für die Abenteuerreise eine Woche frei zu geben.

Schließlich sei das Semester in Voronezh eine „unbezahlbare Bereicherung“ gewesen. „Es ist genau der richtige Ort um zu erfahren, was in diesem Land abgeht“, sagt Andreas. Der Abreisetag kurz vor Weihnachten ist zugleich der schönste und schlimmste Moment gewesen. Zum einen, weil es heimwärts ging, zum anderen weil viele russische Freunde zurückgelassen werden mussten. „Wir empfehlen allen, die sich auf dieses riesige Land, seine Kultur und Sprache einlassen wollen, ein Auslandssemester in Russland zu absolvieren“, ist sich das Trio einig.

Text und Fotos: René Jo. Laglstorfer

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