Arbeitsmarkt
16 Prozent der Salzburger Unternehmen finden keine Fachkräfte
Die Covid-Pandemie verursacht Negativrekorde bei Beschäftigung und Arbeitslosigkeit. Dazu ist auch der Fachkräftemangel nach wie vor hoch. Das wollen AK, AMS und WKS dagegen unternehmen.
SALZBURG. Arbeiterkammer, Arbeitsmarktservice und Wirtschaftskammer sprachen gemeinsam über die prekäre Lage in vielen Branchen und deren Einfluss auf den Salzburger Arbeitsmarkt.
Gesprächspartner waren:
Jacqueline Beyer, Landesgeschäftsführerin des Arbeitsmarktservice Salzburg (AMS)
Peter Eder, Präsident der Arbeiterkammer Salzburg (AK)
Peter Buchmüller, Präsident der Wirtschaftskammer Salzburg (WKS)
Rekordhoch seit der Finanzkrise
Erstmals seit der Finanzkrise 2008/2009 ist im Bundesland Salzburg 2020 die Beschäftigung um 3,3 Prozent gesunken, während gleichzeitig die Zahl der Arbeitslosen um 58,2 Prozent zugenommen hat.
Auch 2024 noch nicht auf Vorkrisenniveau
„Bei allen Unwägbarkeiten des künftigen Pandemie- und Wirtschaftsgeschehens ist davon auszugehen, dass die Spuren der Corona-Krise noch längere Zeit auf dem Arbeitsmarkt sichtbar sein werden“, befürchtet AMS-Chefin Jacqueline Beyer: „laut Prognosen könnte die Arbeitslosigkeit auch über das Jahr 2024 hinaus nicht auf das Vorkrisenniveau sinken“.
70 Prozent wollen Personalstand halten
Auch der Fachkräftemangel bleibt weiterhin hoch. 16 Prozent aller Salzburger Unternehmen geben sogar jetzt in der Krise an, dringend Fachkräfte zu benötigen, aber keine zu finden. (Fachkräfteradar der WKÖ, Herbst 2020). Der Mangel an Fachkräften sei ein Grund, dass viele Betriebe trotz Krise den Mitarbeiterstand halten wollen: Laut Umfrage der Wirtschaftskammer Salzburg (Dezember 2020) gehen 70 Prozent der Betriebe für die nächsten sechs Monate von einem etwa gleichen Personalstand aus, 13 Prozent wollen eher noch zusätzlich Personal aufnehmen.
Vermittlungsvorschlag binnen 14 Tagen
„Dem AMS Salzburg steht ein um 28 Prozent auf 59 Millionen Euro erhöhtes Förderbudget zur Verfügung. Unser Ziel heißt: Jedem Arbeitslosen innerhalb von 14 Tagen entweder einen Vermittlungsvorschlag oder ein Angebot der Corona-Joboffensive zu unterbreiten. Wir haben die Kapazitäten geschaffen, 13.000 Menschen Orientierung, Beratung und Begleitung bei der Entscheidung zu bieten, welche Aus- oder Weiterbildung am besten geeignet ist. Unser vorrangiges Ziel ist es, Menschen mit Pflichtschulausbildung den Weg zur Fachkraft zu ermöglichen“, sagt AMS-Chefin Beyer. Für den Tourismus werde gerade eine eigene Joboffensive konzipiert. Über Aus- und Weiterbildung soll die Krise zur Stärkung der MitarbeiterInnenkompetenz im Tourismus genutzt werden.
Bildungsbonus in Höhe von monatlich 120 Euro
Neu ist auch der Bildungsbonus in Höhe von monatlich 120 Euro. Er soll die finanziellen Rahmenbedingungen für jene Arbeitslosen verbessern, die sich für eine Weiterbildung entscheiden.
"Wenig Interesse an Jobs"
Für WKS-Präsident Buchmüller ist die aktuelle Situation paradox: "Trotz hoher Arbeitslosigkeit finden die Unternehmen, die auch in der Krise expandieren wollen, kaum Fachkräfte. Ohne pauschal urteilen zu wollen, zeigte sich auch oft bei Vorstellungsterminen, dass kein wirkliches Interesse an einer Arbeitsaufnahme besteht", sagt Buchmüller.
WKS will Überarbeitung der Zumutbarkeitsbestimmungen
WKS-Präsident Buchmüller fordert daher die Überarbeitung der Zumutbarkeitsbestimmungen. Konkret fordert die WKS:
- Eine Anpassung der zumutbaren Wegzeiten auf die im Berufsleben üblichen Pendlerzeiten (3 Stunden täglich bei Vollbeschäftigung).
- Weiters sollte der Berufsschutz zumindest bei den unter 30-Jährigen ersatzlos gestrichen und der Entgeltschutz auf 100 Tage verkürzt werden.
- Die WKS tritt außerdem für eine degressive Staffelung des Arbeitslosengeldes ein: aufkommensneutrale Erhöhung in den ersten drei Monaten, Absenkung nach dem dritten und dem sechsten Monat.
- Die Möglichkeit der geringfügigen Beschäftigung neben dem Bezug an Arbeitslosenunterstützung sollte überdacht und eingeschränkt werden.
- Für die Beschäftigung von über 50-Jährigen solle die Eingliederungsbeihilfe ausgebaut werden.
- Gefordert wird die Forcierung der überregionalen Vermittlung.
- Eine klare Absage erteilt Buchmüller den Forderungen, die sogenannten Nettoersatzrate, die derzeit bei rund 55 Prozent liegt, auf 70 Prozent zu erhöhen – wie es beispielsweise die Arbeiterkammer Salzburg fordert. >>HIER<< lesen Sie mehr dazu.
Bund, Land und Gemeinden sind gefragt
AK-Präsident Peter Eder erteilt der, von der WKS angedachten, Verschärfungen bei den Zumutbarkeitsbestimmungen, eine klare Absage. Stattdessen brauche es mehr Maßnahmen der öffentlichen Hand. „Es benötigt eine Intensivierung von Ausbildungen etwa im Pflegebereich. Außerdem muss die öffentliche Hand als Arbeitgeber einspringen und sinnvolle Beschäftigungsverhältnisse im öffentlichen und gemeinnützigen Bereich schaffen, wenn der private Sektor einbricht“, sagt Eder.
Arbeitsplatznahe Qualifizierung in Mitterberghütten
Also Positivbeispiel führen WKS und AK das Sozialpartnerprojekt "TAZ Mitterberghütten" an (Bischofshofen). Dort wird seit Jänner die arbeitsplatznahe Qualifizierung (AQUA) angeboten. Im Rahmen dieses AMS-Angebots nehmen Arbeitslose ein Praktikum in einem Unternehmen auf und erwerben gleichzeitig die für einen Abschluss notwendigen Kenntnisse. Im Idealfall wird der vormals Arbeitssuchende vom Unternehmen übernommen. Die zertifizierte Ausbildung (Lehre) ist jedoch auch überbetrieblich verwertbar.
>>HIER<< erfährst du mehr über AQUA.
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