Armut in Salzburg
100 Jahre Jedermann = 100 Jahre Diskurs über Reichtum

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Salzburg ist ohne Festspiele kaum vorstellbar. Doch während sie für die einen ein Fest voll von Kultur und Luxus sind, stehen sie für andere für ein sektorales Bettelverbot, unerreichbare Einkommen und Vermögenswerte.

Wie im Stück vom Jedermann leben auch in Salzburg Menschen in den Rollen von Schuldknecht, Buhlschaft, Mammon und CO.

Aus diesem Grund möchten die Sozialeinrichtungen Salzburgs auf die sozialen Unterschiede und insbesondere die Verteilungsfrage aufmerksam machen. Vor der Residenz tafelte daher am 21. August eine etwas andere Tischgesellschaft. Vertreter*innen des Solidarischen Salzburgs und Expert*innen informierten über aktuelle Entwicklungen und luden Passant*innen zum Platznehmen und Mitdiskutieren ein.

Mammon

Vermögen lässt sich nicht ins Jenseits transportieren und doch bleibt es einem kleinen Teil der österreichischen Bevölkerung vorbehalten. Das reichste 1% besitzt 40% des Nettovermögens in Österreich , damit steht Österreich EU-weit an zweiter Stelle der Vermögensungleichheit. Auch die Entwicklung von Vorstandsvergütungen der letzten Jahre darf an der sozialen Tischgesellschaft hinterfragt werden: Denn trotz Wirtschaftskrise(n) stiegen die Vorstandsgehälter von börsennotierten Unternehmen in Österreich zwischen 2016 und 2018 um 18,6%, während im selben Zeitraum Medianeinkommen ein Plus von 3,1% aufweisen.

Buhlschaft

Frauen leisten ein Gros der unbezahlten Arbeiten wie Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung und Homeschooling. Dies wurde während des Lock-Downs wieder sichtbar. Frauenvertreter*innen aus diversen Organisationen, wie dem ABZ* Austria schlagen Alarm. Nach Berechnungen der AK-Salzburg lag das durchschnittliche Bruttoeinkommen von Frauen im Jahr 2018 um rund 1.000 Euro unter jenem von Männern. Ein Ergebnis, das sich auch im erst kürzlich stattgefunden Equal-Pension-Day in Salzburg (29.07) wiederfindet. Ab diesem Tag haben Männer bereits so viel Pension erhalten, wie Frauen erst bis Jahresende bezogen haben werden.

Der arme Nachbar

Armut ist überall, auch in Österreich und auch beim Nachbarn, oft jedoch gut versteckt und unsichtbar für Außenstehende. Im aktuellen Sozialbericht des Landes Salzburg zeigt sich, wie es den Menschen in Salzburg geht: 2019 wurden 7.627 Personen finanziell unterstützt, wobei die größte Gruppe mit 29% aller Leistungsbezieher*innen Kinder bis 14 Jahre ausmachte. Darüber hinaus benötigten 3.443 Personen 2019 zusätzliche Leistungen um ihre Wohnung auch im Winter angemessen warm zu halten. Davon entfiel fast die Hälfte der Bezieher*innen auf die Stadt. Der arme Nachbar, es gibt ihn nicht nur im Theater.

Schuldknecht

34 Prozent aller Haushalte in Österreich haben Schulden, im Schnitt mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von rund 21.000 € (Erhebung OENB, Juni 2018). Inge Honisch von der Schuldenberatung Salzburg prognostiziert, dass sich die Problematik in den nächsten Monaten und Jahren massiv verschärfen wird. Durch die hohe Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit aufgrund der Pandemie häufen sich Mietschulden.

„Wir zählen Mietrückstand zu den gefährlichen Schulden, denn diese können existenzbedrohend werden bzw. sehr unangenehme Konsequenzen zur Folge haben. Miete und Existenz müssen gesichert sein.“

Der Tod

Bei Hofmannsthal scheut der Tod keinen Mann (und keine Frau), vor ihm sind vermeintlich alle gleich. Die zusätzliche Stunde steht allerdings nur dem reichen Jedermann zu. Menschen, die manifest arm sind, also zum Beispiel Bezieher*innen der Mindestsicherung, sterben um mehr als 10 Jahre früher als der Rest der Bevölkerung. Bei länger andauernder Armut verringert sich die Lebenserwartung für Männer um 12, für Frauen um 9,1 Jahre.

Seit 100 Jahren gehören Festspiele und Jedermann zu Salzburg. An den Rollen hat sich nur wenig geändert.

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