Politbarometer
Freiheitliche legen als einzige Partei wirklich zu
Die Unzufriedenheit der Salzburgerinnen und Salzburger steigt weiter. Am Wahlverhalten ändert das im Vergleich zur Landtagswahl 2018 wenig. Im Vergleich zu den Umfragen der vergangenen Jahre gibt es allerdings sehr wohl Überraschungen.
Kommentar zur politischen Lage von Chefredakteurin Julia Hettegger
SALZBURG. Die Ausläufer der Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, die Schwierigkeiten aller Branchen, Arbeitskräfte zu finden – von Fachkräften ganz zu schweigen – drücken auf das Gemüt der Salzburgerinnen und Salzburger. Die Teuerung der Lebenshaltungskosten und die Inflation treiben Mitarbeiter vieler Branchen auf die Straßen. 2022 war ein schwieriges Jahr für die Salzburgerinnen und Salzburger. Viele hätten sich mehr von der Landespolitik erwartet – das zeigt die Umfrage des Grazer Meinungsforschungsinstituts GMK* im Auftrag der RegionalMedien Salzburg.
*Die vollständige Datenquelle zur Umfrage findest du am Ende des Beitrags.
Zufriedenheit sinkt deutlich
800 Salzburgerinnen und Salzburger wurden zu ihrer Zufriedenheit mit der Arbeit der Landesregierung befragt. ÖVP, Neos und Grüne werden ordentlich abgestraft. Von der anfänglichen Zufriedenheit, mit der man die Landesregierung 2018 in die Periode schickte, ist heute wenig übrig. Waren 2018 noch 75 Prozent der Befragten "sehr" oder "ziemlich" zufrieden mit der Arbeit der Landesregierung, sind es heute nur noch 49 Prozent (-26 Prozentpunkte, Pp). Fast die Hälfte der unter 35-Jährigen ist "wenig" bis "gar nicht" mehr zufrieden (48 Prozent). Die Zufriedenheit der Salzburger sank mit Start der Corona-Pandemie kontinuierlich (von 75 Prozent "sehr"- oder "ziemlich"-zufrieden-Angaben auf 68 Prozent 2019 und 64 Prozent 2020). 2022 rutschen die Werte nochmals um sechs Prozentpunkte nach unten (2021: 55 Prozent; 2022: 49 Prozent).
"Die Fallhöhe für die Akteure war hoch. Die Zufriedenheitswerte waren in Salzburg bis vor Corona sehr gut."
Anton Leinschitz, Meinungsforschungsinstitut GMF, Graz
Ältere sind wenig zufrieden
Die wirtschaftliche Situation drückt massiv auf den Gemütszustand der Salzburgerinnen und Salzburger. Es wird ein spürbares Eingreifen der Politik erwartet. Bei den steigenden Wohn- und Lebenskosten sowie den Jahresabrechnungen der Stromanbieter ist davon aber wenig zu spüren. Vor allem die über 60-Jährigen im Land sorgen sich um ihr Auskommen. Mehr als die Hälfte (52 Prozent) ist mit der Arbeit der Landesregierung "wenig" bis "gar nicht" mehr zufrieden.
ÖVP landet – aber hart
Konsequent münzen die Befragten den Zufriedenheitsverlust auch auf ihr Wahlverhalten um (derzeitiger Stand). Bei der Hochschätzung zur Sonntagsfrage sind die klaren Gewinner die Oppositionsparteien. Zwar landet die ÖVP mit 35 Prozent immer noch auf Platz eins, dort landet sie aber hart. Denn bei unserer letzten Befragung Ende des Jahre 2021 kam die Volkspartei noch auf 44 Prozent der Salzburger Stimmen (-9 Pp), und das trotz damals laufender Corona-Maßnahmen.
"23 Prozent der ÖVP-Wähler sind in Salzburg 'wenig' oder 'nicht zufrieden'. Dennoch wählen sie die Volkspartei. Für sie fehlen augenscheinlich die Alternativen."
Anton Leinschitz, Meinungsforschungsinstitut GMF, Graz
Rittern um dieselben Themen
Hinter der ÖVP zeichnet sich ein klares Match um Platz zwei ab – und zwar zwischen der SPÖ (22 Prozent; +4 Pp zu 2021) und der FPÖ (20 Prozent; +7 Pp zu 2021). Der SPÖ ist seit Mitte der Legislaturperiode eine gute Aufholjagd gelungen. Aber obwohl die aktuellen Themen (soziale Ungleichheit, Teuerung, Asyl) der SPÖ in die Hände spielen, muss die Partei im Wahlkampf Kante zeigen, denn auch die FPÖ nennt die aktuellen Themen ihre ureigenen. Für die Freiheitlichen war Corona bereits ein "Hilfsthema". Jetzt bringen deren "Klassiker" Migranten, Flüchtlinge, Sicherheit und Teuerung der Partei Rückenwind.
KPÖ besetzt Teuerung
Bemerkenswert sind die 4 Prozent, die die KPÖ in der Sonntagsfrage einheimst. Konstruktive Vorschläge gegen die Teuerung beim Wohnen und Leben kommen seit Monaten vom KPÖ-Plus-Gemeinderat der Stadt Salzburg, Kay-Michael Dankl. Das goutieren die Salzburgerinnen und Salzburger.
MFG spielt derzeit keine Rolle
Keine Rolle für die Befragten spielt hingegen die MFG. Mit den fast vollständig beendeten Corona-Maßnahmen und dem Ausscheiden von Gerhard Pöttler als Landesparteiobmann ist die Protestpartei "Menschen, Freiheit, Grundrechte" für die Befragten derzeit nicht wählbar.
Unentschlossene bestimmen
Entscheidend wird bei der Landtagswahl sein, wer es schafft, die noch unentschlossenen Wähler für sich zu gewinnen. Denn von ihnen gibt es noch einige und sie sind vor allem im mittleren "Zufriedenheits-Segment" angesiedelt. 42 Prozent der Unentschlossenen sind "ziemlich zufrieden" mit der Arbeit der Landesregierung, 39 Prozent der Gruppe "weniger zufrieden". Die eher Zufriedenen könnten, wenn sie es im Wahlkampf geschickt anlegen, die ÖVP oder die beiden Koalitionspartner Grüne und Neos mobilisieren; um die 39 Prozent weniger Zufriedenen werden die Oppositionsparteien kämpfen müssen.
Grüne zeigen nicht auf
Die Grünen kommen in Salzburg nicht vom Fleck. Mit 9 Prozent verlieren die Salzburger Grünen zwei Prozentpunkte im Vergleich zu unserer letzten Hochschätzung 2021. Kein Wunder: Das Thema Klima hängt in der Warteschleife, in der Pflege scheint derzeit alles verloren und bei den aktuellen Herausforderungen vermissen die Befragten die grüne Note in der Politik. Wenig Rückenwind gibt es außerdem vom Bund.
"Trostprozente" für Neos
Neos können von 6 Prozent (2021) auf 8 Prozent zulegen. Aber ähnlich wie bei den Grünen gelingt es mit der aktuellen Arbeit in der Landespolitik nicht, restlos zu überzeugen. Auch bei der Landeshauptmann-/frau-Direktwahl-Frage landet Neos-Chefin Andrea Klambauer mit 5 Prozent bei den zuletzt Genannten. Die Wähler vermissen Lösungen in der Wohnbaupolitik. Den hohen Baukosten, der Flächenknappheit und den steigenden Wohnkosten muss etwas entgegengesetzt werden.
Haslauer verliert die Jungen
Bei der Landeshauptmann-/frau-Direktwahl-Frage setzt sich Wilfried Haslauer mit 35 Prozent (2021: 40%) erwartungsgemäß durch. Bei den jungen Wählern schneidet er allerdings zunehmend schlechter ab. Nur mehr 29 Prozent der unter 35-Jährigen würden dem Landeshauptmann derzeit ihre Stimme geben. Bei den Salzburgerinnen und Salzburgern über 35 Jahren sitzt er nach wie vor fest im Sattel (39% bei den 35- bis 59-Jährigen). Auch 31 Prozent der unentschlossenen Wähler würden Haslauer ihre Stimme geben. Hier gibt es Möglichkeiten zur Mobilisierung.
Plötzlich wählbar geworden
Generell wird das Bild bei der Landeshauptmann-/frau-Direktwahl-Frage heuer klarer. Gaben 2021 noch 32 Prozent der Befragten an, eher "niemanden" (18 Prozent) oder gar nicht (k.A., 14 Prozent) wählen gehen zu wollen, als einer/einem der Parteichefinnen oder -chefs ihre Stimme zu geben, schrumpft dieser Anteil heuer auf 25 Prozent (16% niemand; 9% k.A.; v.a. unter 35-Jährige). Das zeigt, dass die Persönlichkeiten der Parteien in diesem Jahr punkten konnten – konkret die Spitzenkandidaten der Opposition.
Marlene Svazek: Was für eine Aufholjagd
SPÖ-Chef David Egger kommt auf 14 Prozent (2021: 10%), FPÖ-Chefin Marlene Svazek auf 13 Prozent der Stimmen (2021: 5%). Was für eine Aufholjagd für Svazek. Ihr gelingt es, vor allem die FPÖ-Wähler hinter sich zu versammeln: 85 Prozent stehen hinter ihrer Landeschefin. Ein Top-Wert, den nur Wilfried Haslauer einholen kann (87% ÖVP-Wähler). Hinter David Egger stehen vor allem die unter 35-Jährigen. Sie fühlen sich von Egger gut repräsentiert.
Freiheitliche legen als einzige Partei wirklich zu
Richtig stark zulegen im vergangenen Jahr, konnte damit nur die FPÖ (20 Prozent; +7 Pp zu 2021) mit Landeschefin Marlene Svazek (13 Prozent; +8 Pp zu 2021). Der Partei ist es gelungen, das Beste für sich aus der aktuellen Situation herauszuholen.
Viele Grüne wählen Haslauer
Als neue Landesparteiobfrau der Salzburger Grünen hatte Martina Berthold noch nicht viel Zeit, sich zu beweisen. 7 Prozent der Befragten geben ihr in der Landeshauptmann-/frau-Direktwahl-Frage die Stimme. Lediglich 55 Prozent der Grünen-Wähler stehen hinter Berthold. Ganze 26 Prozent der Grünen-Wähler würden ihre Stimme an Landeshauptmann Wilfried Haslauer "verleihen". Auch hier gibt es also Potential für die Volkspartei.
Keine Revolution in Sicht
Trotz all dieser Stimmen-Verschiebungen in den letzten Jahren nähert sich die Hochschätzung 2022 stark dem Ergebnis der Landtagswahl 2018 an (siehe Grafik). Alle Parteien verlieren oder gewinnen innerhalb der Schwankungsbreite (+/-3,6%). Die Unterschiede im Wahlverhalten werden aus heutiger Sicht also nicht so massiv sein, wie die Zufriedenheitswerte vermuten lassen würden. Es ist keine Revolution in Sicht.
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Datenquelle der Umfrage:
Auftraggeber: RegionalMedien Salzburg
Ausführende Gesellschaft: GMK Gesellschaft für Marketing und Kommunikation, Graz
Sample und Methode: 800 telefonische Interviews (CATI), Quotenverfahren.
Maximale Schwankungsbreite: +/-3,6 Prozent.
Abfragezeitraum: November/Dezember 2022
Hier kannst du die Umfrageergebnisse der vergangenen Jahre nachsehen:
Jänner 2022:
Dezember 2020:
Dezember 2019:
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