Interview Helmut Windinger
"Man sollte lesen, was einem Freude macht"
Helmut Windinger leitet die Stadtbibliothek Salzburg und spricht im Interview über Bücher, seine Kollegen und Pläne für die Zukunft.
SALZBURG. Herr Windinger, rückblickend auf den ersten Lockdown, was hat man bezüglich des Arbeitsablaufes in der Bücherei verändert, bzw. lief alles gleich ab und man war einfach nur „routinierter“?
WINDINGER: "Seit dem ersten Lockdown haben wir mit den unterschiedlichsten Einschränkungen zu leben gelernt. Insbesondere im Veranstaltungsbereich mussten wir flexibel agieren, weil sich die Vorgaben immer wieder geändert haben. Jeder Lockdown macht am Anfang und Ende umfassende Maßnahmen notwendig: Es sind die Sperrtage gebührenfrei zu stellen und Fristen, die während eines Lockdowns ablaufen, auf die Zeit danach zu verschieben. Damit stellen wir sicher, dass den Leserinnen und Lesern durch den Lockdown keine Gebühren entstehen. Herausfordernd sind die Öffnungstage vor einem Lockdown. Im November hatten wir unter Beachtung der Sicherheitsregeln gut 1.500 Personen an einem Tag im Haus, mehr als das Doppelte als beim ersten Lockdown."
Sind die Mitarbeiter der Bibliothek derzeit im Homeoffice?
WINDINGER: "Homeoffice gibt es bei uns, insoweit es zur Vermeidung der Ausbreitung von Covid-19-Infektionen notwendig ist. So stellen wir sicher, dass bei zwei Personen, die eng in einem Raum zusammenarbeiten, derzeit eine Kollegin oder ein Kollege im Homeoffice ist. Abgesehen von der Ausleihtätigkeit läuft alles normal weiter. Es müssen ja weiterhin Bücher und andere Medien ausgewählt, angekauft, katalogisiert, systematisiert und ausleihfertigt bearbeitet werden. Dazu kommen viele Arbeiten, für die sonst einfach keine Zeit ist, wie etwa die Umarbeitung der Aufstellung und Präsentation der Medien. Zuletzt wurde der Ankauf von digitalen Medien verstärkt, um hier das Angebot während des Lockdowns aktuell zu halten. Auch Pläne für die Zukunft werden geschmiedet und vieles ist derzeit einfach aufwendiger. Der direkte Kontakt zu den Leserinnen und Lesern fehlt uns natürlich und wir wissen, dass schön langsam der Lesestoff ausgeht. Wir haben daher auch schon Alternativen überlegt, wie zum Beispiel ein Lieferservice für Medien mittels Botendiensten, da sind wir noch am Tüfteln. Während des laufenden Betriebs ist das schwer umzusetzen, aber für die Zeit eines Lockdowns wäre das eine Alternative - vor allem, wenn dieser nicht wie vorgesehen endet."
Wie halten Sie die Mitarbeiter in dieser herausfordernden Situation bei der Stange?
WINDINGER: "Ich kann den Kolleginnen und Kollegen da nur ein Kompliment machen, sie gehen sehr gut mit den wechselnden Situationen um und halten sehr zusammen. Die Kommunikation läuft heute verstärkt über Chats und Videokonferenzen, so sind auch die Kolleginnen und Kollegen im Homeoffice immer mit dabei."
Haben Sie einen „Boom“ auf die Online-Ausleihe vermerkt?
WINDINGER: "Schon vor Corona waren knapp 11 Prozent unserer Entlehnungen digital, durch die Schließzeiten war dieser Wert 2020 natürlich deutlich höher. Die digitalen Entlehnungen in der Stadt sind im Vorjahr von einem hohen Niveau noch einmal um fast 16 % gestiegen. Positiv ist, dass auch die Nachfrage nach gebundenen Büchern und vor allem nach Kinderbüchern in Relation zugenommen hat."
Viele Bücher widmen sich inhaltlich der Corona-Lage, obwohl man sich noch direkt darin befindet. Finden Sie das verfrüht oder dem Zeitgeist entsprechend?
WINDINGER: "Man sollte lesen, was einem Freude macht, einen bereichert und eine Perspektive für die Zukunft bietet. Es gibt ja auch eine Zeit nach Corona. Literatur, die aus aktuellem Anlass mit der heißen Nadel gestrickt ist, ist generell nicht so mein Ding. Dennoch findet sie Leser, sonst würde sie nicht verlegt."
Welche Bücher werden denn derzeit oft nachgefragt?
WINDINGER: "Auch im Vorjahr waren natürlich die Krimis wieder stark gefragt. Wenig überraschend war auch John Strelecky (Das Cafe am Rande der Welt) ganz an der Spitze. Davor kam aber noch Lucinda Riley (Die Sonnenschwester). Von den Österreichern wurden neben Arno Geiger (Unter der Drachenwand) mit Manfred Baumann (Blutkraut, Wermut, Teufelskralle) und Mareike Fallwickl (Das Licht ist hier viel heller) gleich zwei gebürtige Halleiner besonders viel gelesen."
In der Bücherei, bzw. In der Panoramabar fanden ja viele Veranstaltungen statt. Wird weiterhin geplant?
WINDINGER: "Auch in unsicheren Zeiten darf man das Planen nicht aufgeben. Für das zweite Quartal möchten wir auf jeden Fall wieder Veranstaltungen machen. Sollte uns Corona bei den Veranstaltungen in der Panoramabar einen Strich durch die Rechnung machen, werden wir einzelne Veranstaltungen online übertragen. Unsere erfolgreiche Online-Premiere mit den Veranstaltungen beim Vorlesetag im November gemeinsam mit dem Informationszentrum der Stadt hat uns da durchaus Mut gemacht."
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